Bayern

Bund Naturschutz München: "Der Isar geht's leider mäßig"

Christian Hierneis, Vorsitzender des Bund Naturschutz München und Umwelt-Sprecher der Grünen im Landtag verlangt in der AZ, dass Mikroplastik aus dem Münchner Abwasser herausgefiltert wirdund Querbauwerke an Isar und Würm zurückgebaut werden.


Das Oberföhringer Wehr steht seit 1924. Seit 2012 gibt es daneben eine Fischtreppe. Hierneis fordert, dass das Wehr zurückgebaut wird - damit es die Isar nicht komplett abriegelt.

Das Oberföhringer Wehr steht seit 1924. Seit 2012 gibt es daneben eine Fischtreppe. Hierneis fordert, dass das Wehr zurückgebaut wird - damit es die Isar nicht komplett abriegelt.

Von Eva von Steinburg

München - Biedersteiner Kanal, Hachinger Bach, Olympiasee und Lochhauser Fischbach - München hat noch mehr Gewässer als die Isar, die Würm und seine Stadtbäche. Die sind zwar hygienisch sauber, was Keime betrifft. Die "ökologische Qualität" der Münchner Flussläufe und Seen wie Eisbach und Würm gilt aber nur als "mäßig". Die Grünen im Bayerischen Landtag fordern jetzt in dem aktuellen Papier deutliche Verbesserungen für die Flüsse und Seen in der Stadt und in Bayern (AZ berichtete)i.

"Sofort umsteuern!", fordert Christian Hierneis (60), umweltpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen und Vorsitzender des Bund Naturschutz München. Denn einige Knackpunkte für die schlechte ökologische Beurteilung sind: der Gehalt an Mikroplastik, gemauerte Ufer, viele Wasserbauwerke. Das Oberföhringer Wehr ist zum Beispiel für Fische, die in der Laichzeit weite Strecken wandern, schwer durchgängig.
Christian Hierneis verlangt: "Baut jetzt die Wehre zurück, zumindest um 50 oder 25 Prozent, damit sie den Fluss nicht komplett abriegeln." Ein Gespräch darüber, welche Öko-Noten Bäche in München erreichen und warum Schafwollpullis Gewässer schützen.

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Chistian Hierneis

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Fischtreppen wie diese werden nicht von allen Fischen gefunden.

AZ-Interview mit Chistian Hierneis Der Grünen-Landtagsabgeordnete ist Chef des Bund Naturschutz München.

AZ: Herr Hierneis, als oberster Münchner Naturschützer sind Sie bei Wind und Wetter draußen, auch am Berg. Man sieht Sie jedoch nie im Fleecepulli. Der wärmt doch so schön?

CHRISTIAN HIERNEIS: Ich trage Schafwollpullis und Janker aus Schafwolle. Die sind aus reinem Naturmaterial. Aber die meisten naturverbunden Menschen tragen heute auch Fleece, obwohl das ein problematischer Stoff ist. Die Fasern von Fleece-Outdoor-Kleidung waschen sich in der Waschmaschine aus. Mikroplastik gelangt so ins Abwasser.

Ist Ihnen das Material Fleece unheimlich?

Von Anfang an, Fleece ist Polyester, also Plastik. Wir müssen Mikroplastik aus unseren Industrieprodukten verbannen, damit es nicht weiter in unsere Gewässer gelangt. Als erstes soll es heraus aus Kosmetikprodukten, wo Mikroplastik bewusst eingesetzt wird.

Bis 2015 sollten alle Gewässer in München und in Bayern in einen ökologisch und chemisch guten Zustand gebracht werden. Wie ist der aktuelle Stand?

Dieses Ziel wurde nicht annähernd erreicht. Andere Ziele, die den Schutz der natürlichen Flora und Fauna betreffen, auch nicht. Deshalb fordere ich die Landesregierung auf: Sofort umsteuern beim Wasserschutz!

Noten von 1 bis 5 vergibt die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Wie geht es den Münchner Gewässern?

Leider "mäßig". Die Isar hat auf Stadtgebiet Note 3, also mäßig. Der Zustand der Würm von Gauting bis zur Amper ist nur "mäßig" - auch weil durch Kanäle zu viel Wasser abgezwackt wird. Und in begradigten Kanälen leben ja deutlich weniger Tiere. Der Schwabinger Bach im Englischen Garten wird auch mit "mäßig" beurteilt. Hier müssten die wasserbaulichen Anlagen weg. Der Bach sollte vernetzt werden mit Seitengewässern. Das neue Ziel ist, dass bis 2027 ein guter ökologischer Zustand erreicht ist. Das ist aber nicht in Sicht.

