Fantasie statt KI
So geht eine Wörther Autorin mit Künstlicher Intelligenz um

Sarah Schwabe
Die Schreibstunden verbringt Bettina Auer in ihrem Arbeitszimmer an ihrem Computer. Dort reihen sich die Kapitel zu einem Buch aneinander.
Bettina Auer sitzt an ihrem schwarzen Eckschreibtisch vor ihrem Computer. Ein Teil ihres Bildschirms ist weiß wie ein leeres Blatt Papier. Schwarze Buchstaben beginnen sich aneinanderzu- reihen. Immer mehr Worte füllen das weiße Feld, ähnlich wie bei der Texterstellung mithilfe einer Künstlichen Intelligenz (KI) - und doch ganz anders.
Bettina Auer ist 32 Jahre alt, zierlich, trägt eine schmale Brille mit großen sechseckigen Gläsern, und der Pony ihrer schulterlangen kastanienbraunen Haare fällt ihr ins Gesicht. Zum Schreiben krempelt sie die Ärmel hoch. Dadurch kommen die schwarzen, roten und grünen Tattoos auf ihrem rechten Unterarm zum Vorschein. Eigentlich heißt sie mittlerweile Bettina Seidl. Den Namen Auer hat sie für ihr Autoren-Dasein beibehalten.
Autorin als Hauptberuf kommt nicht in Frage
Schon als Kind hat es ihr gefallen, sich Geschichten auszudenken. Sie hat früh gemerkt, dass sie Bücher schreiben möchte, erzählt sie. Autorin als Hauptberuf kommt für sie nicht in Frage. Das sei ihr finanziell zu unsicher. Deshalb arbeitet sie 20 Stunden in der Woche im Drogeriemarkt Rossmann in Wörth. "Ich brauche das Wissen, dass ich jeden Monat einen gewissen Betrag auf mein Konto bekomme", erklärt sie. Ihre Bücher schreibt sie lieber nebenbei ohne Stress. Die Einnahmen pro Buch sind unterschiedlich. "Ich habe ein Buch gehabt, wo ich die Buch-Ausgaben innerhalb von ein paar Monaten wieder gehabt habe, das war der Wahnsinn. Dann gibt es Bücher, an denen ich Jahre dransitze und nichts zurückbekomme, das ist schon ein bisschen gemein. Aber so ist es halt", sagt sie.
Die Ausgaben variieren je nach Dicke des Buches und umfassen das Lektorat, Korrektorat und die Grafik- und Buchcover-Gestaltung. Insgesamt kann man bei den Ausgaben für ein Buch um die 2 000 bis 2 500 Euro schätzen, erklärt sie.
"Ich rede viel, wenn der Tag lang ist", sagt Bettina Auer. Das kommt ihr beim Schreiben zugute. Sie wirkt gelassen, dennoch aufgeweckt. 17 Bücher hat sie bereits veröffentlicht. Ihre Hauptgenres sind Fantasy und Romance (Liebesromane), auch Romantasy, also eine Mischung aus Romantik und Fantasy. Bei ihren Büchern achtet sie darauf, dass die Sprache nicht verkrampft wirkt, die Charaktere lebendig sind und etwas Humor enthalten ist. Sie hat mit Verlagen zusammengearbeitet, betreibt aber meist Self-Publishing, also die Veröffentlichung ihrer Bücher ohne einen Verlag. Es ist ihr lieber, wenn sie selbst verantwortlich ist. Für die Grafiken und das Lektorat holt sie sich Unterstützung. Im Internet bietet sie auch selbst Lektorate, Buchsatz und Ghostwriting an. Ihre Bücher veröffentlicht sie vor allem als eBooks über Amazon. Dort verdient sie am meisten. Ihre Bücher sind auch als Print-Ausgaben und Hörbücher erhältlich, aber eBooks verkauft sie am häufigsten.
