Bayern

Grün statt Wohnen: Wo die Stadt nicht mehr bauen darf

Die Stadt hat das Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten" übernommen und darf deshalb keine Grünflächen mehr bebauen. Eine Prüfung der Verwaltung ergibt nun, dass davon sechs aktuelle Bauprojekte betroffen sind. Es geht um 4500 Wohnungen, die auf der Kippe


Auf diesen Ackerflächen soll der fünfte Bauabschnitt Messestadt Riem realisiert werden. Wegen des Grünflächenbegehrens geht das aber nicht mehr einfach so.

Auf diesen Ackerflächen soll der fünfte Bauabschnitt Messestadt Riem realisiert werden. Wegen des Grünflächenbegehrens geht das aber nicht mehr einfach so.

Von Christina Hertel

München - Es ist erst gut zwei Monate her, da hat der Stadtrat beschlossen, dass keine Grünflächen in München mehr bebaut werden sollen. Damals nahmen alle Fraktionen (außer der SPD, FDP und AfD) die Forderungen des Bürgerbegehrens Grünflächen erhalten an. Schon damals warnte die SPD, dass diese Entscheidung zu mehr Planungsaufwand und zu weniger Wohnraum in München führen werde.

Das Planungsreferat nennt nun sechs Bebauungspläne, die tatsächlich nicht mehr wie geplant realisiert werden können - wenn der Stadtrat keine Ausnahme macht. Es geht um 4500 Wohnungen, ein Altenheim und einen Trambetriebshof. In fünf von sechs Fällen schlägt das Baureferat vor, die Grünflächen wie geplant zu bebauen. Allerdings muss der Stadtrat am Mittwoch erst zustimmen.

Grün sind hier nur die Bäume: In der Bodenseestraße in Neuaubing nutzt ein Autohändler das als Grünfläche ausgewiesene Areal.

Grün sind hier nur die Bäume: In der Bodenseestraße in Neuaubing nutzt ein Autohändler das als Grünfläche ausgewiesene Areal.

Sechs Bauprojekte müssen umgeplant werden

Um diese Pläne geht es:

- Projekt "Wohnen an der Parkmeile Neuaubing": An der Bodenseestraße soll ein Quartier mit zirka 500 Wohneinheiten entstehen, viele davon sollen günstig sein. Außerdem sollen ein Haus für Kinder, eine Jugendfreizeitstätte und ein Park entstehen. Allerdings müsste dafür ein Grundstück bebaut werden, das im Flächennutzungsplan "Grünfläche" heißt, auf der aber nichts wächst und niemand spielen kann. Ein Gebrauchtwagenhändler nutzt sie als Abstellfläche. Hält der Stadtrat an seinem Beschluss fest, alle offiziellen Grünflächen zu erhalten, könnten 180 Wohnungen nicht gebaut werden und der Autohändler behielte seinen Parkplatz, stellt das Planungsreferat fest.

- Fünfter Bauabschnitt Messestadt Riem: Hier soll ein Stadtquartier mit zirka 2500 Wohneinheiten entstehen. Die Flächen gehören zu einem Viertel der Stadt. Auch Kindertageseinrichtungen, eine Grundschule und ein Nachbarschaftstreff sind geplant - Grünflächen sind ebenfalls vorgesehen. Allerdings nicht da, wo sie heute im Flächennutzungsplan eingezeichnet sind. Bei diesen handle es sich um landwirtschaftlich genutzte oder Brachflächen, heißt es in der Beschlussvorlage. Pläne für 2500 Wohnungen müsste die Stadt wohl einstampfen, wenn sie den Beschluss des Stadtrats zum Grünflächen-Erhalt tatsächlich vollzieht.

- Heltauer Straße: 1500 Wohnungen sind geplant sowie eine Parkmeile entlang der Bahntrasse zwischen Leuchtenbergring und Riemer Park. Ein Bach soll an die Oberfläche geholt werden. Außerdem soll der Truderinger Bahnhofsplatz hergerichtet und neue Park&Ride-Parkplätze geschaffen werden. Allerdings: Von rund 16 Hektar Fläche sind rund elf Hektar als Grünfläche deklariert. Dieses Projekt steht also auf der Kippe.

- Friedrichshafener Straße: An der S-Bahnstation Westkreuz liegt ein unbebautes Grundstück, das der Stadt gehört. Hier könnten etwa 70 Wohnungen und ein Alten- und Service-Zentrum entstehen. Fast das gesamte Grundstück ist offiziell eine Grünfläche.

- Stephensonplatz: Nördlich des S-Bahnhalts Perlach soll eine gewerblich betriebene Seniorenpflegeeinrichtung mit bis zu 355 Betten entstehen. Allerdings würde hier eine Grünfläche bebaut - zumindest heißt die Fläche so. Laut Planungsreferat liegt die Fläche brach und ist teilweise gar nicht zugänglich.

- Trambetriebshof Fröttmaning: An der Maria-Goeppert-Mayer-Straße soll ein Betriebshof für Tram-Bahnen und Busse entstehen. Die Stadt prüft auch, wie sie dort Flächen für Kultur, Sport oder Freizeit schaffen könnte. Bleibt die Stadt bei ihrem Grünflächen-Beschluss, hätte sie ein Problem. Denn laut Planungsreferat ist es die einzige Fläche in der ganzen Stadt, die für den Betriebshof in Frage kommt. Allerdings ist etwas weniger als die Hälfte als Grünfläche gekennzeichnet. Das Absurde in diesem Fall: Schon heute ist das Grundstück zum Teil bebaut - und zwar mit dem Showpalast.

Das Planungsreferat schlägt vor, trotzdem weiterzuplanen

In allen Fällen schlägt das Planungsreferat vor, dass die Pläne fortgesetzt werden sollen. Nur an der Heltauer Straße soll im Hinblick auf das Bürgerbegehren noch einmal intensiver geprüft werden. Hier ist die Planung am wenigsten weit fortgeschritten. Der Stadtrat muss diesem Vorschlag am Mittwoch allerdings noch zustimmen. Spannend ist vor allem, wie sich Grüne und CSU verhalten. Mit ihrer Mehrheit hat der Stadtrat das Bürgerbegehren schließlich übernommen.

Für SPD-Stadtrat Christian Köning zeigt sich nun, dass genau das passiert, wovor er gewarnt hatte: "Bauen wird komplizierter." Dabei würde es doch schon heute lange dauern, bis aus einem Entwurf auf dem Papier einmal tatsächlich Wohnraum wird. Für ihn machen all diese Fälle deutlich, dass das Bürgerbegehren sein Ziel verfehlte. Denn in allen sechs Flächen habe es sich eben nicht um Parks gehandelt, die die Stadt zubauen wollte - sondern Brachflächen oder Felder, die zufällig einen anderen Namen tragen.