Bayern

"Die heißeste Straße Münchens"

Frank Mansory, Chef der Trattoria Mia, ist ein Gastwirt und Geschäftsmann,der seit 2008 in der Schwanthalerstraße aktiv ist. Er glaubt, dass sich das Viertel bald stark verändern wird - dafür sorgt er auch selbst.


Frank Mansory, Chef der Trattoria Mia und des Sojo auf der Schwanthalerstraße. Hinter ihm: die Schwanthalerhöhe.

Frank Mansory, Chef der Trattoria Mia und des Sojo auf der Schwanthalerstraße. Hinter ihm: die Schwanthalerhöhe.

Von Hüseyin Ince

München ist die Stadt der Dutzenden Kulturen. Doch Frank Mansory - ein christlicher Aramäer - sticht mit seiner Herkunft trotzdem hervor. Während der 90er kam er aus dem Irak zunächst nach Leipzig und später nach München. Hier arbeitete er sich mit viel Fleiß hoch und investiert gerade hohe Summen in die Schwanthalerstraße, wo sehr viel gebuddelt und gebaut wird. Ein Gespräch über das südliche Bahnhofsviertel, Hitze im Sommer - und auch über Ex-Bayern-Spieler Franck Ribéry.

AZ: Herr Mansory, Sie waren 2011, vor etwa zwölf Jahren also, schon einmal in der Abendzeitung.

FRANK MANSORY: Ich erinnere mich. Bis vor Kurzem hieß die Trattoria Mia noch "Café Millennium", auch damals.

Ein bisserl New York: die Schwanthalerstraße abends.

Ein bisserl New York: die Schwanthalerstraße abends.

Ein Lokal, wo einige FC-Bayern-Spieler ein- und ausgingen.

Ja, Franck Ribéry war einer von ihnen. Ihm habe ich viel zu verdanken. Er wirkte wie ein Magnet. Dank ihm habe ich viele tolle Stammkunden bekommen.

Sie waren damals vor Gericht, damit sie weiterhin Shisha-Pfeifen servieren durften, trotz Rauchverbot.

Weil in der Rauchware, die ich verwendet habe, kein Tabak war, sondern hauptsächlich getrocknete Früchte und tabakfreie Kräuter.

Sie bekamen recht.

Für mich war das wirklich sehr wichtig, ich habe gebetet, dass es das Gericht auch so sieht.

Sind Sie also gläubig?

Ich gehe regelmäßig in die Kirche. Und wissen Sie, egal ob Kirche oder Moschee, man sollte viel öfter hingehen. Solche Orte bringen einen zur Ruhe. In der Kirche kann ich endlich mal durchatmen.

Warum musste es damals unbedingt eine Shisha-Bar sein?

Ein Shisha-Lokal war das einzige, was damals hier gegenüber vom Deutschen Theater funktionierte. Ich hatte im Millennium erst mit zwei indischen Gastro-Kollegen und später alleine viel ausprobiert, was gastronomisch zur Gegend passen könnte, hatte 2008 mit dem Café auch einige Schulden übernommen. Es ging für mich als Unternehmer ums Überleben.

Und Sie haben es geschafft.

Die Schulden konnte ich abbezahlen. Sie waren damals wie eine schwarze Wolke über mir. Einige Jahre davor dachte ich sogar daran, wieder zu meiner Familie im Irak zurückzukehren, nachdem ein Restaurantprojekt im Glockenbachviertel gescheitert war. Als ich damals meine Eltern besuchte, sagte aber mein Vater: Frank, was willst du hier, bau dir eine Zukunft in Deutschland auf!

Seit kurzem ist das Mia eine Trattoria, ein Lokal mit italienischer Küche also. Sie haben christlich-irakische Wurzeln. Warum ausgerechnet italienisch?

Als ich Anfang der 90er nach Leipzig kam, habe ich das Restaurant-Fach gelernt, von Grund auf. Und zwar bei den besten italienischen Lokalen der Stadt, hauptsächlich im Don Camillo Peppone. Eine tolle Zeit. Die ganze Stadt vibrierte, Aufbruchstimmung überall. Italienisches Essen boomte. Da kenne ich mich also gut aus. Und dazu hatte ich noch einen Job als Bauarbeiter beim Trockenbau. Später bin ich im Barfußgässchen in ein spanisches Lokal gewechselt. Tapamundo.

