Welpen im Wohnzimmer
Landshuterin kämpft sich für einen Labrador zurück ins Leben

Simon Weiterschan
Alex und Daniela von Krempelhuber mit den Zwillingen Elisabeth und Katharina und Sohn Sebastian. Auch im Bild: die Hündinnen Queenie, Dixi und Blue.
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Im Video erzählt Simon Weiterschan aus der Redaktion Landshut wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.
Der 1. Juni 2014 hat sich eingebrannt bei Alexander von Krempelhuber. Und vor allem bei seiner Frau Daniela. Es war einen Tag, bevor die schokobraune Labradordame Umber in ihr Leben trat. Daniela sitzt zu diesem Zeitpunkt im Rollstuhl - Diagnose Multiple Sklerose. Der Hund als neues Familienmitglied spornt sie an: Sie will für Umber da sein, sie fordern. "Am 1. Juni packte sie den Rollstuhl ins Gartenhaus und sagte ,Jetzt geh ich nur noch mit Krücken!'", erzählt Alexander von Krempelhuber. Es ist ein Neuanfang. Daniela gibt ihren Job im Finanzamt auf und wird Hundetrainerin. Heute lebt sie "fast ohne Einschränkungen", wie sie sagt - auch die Krücken sind Geschichte. Mittlerweile betreibt sie mit ihrem Mann die "Mountain Waters"-Labradorzucht.
Wer zum ersten Mal zu den von Krempelhubers fährt, mag verwundert sein: Es handelt sich um ein ganz normales Wohnhaus mit Garten in einer Siedlung im Landshuter Westen. Kein Gehege oder gar ein Zwinger deuten darauf hin, dass hier eine Hundezucht wäre. Ein Eindruck, der sich ändert, wenn man die Wohnung betritt: Um einen herum wuselt es; die Hündinnen Blue, Lady, Dixi, Daisy, Queeny, Jilly und Umber begrüßen freudig jeden Besucher. Manchmal ist sogar noch mehr los: Dann nämlich, wenn die neugeborenen Hundewelpen langsam mobil werden und ihre Umwelt erstmals erkunden. So weit ist es beim Besuch unserer Redaktion noch nicht. Der jüngste Wurf - neun schwarze, gesunde Labradorwelpen - liegen aneinandergekuschelt in der Wurfbox im Wohnzimmer. Gerade öffnen sich die Augen, doch laufen können die Kleinen mit den süßen, noch etwas zerknautscht aussehenden Gesichtern noch nicht. Mama Dixi kümmert sich um sie, immer unter dem wachenden Blick der erfahrenen Hundeoma Umber, mit der 2016 die Zucht der "Mountain Waters"-Labradore begann.
Das Wohnzimmer als Kinderstube
"Dixi ist in diesem Frühjahr zu uns gekommen", sagt Alexander von Krempelhuber. Eine Bekannte habe sie angerufen. "Sie ist Züchterin in der Ukraine, östlich von Charkiw." Eine russische Rakete habe ihr Haus getroffen. Sie und ihre Hunde konnten gerettet werden. Für Dixi und und ihre Schwester Daisy begann kurz darauf die Reise nach Niederbayern.
Dass all ihre Hunde mit ihnen im Haus leben, ist für Alexander und Daniela von Krempelhuber selbstverständlich, sagen sie. "Labradore sind sehr menschenbezogen. Und vor allem die Kleinen sollen behütet aufwachsen." Da wird dann schon mal das Wohnzimmer umgebaut und ein Teil der Couch eingelagert, damit die Wurfbox, eine Art Laufstall, Platz hat.
Die Kinder, die siebenjährigen Zwillinge Elisabeth und Katharina, und der kleine Sebastian, wachsen mit den Tieren auf. Eine Win-Win-Situation, sagt Alexander von Krempelhuber: "Die Mädels helfen schon bei der Geburt bei den Welpen mit, oder wiegen die Welpen." So haben die Kinder von Beginn an einen Bezug zu den Tieren; die Welpen wachsen dafür im auch mal turbulenten Alltag einer Familie mit Kindern auf. Das ist den von Krempelhubers nämlich wichtig: dass die Hunde an Alltagssituationen gewöhnt sind. Dazu gehören neben Kindern auch laute Haushaltsgeräte, Rasenmäher, oder der Besuch von Postbote, Kaminkehrer oder den Männern von der Müllabfuhr. Ziel sei es, ruhige Familienhunde zu erziehen. Dafür hat Assistenzhundetrainerin Daniela von Krempelhuber eine Checkliste mit zig Szenarien, vom Motorrad über Zugfahrten und Kindergartenbesuche bis zur Polizeisirene. "Wir übernehmen natürlich nicht die ganze Erziehung des Hundes", sagt Daniela von Krempelhuber. "Aber wir legen damit den Grundstein für die Erziehung durch die künftigen Hundebesitzer." Die ebenfalls sehr sorgfältig ausgesucht werden.
