Sorgsam oder sorglos?

So denken Jugendliche über Datenschutz im Internet


"Auf WhatsApp schreibt man eh nur Belangloses": Jugendliche wissen heute viel über den Missbrauch von Daten im Internet. Trotzdem wollen sie nicht auf den Nachrichtendienst verzichten.(Foto: Ingo Wagner/dpa)

"Auf WhatsApp schreibt man eh nur Belangloses": Jugendliche wissen heute viel über den Missbrauch von Daten im Internet. Trotzdem wollen sie nicht auf den Nachrichtendienst verzichten.(Foto: Ingo Wagner/dpa)

Ständig online auf WhatsApp, die neuesten Urlaubsbilder aus London auf Facebook, Partyfotos vom Wochenende auf Instagram: Das Netz weiß inzwischen unheimlich viel über jeden von uns. Sich deshalb aber einschränken? Darauf hat kaum jemand Lust. Am 28. Januar ist Europäischer Datenschutztag. Aus diesem Anlass hat Freistunde mit der Klasse 10e des Gymnasiums Seligenthal in Landshut über ihren Umgang mit privaten Daten im Internet diskutiert.

Ein Klick auf die Notfall-App genügt und automatisch wird ein Signal an den Rettungsdienst abgegeben, der per GPS sofort ermitteln kann, wo man sich befindet. Zuvor will die App Körpergröße, Gewicht und weitere persönlichen Angaben wissen. "Natürlich gibt man da seine Daten preis. Aber der Rettungsdienst weiß dann auch, wo man ist." Luis, 16, bringt es damit auf den Punkt: Die meisten aus der Klasse befinden sich im Zwiespalt hinsichtlich des Datenschutzes. Einerseits wissen die Jugendlichen viel darüber. Andererseits würden sie nie auf den Komfort und die Möglichkeiten verzichten, die das Internet ihnen bietet.

Seit bekannt wurde, dass der amerikanische Geheimdienst abertausende von privaten E-Mails und Daten überwacht, ist das Thema in aller Munde. Und irgendwie geistert das Bild vom gläsernen Menschen auch durch die Köpfe der Schüler. "Klar kennt man das. Aber eigentlich denkt man nicht darüber nach", sagt der 16-jährige Luis. Freilich schränkt man ein, was andere auf Facebook über einen sehen können. Aber selbstkritisch fügt Luis auch hinzu: "Wir glauben, dass wir darüber alles wissen. Aber das stimmt nicht." Auch sein Computer sei schon gehackt worden, weil er auf einen so genannten Catch-Link hereingefallen ist und ein Fremder sich auf diese Weise Zugang zu seinem Rechner verschaffen konnte.

Keine Fotos von wilden Partys posten, keine Nacktbilder verschicken, nicht an Bier-Ex-Challenges teilnehmen. Was man im Netz macht und was eher nicht, das ist für die Schüler der 10e klar. Zu viele peinliche Beispiele gab es in jüngster Zeit.

Gewarnt wird man auch von allen Seiten: In der siebten Klasse nahm die Klasse an dem Projekt "Offline" teil. Zusammen mit Fachleuten und der Polizei wurden dabei Probleme im Netz und mögliches Suchtverhalten diskutiert. Viele wurden bereits von den Eltern aufgeklärt. Mit Freunden wird kollektiv verurteilt, wenn mal wieder besonders heikle Videos im Netz die Runde machen. Die Mehrheit der Klasse ist nicht mit vollem Namen in den sozialen Netzwerken unterwegs. So genannte "Digital Natives" also, die sich selbstverständlich im Netz bewegen und dabei auf den Datenschutz achten. Könnte man meinen. Und dennoch: Fast 80 Prozent der Schüler der 10e verwenden zum Beispiel ein echtes Profilfoto, das theoretisch jeder auf sein Handy laden kann.

Was ist noch los auf Facebook ?

Facebook scheint dabei nicht mehr das große Problem zu sein. Kaum jemand aus der 10e ist dort noch aktiv unterwegs. Eher passiv. "Ich informiere mich schon über Veranstaltungen, zum Beispiel wo sie stattfinden und wer hingeht", sagt die 15-jährige Anna. Und ihre Banknachbarin ergänzt: "Ich sehe mir an, was zum Beispiel mein Sportverein veröffentlicht. Das ist schon praktisch." In Facebook sind inzwischen so viele Ältere unterwegs, wirft ein Schüler ein. Eltern auf Facebook machen das Ganze für die junge Generation unattraktiv. Zustimmendes Nicken der Klasse.

Man schreibt über WhatsApp. Und fühlt sich dabei sicher? "Klar weiß man, dass WhatsApp mittlerweile auch zu Facebook gehört", sagt ein Schüler. Eine Antwort auf dieses Problem hat er aber auch nicht und zuckt mit den Schultern. Die Schüler erzählen: Als das rauskam, gab es Versuche, zu anderen Anbietern zu wechseln. Ohne Erfolg jedoch. Das Netzwerk von WhatsApp war damals schon zu dicht. Da nicht alle wechselten, schlug der Boykottversuch fehl.