Klingt, als ob sie Leipzig vermissen.

Manchmal. Das Barfußgässchen ist ein besonderer Ort. Mit vielen Bars, Kneipen und Restaurants. Bis heute.

Sie sind Anfang der 90er nach Deutschland ausgewandert. Was war passiert?

Die politische Situation war schwierig. Ich hatte dort als junger Mann, als christlicher Aramäer, keine Zukunft. Es gab islamistische Strömungen. Meine Eltern haben damals ein Restaurant geschlossen, weil sie dort alkoholische Getränke verkauft haben und deshalb bedroht wurden.

Verstehe, Gastronomie ist also kein fremdes Geschäft für Sie.

Ich bin als Kind im Restaurant meiner Eltern groß geworden, habe später oft mitgeholfen. Wir hatten auch ein Hotel. Ich kenne das Geschäft schon sehr lange, ja.

In der Schwanthalerstraße haben Sie inzwischen nicht nur ein Lokal.

Momentan betreibe ich neben dem Mia das Restaurant Sojo im Deutschen Theater, dann noch die Tijuana-Bar in der Leopoldstraße und auch in Tutzing am Starnberger See habe ich ein Restaurant, die Taverna Santorini mit dem dazugehörigen Hotel am See.

Und Sie haben in der Schwanthaler investiert. Die Nummer 23 bekamen Sie in Erbpacht und die Nummer 25 haben Sie gekauft. Was wird daraus?

Gemeinsam mit einem Projektentwickler planen wir dort eine Mischung aus Boarding House und Hotel. Der Pächter steht schon fest, eine US-amerikanische Hotelkette. Der Kreditzins hat sich vervierfacht. Ganz alleine hätte ich das nicht gestemmt, ich wäre wahrscheinlich an der Finanzierung gescheitert.

Wann soll es gebaut werden?

Wenn alles glatt läuft, könnte es im Laufe des Jahres 2026 fertig sein.

Darf ich wissen, wie viel Geld Sie dort investiert haben?

Wer sich im Bahnhofsviertel auskennt, kann es sich denken.

Warum wird daraus kein Restaurant oder Lokal?

Seit Corona und seit dem Ukraine-Krieg ist das Gastro-Geschäft deutlich schwieriger. Die Leute machen mehr Homeoffice, daher fällt der Mittagstisch inzwischen aus. Der Wareneinsatz hat sich verdoppelt, die Energiekosten haben sich vervierfacht. Dann die Personalkosten: Köche wollen gut bezahlt werden, können sich vor Arbeit kaum retten. Personal ist grundsätzlich ein Problem.

Dazu die Mieten...

München ist einfach teuer. Einmal fehlte im Mia der Pizzabäcker an drei Wochenenden. Da habe ich mich selbst an den Ofen gestellt und Pizza gebacken. In einer Zeit wie jetzt wäre es abenteuerlich, ein neues Lokal zur eröffnen. Ganz zu schweigen von der ständigen, recht müßigen Bürokratie. Die ist in Deutschland schon besonders ausgeprägt.

Im Viertel wird trotz allem vorsichtig experimentiert. Inzwischen gibt es ja dieses bayerisch-arabische Lokal "Servus Habibi", ganz in der Nähe.

Ja, ein sehr gutes Restaurant, tolles Publikum dort. Einen der Betreiber kenne ich recht gut.

Was gefällt Ihnen an der Schwanthalerstraße?

Es ist eine bunt gemischte Gegend. Das ist für die Gäste sehr attraktiv. Aber manchmal ist es auch zu bunt. Oft würde ich mir weniger Drogenszene und weniger Bettlergruppen wünschen. Aber ich glaube, das wird sich extrem ändern.

Warum?

