Fernsehen
Ein Jahr Raab-Comeback: Wie gut ist „König Lustig“ noch?
Vor einem Jahr kam er wie aus einem anderen Universum zurück: Stefan Raab, jahrelang der große Abwesende des deutschen Fernsehens, inszenierte sein Comeback als Rückkehr vom Olymp. Über die vielleicht längste Treppe der deutschen TV-Geschichte schritt er hinab zu seinen Jüngern, die sich in einer Düsseldorfer Multifunktionshalle versammelt hatten - und das Publikum jubelte, als komme da ein Messias herab.
Und heute? Man tritt Raab gewiss nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er mittlerweile sehr viel irdischer wirkt. Auch wenn er gerade wieder typische Raab-Dinge tut. Auf Instagram hat er in den vergangenen Tagen kryptische Hinweise gestreut, so rätselhaft wie einst vor seinem Comeback.
Die Auflösung war dann vergleichsweise banal. Am kommenden Dienstag zeigt RTL „Die Stefan Raab Show“, allerdings nur als 15-minütigen Appetitmacher. Was dann folgen wird, war zunächst unklar. Es wirkt, als habe selbst das Rätseln und Raunen rund um seinen eigenen Mythos inzwischen etwas Ritualisiertes.
Am Sonntag jährt sich Raabs TV-Rückkehr, ein Highlight des vergangenen Fernsehjahres, zum ersten Mal. Nach fast zehn Jahren Fernsehpause hatte er sich am 14. September 2024 wieder einem Millionenpublikum gezeigt und - der Grund dafür blieb ebenfalls etwas rätselhaft - noch einmal gegen die frühere Boxweltmeisterin Regina Halmich gekämpft. Anschließend kündigte er verschwitzt, aber fröhlich an: „Ich hab' mir überlegt: Ich mach' wieder Shows“.
Wenn man versucht, ein Fazit aus diesem ersten Jahr von Raabs zweiter Bildschirmkarriere zu ziehen, bekommt man auf Fragen unterschiedliche Antworten zu hören - abhängig davon, wen man fragt.
Daher zunächst ein paar Fakten: Seine wöchentliche RTL-Show („Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab“) ist in ihrer Ursprungsform wieder beendet worden, weil die Quoten zu schwach gewesen sind. Es bleibt abzuwarten, was das neue Show-Projekt bringt.
Dem Vorentscheid zum Eurovision Song Contest hauchte Raab - einst als ESC-Guru verehrt - tatsächlich neues Leben ein, landete aber mit seinen Schützlingen Abor & Tynna dann nur auf Platz 15.
Seine Samstagabendshow „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“ erinnert an alte „Schlag den Raab“-Zeiten, der chronische ehrgeizige Raab steckte aber direkt in der ersten Ausgabe eine Niederlage ein und musste sich von Kommentator Frank Buschmann die Frage anhören, ob er alt geworden sei. All die Formate bei seinem neuen Haussender RTL erinnerten dabei an seine Show-Ideen aus alten TV-Tagen bei ProSieben.
Bei RTL gibt man sich optimistisch und von Raab überzeugt. „Viele haben versucht, Stefan Raab zurück vor die Kamera zu holen - uns ist es gelungen, darüber sind wir nach wie vor sehr glücklich“, so ein Sprecher zur Deutschen Presse-Agentur. Raab habe starke Reichweiten erzielt. „Der ESC-Vorentscheid war der erfolgreichste seit zwei Jahrzehnten. Und "Du gewinnst hier nicht die Million" war das erfolgreichste Streaming-only-Show-Format des Jahres und hat nicht nur viele Abos generiert, sondern auch neue Zielgruppen für uns erschlossen.“ Nun freue man sich auf seine runderneuerte wöchentliche Show.
Kritiker gehen mit dem „Raabinator“ derweil härter ins Gericht. Etwa der Popkultur-Experte Marcus S. Kleiner, Professor für Medienwissenschaft an der SRH University of Applied Sciences Berlin.
Raab sei in vielen Dingen ein Vorbild gewesen, meint er - er habe wirklich das Fernsehen geprägt. „Nun ist er allerdings ein Vorbild dafür geworden, wie man mit seiner Karriere keinesfalls umgehen sollte“, sagt Professor Kleiner. Auf ihn wirke Raab so, als zitiere er sich in seinen neuen Shows laufend selbst. Er halte ihn für „kreativ ausgeschöpft“, sagt Kleiner. „Was er im vergangenen Jahr gemacht hat, war oft prätentiös.“
Interessant sei dabei, dass Raab ja ein Show-Profi sei. „Daher hätte er eigentlich wissen müssen, dass man irgendwann einen bestimmten Punkt an Ruhm und Anerkennung überschritten hat - und dann nicht mehr höher hinauskommt“, sagt Kleiner. „Taylor Swift ist der größte Popstar auf der Erde - aber sie kann niemals der größte Popstar auf dem Mond werden.“ Früher habe sich Raab ja auch selbst über Leute lustig gemacht habe, die versuchten, noch mal einen obendrauf zu setzen. „Die nicht loslassen konnten“, sagt Kleiner.
Die Frage ist, ob man immer noch einen „draufsetzen“ muss - oder ob Raab einfach mit Erwartungen überfrachtet wird, die er durch seine pompöse Wiederkehr selbst ins Unermessliche getrieben hat.
Raab arbeite mit Showelementen, die für sein Image maßgeblich gewesen seien, erklärt Joan Kristin Bleicher vom Institut für Medien und Kommunikation an der Universität Hamburg. Sie prägten auch die Erwartungshaltung der Zuschauerinnen und Zuschauern. „Somit ist der Transfer in neue Senderumgebungen und Formatkonstellationen problematisch“, sagt sie. Der Medien-Journalist Alexander Krei verwies in einem Beitrag für das Portal Übermedien darauf, dass es aus Sicht von Senderverantwortlichen gute Gründe gebe, eine „Nostalgiefarbe in ihren Programmen zu bedienen“. Es gebe dafür erfolgreiche Beispiele.
Raab jedenfalls wird sicherlich noch ein paar Stufen versuchen zu gehen. Kurz nachdem er vor einem Jahr die Himmelstreppe hinabgestiegen war, erklärte RTL, dass man einen Exklusivvertrag geschlossen habe - für fünf Jahre.