Landau

Niederbayerns Aufstieg - Vom Goggomobil zum Rolls Royce


Niederbayern, das war lange gleichbedeutend mit arm und rückständig. Dann kam BMW - und machte es zur Aufsteigerregion.

Niederbayern, das war lange gleichbedeutend mit arm und rückständig. Dann kam BMW - und machte es zur Aufsteigerregion.

Von Redaktion idowa

Niederbayern, das war lange gleichbedeutend mit arm und rückständig. Die Wende kam, als BMW eine kleine Autofabrik in Dingolfing übernahm. Heute ist die Region nicht nur bei Essiggurken Spitzenreiter.

Bundesweit Schlagzeilen macht Niederbayern regelmäßig mit dem Politischen Aschermittwoch und mit Überschwemmungen an Donau und Inn. Weniger bekannt ist, dass Niederbayern das größte Gurkenanbaugebiet Europas ist. Und dass sämtliche Rolls-Royce-Karosserien dort gebaut werden - in Dingolfing, im zweitgrößten BMW-Werk weltweit. Es hat das Gebiet vom Armenhaus zur Aufsteigerregion gemacht und wird jetzt 50 Jahre. Am Donnerstag steigt die Jubiläumsfeier mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU).

Wenn es galt, Strukturschwäche oder die "Beschränktheit einer konservativen Bevölkerung am Beispiel zu belegen, musste im Freistaat der Regierungsbezirk oder zumindest der Bayerische Wald herhalten", schreibt der Wirtschaftshistoriker Stefan Rieder. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sei Niederbayern "tatsächlich das rückständige Armenhaus" gewesen - jeder zweite arbeitete in der Land- und Fortwirtschaft, es gab mehr Arbeitslose als Industriebeschäftigte.

Heute ist die Arbeitslosigkeit mit 3,2 Prozent sogar noch niedriger als im bayerischen Durchschnitt, und mit 31 Prozent ist der Anteil der Industriebeschäftigten selbst für den Freistaat ungewöhnlich hoch. "BMW ist ein Schwergewicht. Der ganze Wirtschaftsraum ist ausgerichtet auf die Autoindustrie", sagt Johannes Karasek von der Industrie- und Handelskammer Niederbayern und verweist auf große Zulieferer wie Dräxlmaier in Vilsbiburg und ZF in Passau.

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"Der Aufschwung kam mit BMW", sagt Rieder. Goggomobil hieß der Kleinwagen, den der Autofabrikant Hans Glas in Dingolfing baute - 120 Fahrzeuge pro Tag. In der Rezession 1966 stand Glas vor der Pleite. BMW dagegen wurde das Münchner Stammwerk zu klein, der Konzern griff zu - zum Schnäppchenpreis von 10 Millionen Mark bekam er die Fabriken und dazu noch eine enorm hohe Bürgschaft des Freistaats.

Heute bauen 22.000 BMW-Mitarbeiter in Dingolfing und Landshut rund 350.000 Autos im Jahr, vom 3er bis zum 7er. Hier werden Elektromotoren und Batterien für die Hybrid- und E-Autos gebaut, Karbon- und Leichtbauteile für die E- und Luxusautos, und hier steht das zentrale Ersatzteil-Lager für die BMW-Händler in aller Welt.

"Vor dem Schichtwechsel fahren auf der A92 auf der rechten Spur die Busse einer hinter dem anderen", sagt Karasek. Vom Gäuboden, aus dem Bayerischen Wald, selbst aus dem 130 Kilometer entfernten Jandelsbrunn nahe dem Dreiländereck mit Tschechien und Österreich holen BMW-Busse rund 10.000 Pendler zu den Früh- und Spätschichten nach Dingolfing und Landshut.

Trotz der beiden BMW-Standorte, die kaum 100 Kilometer vom Münchner Flughafen entfernt sind, ist Niederbayern ländlich geprägt geblieben. Es gibt keine einzige Großstadt. Produktivität, Wirtschaftskraft und Kaufkraft liegen laut Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) immer noch unter Bundesschnitt. Fachkräfte fehlen. Und das Straßen- und Bahnangebot werde von den Unternehmen "bayernweit am schlechtesten bewertet", heißt es in einer aktuellen vbw-Studie.

So fordert Regierungspräsident Rainer Haselbeck im Neujahrsgrußwort für das östliche Niederbayern denn auch dringend eine zweigleisige Bahnstrecke Richtung München sowie den Ausbau der Autobahnen und des schnellen Internets. "Die Schiene ist an der Kapazitätsgrenze. Vor Jahrzehnten ist man schneller vorangekommen als heute", kritisiert IHK-Sprecher Karasek. Für die Straße hätte sich die Wirtschaft vom neuen Verkehrswegeplan mehr erhofft. Beim Internet gehe es gut voran. Aber "wenn wir über Industrie 4.0 reden und vernetzte Produktion, brauchen wir schnelle Datenleitungen. Die Anforderungen steigen."

Im Bayerischen Wald und im Bäder- und Golfmekka um Bad Füssing bringen Touristen gut zwei Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Es gibt auch noch die Landwirtschaft, viele klein- und mittelständische Betriebe wie den Küchenhersteller Bulthaup und den Senfproduzenten Develey, der in Dingolfing Essiggurken herstellt.

Allerdings stehen BMW und die Autozulieferer für jeden zwölften Arbeitsplatz und einen großen Teil der Investitionen und Steuern. Niederbayern sei "sehr abhängig von der Autoindustrie", sagt Rieder. Zur Zeit ist das kein Nachteil, es läuft rund. Gerade hat BMW an beiden Standorten wieder mehrere Hundert Millionen Euro in modernere Anlagen, die Montage neuer Modelle sowie in Leichtbau- und Elektro-Technologie investiert.