Sie kennen doch die Mega-Baustelle. Gleich in der Nähe entsteht der modernste Bahnhof Europas, ein Milliardenprojekt. Ich bin überzeugt, dass sich das ganze Viertel sehr stark verändern wird, sobald der Bau abgeschlossen ist. Die Schwanthalerstraße wird dann heiß begehrt sein.

Was genau ändert sich dann?

Es wird nicht mehr alle 50 Meter ein Wettbüro oder einen Sexshop geben wie auf der Hamburger Reeperbahn, dafür mehr Apotheken, Architekturbüros, vielleicht auch Schulgebäude. Ein gut gemischtes Viertel mit deutschen, türkischen und arabischen Milieus.

Was gefällt Ihnen an der Straße sonst nicht?

Ich bin nicht gegen Autos, fahre selbst gern. Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie die Leute hier rasen. Am liebsten hätte ich hier ab sofort eine Tempo-30-Zone. Manche fahren gefühlt mit Tempo Hundert vorbei, vor allem nachts. Das sind häufig PS-starke Autos. Lamborghini, Mercedes, Ferrari. Fühlt sich an wie Formel 1. Es herrscht immer das Risiko, überfahren zu werden. Man bräuchte hier dringend einen Blitzer.

Und das erzeugt viel Unruhe?

Vor allem erzeugt es Gefahr. Viele meiner Restaurantkunden kommen vom Deutschen Theater herüber, vor und nach Vorstellungen. Auch ich bin oft drüben. Es gibt ja keinen einzigen Zebrastreifen. Da muss man sich konzentrieren. Manchmal denke ich mir, es ist nur eine Frage der Zeit, bis mal etwas Schlimmeres passiert.

Auch ziemlich wenig Grün hier.

Wenig? Gar keins. Nur Beton.

Wünschen Sie sich mehr?

Selbstverständlich! Diese Betonwüste hier heizt sich im Sommer auf wie die Sahara am Tag. Die Schwanthaler ist die heißeste Straße Münchens! Ich kenne ja die Hitze aus dem Nahen Osten. An manchen Sommertagen denke ich mir, hier ist es deutlich heißer als im Irak. Man bräuchte dringend den Schatten von Bäumen, Büschen und Pflanzen.

Ein bisschen mehr Barfußgässchen also, wie in Leipzig?

Wunderbar, ja! Ich wäre der Erste, der unterschreibt, wenn es um Pläne ginge, den Autoverkehr zu reduzieren. Oder auch eine Fußgängerzone aus der Schwanthalerstraße zu machen. Warum nicht? Ich würde dann sofort ein oder zwei weitere Lokale eröffnen, für Lebenskultur sorgen.

Um neues Publikum zu erreichen?

Es würden viel mehr Münchner und Touristen herkommen. Es ist absurd. Wir sind mitten im Zentrum, aber man sieht auf der Straße kaum Touristen. Die gehen in andere Viertel. Aber momentan scheitert es schon an einem vernünftigen Fahrradweg auf der Schwanthaler.

Was könnte die Hitze in Zeiten des Klimawandels noch reduzieren, außer viel Grün?

Irgendwer hatte mal die Idee, Planen oder Segel über die Straße zu spannen, oben über die Häuser, wie in Südeuropa. Auch das ist eine gute Idee, die sehr viel Schatten spenden würde. Irgendwas muss passieren. Im ersten Stock, hier im Mia, haben wir inzwischen an heißen Sommertagen trotz Klimaanlage Probleme, eine erträgliche Temperatur sicherzustellen. An der Fensterfront lässt sich da kaum sitzen.

Sie lieben die Schwanthalerstraße schon oder?

Natürlich, sie kann schön sein, wirkt sehr großstädtisch. Wenn man von der Schwanthalerhöhe herunterblickt, erinnert die Straßenschlucht ein wenig an New York. Ich bin jetzt 15 Jahre hier an der Hausnummer 12, habe geschäftliche und private Wurzeln geschlagen. Das ist schon ein besonderer Ort. Aber es gibt Tage, die keiner braucht, wie eben im Sommer. Ich hoffe und glaube, dass sich die Schwanthaler zu einem grünen Boulevard entwickelt - und zu einer Attraktion für Münchner und Touristen.