Am Cornelius-Wehr am Deutschen Museum und am Oberföhringer Wehr an der Isar am Englischen Garten gibt es doch Fischtreppen, damit Fische in der Laichzeit wandern können.

Diese Fischtreppen helfen, doch sie erreichen nicht 100 Prozent der Fische. Ein Teil der Fische findet sie nicht. Leider gibt es keine Statistik, wie viele Tiere durchkommen. Wo Flussbett und Ufer gemauert sind, gibt es Wasserfälle und Stürze. Das sind ebenfalls Barrieren für Isar-Fischarten wie den Huchen. Der Bestand an Isarfischen geht deutlich zurück.

Was wünschen Sie sich für die Münchner Gewässer?

Eine Renaturierung der Ufer. Und der Eintrag von Schadstoff und Mikroplastik über unser Abwasser muss minimiert werden. Dazu fordern wir Grünen im Landtag und der Bund Naturschutz die Ertüchtigung des Klärwerks Großlappen auf Münchner Stadtgebiet.

Was soll genau modernisiert werden?

Zeitgemäße Klärwerke haben die Reinigungsstufe 4, die Mikroplastik herausfiltern und sogar Antibiotika und Hormone wie Östrogen unschädlich machen. Hormone gelangen zum Beispiel über die Antibabypille in das Abwasser von Haushalten und schädigen die Tierwelt. In Baden-Württemberg funktionieren bereits 20 bis 25 Klärwerke mit dieser hervorragenden Reinigungstechnik Stufe 4.

Die Millionenstadt München hat diese moderne Reinigungstechnik noch nicht?

Nein. In Bayern wird im Klärwerk Weißenburg als Pilot die vierte Reinigungsstufe getestet. Diese für München und alle größeren Städte einzuführen, wäre für mich der richtige Schritt. Der Staat hat eine Fürsorgepflicht für die Bürger. Es gibt in Bayern noch keine rechtliche Verpflichtung für die Modernisierung der Anlagen. Aber 13 wichtige Kläranlagen können Fördermittel für eine freiwillige Nachrüstung jetzt beantragen. Das ist neu.

Pestizide und Chemikalien werden inzwischen im Grundwasser nachgewiesen. Den Landtags-Grünen geht es ebenfalls um Grundwasserschutz. Was schlagen Sie vor?

Im Moment geht unser bayerisches Grundwasser unwiederbringlich verloren. Wir holen das Wasser aus dem Mangfalltal, nutzen es in München und pumpen das gereinigte Abwasser über die Isar ins Schwarze Meer. Dann ist es aber weg! Viel besser wäre ein Kreislauf.

Wie kann der funktionieren?

Das mit einer vierten Stufe gereinigte Abwasser wird vor Ort gelassen. Von München wird es mit Rohren dorthin geleitet, wo der Grundwasserspiegel sinkt. An geeigneter Stelle sollte es auf einer großen Fläche wieder in den Boden versickert werden, damit der Grundwasserspiegel hoch bleibt. Ich plädiere für diese neue Methode, um einem Grundwassermangel vorzubeugen.

Sie sagen: "Prävention ist immer billiger als Schäden zu beheben". Was sollte passieren?

Im Bereich nachhaltige Wasserwirtschaft sind massive Investitionen nötig. Um die zu finanzieren, ist ein Entgelt für die Wasserentnahme nötig, der Wassercent. Das wären zwei bis fünf Euro im Jahr pro Haushalt. So wäre eine Verdoppelung der Einnahmen möglich.

Auch wenn das utopisch ist, einfach aus Neugierde: Wie sieht eigentlich ein Bach aus, der die Note 1 erhält?

In einem Wasser mit sehr guter ökologischer Qualität siedeln sich Muscheln und Flusskrebse an. In meiner Jugend war ich mit meinem Großvater an der Loisach an einer schönen Stelle angeln. Selbst damals waren aber viele Flussufer schon begradigt.


HORIZIONTALE LINIE

Das Wasserkonzept der Landtags-Grünen ist nachzulesen unter: www.christian-hierneis.de. Kontakt zum Bund Naturschutz, Arbeitskreis "Isar":
info@bn-muenchen.de