Pemfling/Kreuth

Schuss auf Turmfalken: "Das ist eine Riesensauerei"


Der Turmfalke kurz vor seiner Überstellung nach Regenstauf. Ein Stück Wundverband hängt ihm aus der Brust

Der Turmfalke kurz vor seiner Überstellung nach Regenstauf. Ein Stück Wundverband hängt ihm aus der Brust

Von Manfred Fischer / Onlineredaktion

Abgeschnittene Luchsläufe, ein mit Schrotkugeln durchsiebter Uhu, ein Mäusebussard in einer Schlagfalle und jetzt also ein Turmfalke mit Luftgewehrkugel in der Brust: Natur- und Artenschutz sieht sicher anders aus.

"Das ist eine Riesensauerei", schimpft Markus Schmidbauer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Schmidbauer hat den angeschossenen Vogel nun auf dem Schreibtisch. Sprichwörtlich. Daneben die Röntgenbilder vom Tierarzt. "Gestern ist das Tier in Kreuth im Gemeindebereich Pemfling in einem Garten gefunden worden", sagt Schmidbauer. Der Anwohner hat zum Glück gleich richtig reagiert und den Jagdpächter informiert, "dessen Tochter sich gleich um den Vogel gekümmert hat und ihn zum Tierarzt gebracht hat".

Martina Löffelmann, die behandelnde Tierärztin, hat das verletzte Tier untersucht. Das Projektil eines Luftgewehrs steckt noch in seiner Brust. "Mitten im Brustmuskel, dem kräftigsten Muskel überhaupt", erklärt Schmidberger. Glück und Unglück zugleich. So lebt der Vogel noch, er kann aber nicht fliegen. "Den Muskel braucht er zum Rütteln", erklärt der Naturschützer. Das ist eine besondere Flugtechnik, die der Turmfalke bei der Beutesuche anwendet. Er behält beim Rüttelflug die Position über dem Boden unverändert.

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"Wahrscheinlich hat ihn der Schütze dabei getroffen oder, als er auf einem Dach saß", mutmaßt Schmidberger. Wirklich an eine böswillige Tat will er gar nicht glauben. "Ich vermute eine Riesendummheit hinter dem Anschlag", sagt er. "Vielleicht hat ihn der Schütze mit einem Sperber oder einem Habicht verwechselt." Die holen sich nämlich schon hin und wieder eine Taube oder ein Huhn und sind deshalb in der Nähe von menschlichen Siedlungen gar nicht gern gesehen. "Aber ein Turmfalke ..." Schmidberger kann es nicht fassen. "Der frisst nur Mäuse, Eidechsen oder Regenwürmer", fügt er hinzu. "Jeder Landwirt ist angesichts der aktuellen Mäuseplage froh, wenn er einen Turmfalken auf dem Feld sieht." Schmidberger schüttelt in Unverständnis den Kopf.

Zwar ist der Turmfalke gar keine seltene Tierart, wie der Luchs, trotzdem sind die Greifvögel ganzjährig geschützt. Die Polizei ermittelt derzeit unter Hochdruck. Der Vogel wird mit der Verletzung wohl nicht mehr weit gekommen sein, die Ermittlungen beschränken sich naturgemäß auf die Anlieger rund um den Fundort. Dabei hat sich der Schütze einer ganzen Palette von Straftaten schuldig gemacht. "Ein Verstoß nach dem Tierschutzgesetz und dem Waffengesetz", zählt der stellvertretende Polizeichef Franz Geschwendtner auf. Dafür blüht vor Gericht ein breites Strafmaß - von der Geldbuße bis zur Haftstrafe.

"Operation zu gefährlich"

"Ein großes Lob für die Beamten", will Schmidberger aussprechen. Auch wenn die Chance, den Täter ausfindig zu machen, sehr gering ist. "Ein Luftgewehr, das kann jeder haben." Auch aufgrund des Projektils glaubt Schmidberger noch am ehesten an einen sehr Dumme-Jungen-Streich. "Vielleicht wollte der Schütze nur mal austesten, wie gut er auf lebende Ziele trifft."

Dem Turmfalken kann das letztlich egal sein. Er hat jetzt die Schmerzen - und sein Leben ist in Gefahr. "Aktuell ist eine Operation zu gefährlich", gibt Schmidberger die Einschätzung der Tierärztin wieder. Sie will die nächsten Tage und Wochen abwarten. "Vielleicht umschließt der Muskel die Kugel und der Vogel kann mit ihr weiterleben", hofft Schmidberger. Das kennt man von Kriegsopfern zuhauf. Wenn nicht und sich die Wunde entzündet, droht dem Vogel doch noch die riskante Operation mit ungewissem Ausgang, "oder wir müssen ihn einschläfern lassen".

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Seine Chancen rechnet Schmidberger jedoch gut ein. "Er frisst", fügt der Naturschützer an. Ein gutes Zeichen. Es gibt Küken. "Da pickt er ein bisschen wählerisch dran rum." Maus mag er lieber. "Aber Maus ist aus", bedauert Schmidberger. Die nächste gibt's erst nachmittags. Der Turmfalke trägt bislang sein Schicksal mit Fassung. Die nächsten Wochen wird er in Regenstauf verbringen. Die Zeit wird zeigen, ob er überlebt.