Klassenchat auf WhatsApp

Bei WhatsApp hat die Klasse inzwischen einen Klassenchat. Welche Seite im Buch müssen wir nochmal lesen? Wie wär's am Wochenende mit Kino? Wer dort nicht Mitglied ist, der hat gelinde gesagt einen Nachteil. Oder nicht? "Ich bin weder bei Facebook noch bei WhatsApp", sagt der 16-jährige Christian. Es passiere vielleicht ein, zwei Mal pro Jahr, dass er etwas wirklich Wichtiges verpasst. Aber grundsätzlich unterhält er sich mit seinen Mitschülern lieber von Angesicht zu Angesicht und bekommt dabei auch die Informationen, die er braucht.

Christian ist mit dieser Einstellung allerdings der einzige in der Klasse. In Chatrooms schreibe man ohnehin nur belanglose Sachen, wirft eine Schülerin ein. Und die 15-jährige Anna erzählt nach der Diskussion, dass sie schon darauf achte, dass sie nicht ständig schreibt, wo sie jetzt gerade hingeht oder wo sie sich immer montags aufhält. Irgendwie fühlen sich die Schüler also schon beobachtet.

Facebook macht es einem aber auch schwer mit dem Datenschutz, ärgert sich ein Schüler. Kompliziert und langwierig sei es meistens, sich durch diesen Dschungel an Privateinstellungen bei dem sozialen Netzwerk zu kämpfen, gibt er zu. Und Lehrerin Ursula Weger betont nach der Diskussion auch genau diesen Punkt: Die Nutzungseinstellungen werden ständig geändert. Es sei unheimlich schwer für die Schüler, immer auf dem Laufenden zu bleiben.

Immer das Neueste wissen

Auf dem Laufenden bleiben will man aber auf jeden Fall - über das, was Freunde bewegt, was die anderen über dies und jenes denken und wer gerade mit wem. Kommunikationsbedürfnisse also, die jede Jugendgeneration hat. Datenschutz hin oder her. Deshalb lautet die Devise der Jugendlichen: Chancen nutzen, sich vor Risiken schützen. Mehr könne man eh nicht tun.

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Anna-Lena Mottinger(16) denkt viel über Datenschutz im Netz nach. Die Kommunikation auf Facebook und Co. ist ihr trotzdem so wichtig, dass sie sich keinesfalls abmelden würde. Die Prämisse jedoch: gewisse Regeln des Datenschutzes zu beachten. Bestimmte Fotos etwa würde sie einfach nie online stellen. Sie kann auch nicht verstehen, wenn jemand Bilder postet, auf denen er leicht bekleidet ist. Richtig Angst hat sie vor Datenmissbrauch aber auch nicht. Anna-Lena findet jedoch, dass viele Erwachsene bedenkenloser Dinge ins Netz stellen, die sie selbst niemals posten würde. Jugendliche hätten ein größeres Bewusstsein für das Thema als so einige Erwachsene.

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Anna Temporale(15) hat mit ihren Eltern zusammen ihr Profil bei Facebook eingerichtet. Sie selbst hat ihre Einstellungen dann sogar noch verschärft. Trotzdem traut sie der Sache nicht so recht. Sie hofft einfach nur, dass mit ihren Daten kein Missbrauch betrieben wird. Bei Facebook sei sie zwar eh nicht mehr viel unterwegs. Dennoch käme für sie ein Boykott der sozialen Netzwerke nicht in Frage. Zu wertvoll sind die Plattformen für sie, um sich über bestimmte Dinge wie etwa Veranstaltungen zu informieren.

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Christian Bärback(16) dagegen verwendet kein Facebook und kein WhatsApp. Der 16-Jährige hat sich bewusst dagegen entschieden. "Ich erhalte auch so meine Informationen, zum Beispiel per E-Mail, Telefon oder einfach in der Schule", sagt er. Christian kennt sich gut mit dem Computer aus. Das Risiko, dass seine Daten im Netz herumschwirren, ist ihm einfach zu groß. Man sei mit dieser Einstellung schon manchmal ein bisschen ab vom Schuss. Als Außenseiter fühlt er sich trotzdem nicht.

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Titus Hildebrand (17) ist sowohl bei WhatsApp als auch bei Facebook unterwegs. Er weiß zwar sehr gut, welche Macht große Konzerne wie Google oder Facebook haben. Für ihn sind soziale Netzwerke dennoch nicht mehr aus dem Alltagsleben wegzudenken. Obwohl er weiß, dass seine Daten verwendet werden könnten, würde er nicht auf diese Art der Kommunikation mit seinen Freunden verzichten wollen. "Das Einzige, was hilft, ist aufzupassen, was man schreibt und ins Netz stellt", sagt er. Mit seinen vollständigen Namen ist er zum Beispiel nicht angemeldet. Auch Einschränkungen auf Facebook sind für ihn selbstverständlich.

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Luis Bösnecker