„Der Schock sitzt tief“

Uschi Glas deckt NS-Vergangenheit ihres Vaters auf

Uschi Glas hat ein bislang unbekanntes Kapitel ihrer Familiengeschichte entdeckt.

Uschi Glas hat ein bislang unbekanntes Kapitel ihrer Familiengeschichte entdeckt.

Von dpa

Die Schauspielerin Uschi Glas (81) macht in ihrem aus Gesprächen mit der Holocaust-Überlebenden Charlotte Knobloch entstandenen neuen Buch eine schmerzliche Entdeckung öffentlich. Ein von ihr beauftragter Forscher habe ermittelt, dass ihr Vater Christian Glas im Alter von 18 Jahren im Dezember 1931 der NSDAP beitrat, berichtet die Schauspielerin, die sich seit langem gegen Antisemitismus engagiert und nach eigenen Angaben deshalb schon Morddrohungen bekam.

Am 15. August 1944 wechselte der Vater den Recherchen zufolge als Funker zur Waffen-SS - in dieser späten Phase des Krieges womöglich nicht freiwillig, sondern unter Zwang. Vom 11. September an sei er der 21. SS-Gebirgsdivision „Skanderbeg“ zugeteilt gewesen, die auf dem Balkan operierte.

«Ich schätze sehr, dass sie das offengelegt hat», sagt Knobloch über den Schritt von Uschi Glas bezüglich des Vaters.

«Ich schätze sehr, dass sie das offengelegt hat», sagt Knobloch über den Schritt von Uschi Glas bezüglich des Vaters.

Auch wenn dokumentierte Verbrechen der Einheit überwiegend vor seiner Versetzung datieren, auch wenn es keine Belege für seine persönliche Beteiligung gibt, auch wenn seine Rolle in den Akten als technische Funktion ohne Fronteinsatz erscheint: Für die Tochter ist es eine schwerwiegende Nachricht. „Der Schock sitzt tief“, schreibt sie. Und ergänzt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: „Es ist trotzdem wichtig, dass ich das nicht verstecke - sondern es ist klar, dass ich dazu stehen muss.“

Sie folgt damit dem Titel ihres Buches: „Du bist unwiderstehlich, Wahrheit“ - ein Zitat der jüdischen Lyrikerin Rose Ausländer. Es erscheint am Mittwoch (12. November).

Glas und Knobloch diskutieren darin über den 7. Oktober 2023 - den Tag des Massakers der Hamas und anderer Terroristen in Israel -, über Antisemitismus von rechts, links und islamistischer Seite, über Grenzen der Meinungsfreiheit - etwa bei der Forderung „From the river to the sea“ - wie auch über die Verantwortung von Politik, Justiz und Zivilgesellschaft. Zugleich verbinden sich die Familiengeschichte von Glas und Knoblochs Erinnerungen an Flucht und Neuanfang in Deutschland zu einem Nachdenken über Schuld, Verantwortung und Aufrichtigkeit.

„Ich schätze sehr, dass sie das offengelegt hat“, sagt Knobloch über den Schritt von Uschi Glas bezüglich des Vaters. „Sie wollte die Vergangenheit ihrer Familie kennen. Die kennt sie jetzt - und geht damit sehr souverän um.“

Glas sagt, das Schlimmste für sie - schlimmer als die mögliche Verstrickung des Vaters - sei sein Schweigen gewesen. Wenn sie ihn nach seinen Erlebnissen in der NS-Zeit fragte, habe er das abgetan mit: „Das verstehst du nicht.“

Sie sei ihren jüdischen Freunden stets verbunden gewesen. Angesichts eines wachsenden Antisemitismus könne sie sich nicht heraushalten. Sie habe sich gesagt: „Schau mal, jetzt sind wir wieder so weit, dass Judenhass gesellschaftsfähig wird. Und wenn du jetzt nichts machst, bist du auch eine Mittäterin.“ Sie sei auf die Straße gegangen und wolle Zeichen setzen - eine Motivation zu dem Buch, mit dem sie auch andere anregen will, sich zu positionieren.

„Wenn meine Kinder und Enkelkinder mich irgendwann fragen und sagen: "Mama oder Nonna, was hast denn du eigentlich gemacht? Schau, wo wir jetzt sind!" Dann möchte ich sagen: "Ich habe mich nicht weggeduckt, sondern ich habe versucht, zu helfen." Wenn ich das jetzt nicht machen würde, dann mache ich mich mindestens so schuldig wie die Generation vor mir.“

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