Der Hund, nicht der Profit steht im Vordergrund
Dabei sei nicht der soziale Status entscheidend, sagt Alexander von Krempelhuber. Wichtig sei, dass sie sicher sein können, dass "ihre" Hunde in Zukunft ein gutes Zuhause haben. "Dass sich gut um sie gekümmert wird und nicht etwa nur alleine sind."
Da bekommt eine alleinerziehende Mutter mit einer Stadtwohnung einen Hund, weil sie ihm ein fürsorgliches Zuhause bieten kann, ein hochklassiger Fußballspieler jedoch eine Absage. Von Krempelhuber war besorgt, dass in der schnelllebigen Fußballwelt mit häufigen Wohnortwechseln der Hund kein ruhiges Umfeld hätte. Dieses Kennenlernen findet zuerst in Telefonaten, später persönlich und auch mittels Fragebogen statt.
"Die künftigen Herrchen und Frauchen besuchen uns dann auch. Sie können in den acht bis zehn Wochen, bis wir die Hunde abgeben, so viel Zeit wie sie wollen mit ihrem Hund bei uns verbringen", sagt Alex von Krempelhuber. Das soll die Bindung von Mensch und Tier stärken. Eine Bindung, die auch bei den von Krempelhubers stark ist: "Wenn die Welpen alle aus dem Haus sind und wir das Gehege wieder abbauen, sind wir schon traurig. Da weinen wir auch mal."
Freundschaften sind entstanden
Auch Freundschaften sind durch die kleinen Labradore schon entstanden. Im Garten spielen die neuen Hundebesitzer mit ihren Welpen, anschließend sitzt man beim gemeinsamen Essen zusammen. Viele sind noch immer in Kontakt, helfen sich gegenseitig bei Fragen zu ihren vierbeinigen Familienmitgliedern. Dabei sei eines zu beachten, sagt Alexander von Krempelhuber: "Wir sagen immer: Ein Hund ist wie ein Kind im Zeitraffer. Ihr seht ihn groß werden, aber seid euch bewusst, dass ihr ihn wahrscheinlich auch irgendwann zu Grabe tragen müsst." Man trage Verantwortung für das Tier. Auch die von Krempelhubers selbst, vom Welpen über die Zuchthündinnen bis zur zehnjährigen Umber. Das stehe für sie im Vordergrund - nicht der große Profit mit der Zucht. "Wir verdienen damit nicht unseren Lebensunterhalt", sagt Alexander von Krempelhuber, der hauptberuflich als Steuerberater arbeitet. "Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre sicher mehr drin." Doch bei ihnen, sagen sie, stehen die Tiere und ihr Wohlergehen im Vordergrund. Legal wäre der erste Deckakt, wenn die Hündinnen 18 Monate alt sind. Zu früh, finden die von Krempelhubers. Beim ersten Wurf sind sie dann etwa vier Jahre alt. Außerdem geht die Hündin nach drei Würfen "in Rente". Eigene Deckrüden haben die von Krempelhubers nicht; sie leben bei anderen Züchtern. Dort können sich die Hunde in Ruhe kennenlernen, die Zucht läuft ohne Zwang und für die Tiere so naturgerecht wie möglich. "Andere Züchter schicken ihre Tiere bis nach Norddeutschland, Tschechien oder Polen. Oder sie geben ihnen Hormone, damit sie mehr Welpen bekommen", sagt Alexander von Krempelhuber. "Das kommt für uns nicht infrage." Die Hunde sind medizinisch komplett durchgecheckt - auch der Stammbaum wird so weit wie möglich nachvollzogen, um Inzucht auszuschließen.
Dixis Wurf mit neun Welpen war der bislang größte von "Mountain Waters". Durchschnitt sind fünf bis sechs Welpen. Vergeben sind sie bereits vor ihrer Geburt - die Nachfrage sei höher als das Angebot. Dabei sind auch zahlreiche Anfragen für Therapie- oder Assistenzhunde für Menschen mit unterschiedlichen Erkrankungen. Auch dafür können die Labradore ausgebildet werden. Etwa zum MS-Assistenzhund wie Hündin Blue, die die von Krempelhubers gleich bei ihrer Geburt ins Herz geschlossen haben und seitdem zur Familie gehört.