Sie öffnet ein Programm auf ihrem Computer. Papyrus Autor. Das ist ein spezielles Schreibprogramm für Autoren, erklärt sie. Ähnlich wie bei Word bildet ein weißes Dokument den Mittelpunkt. Darüber befinden sich Symbole mit unterschiedlichen Funktionen. Links und rechts von dem Dokument sind Notizzettel in bunten Pastellfarben abgebildet: lila, rosa, gelb, orange, blau und grün. Darauf stehen Anmerkungen zu verschiedenen Charakteren. Das Programm kostet etwas, aber das ist es ihr wert.
Die Entstehung ihrer Bücher sei immer etwas chaotisch, gibt sie zu. Sie hat eine gewisse Szene im Kopf, um die sie alles herum aufbaut, so als würde sie ein Puzzle zusammensetzen. Oft beginnt sie erst mit Kapitel drei oder vier, denn die ersten 30 Seiten fallen ihr schwer. Käme für sie hier die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Frage?
"Es ist schon faszinierend"
"Ich habe nur mal mit KI rumgespielt", erzählt Bettina Auer. Dabei hat sie ChatGPT verwendet. Mit ChatGPT können sich Nutzer mithilfe von Künstlicher Intelligenz Texte erstellen lassen. Die Nutzer stellen der KI eine Frage und erhalten ihre Antwort innerhalb weniger Sekunden.
Sie holt ihr Handy hervor und öffnet ChatGPT. Vor Kurzem hatte sie eine Romanidee. Anhand eines kurzen Textes hat sie ChatGPT gefragt, ob es aus ihrer Idee einen Plot, eine Handlungsstruktur, machen könnte. Nett hat sie gefragt. Mit Smileys :) und einem "Danke" am Ende ihrer Nachricht. Die KI hat ihr geantwortet: "Natürlich! Hier ist ein möglicher Plot für deinen Roman."
Sie scrollt durch die Antworten: ein Titel und mehrere Kapitelüberschriften mit jeweils einem kurzen Absatz. Die KI hat ihr zwei verschiedene Versionen eines möglichen Plots als Antwort gegeben. "Es ist schon faszinierend", sagt sie und meint damit die vielen Möglichkeiten durch KI.
"KI hat in den letzten Jahren beeindruckende Fortschritte beim kreativen Schreiben gemacht", erklärt der Vorstandsvorsitzende der brand eins Medien AG, KI-Experte und Autor Holger Volland aus Hamburg. In seinem letzten Buch "Overload - Die KI-Medienflut kommt. Was ist noch echt, was Fake?" bei brand eins books spielt KI eine zentrale Rolle. Die neuesten Sprachmodelle wie ChatGPT 4.o seien durchaus in der Lage, zusammenhängende und stilistisch ansprechende Texte zu verfassen. Allerdings fehle der KI das tiefere Verständnis für menschliche Erfahrungen und Emotionen. Sie könne Muster erkennen und reproduzieren, aber nicht wirklich "fühlen" oder authentische Perspektiven entwickeln.
Bettina Auer öffnet ein anderes Programm auf ihrem Computer. Canva. Hier hat sie sich KI-generierte Bilder erstellen lassen, sogenannte Szenenbilder. Darauf sind unterschiedliche fantastische Charaktere wie Elfen und Feen zu erkennen. Auf einem anderen erscheint ein altes verwachsenes Haus mitten in einem mystischen Wald. Ins Buch kommen diese nicht. Das müsste sie angeben. Die Bilder sind nur für sie selbst zur Beschreibung von Landschaften und Charakteren gedacht.
"Da strenge ich mich lieber selbst an"
Zur Inspiration findet sie KI nicht schlecht, aber komplett damit zu arbeiten, das wäre ihr zu viel. "Da strenge ich mich lieber selbst an", sagt sie. Mit allem, was ihr die KI ausspuckt, ist sie auch nicht zufrieden. Manchmal klingt es geschwollen und holprig, erklärt sie. Die Aussprache sei anders als die eines Menschen und oft wirke es unfertig. KI kann auch nicht alle Aufgaben, die hinter einem Buch stecken, übernehmen. Bettina Auer sieht die KI nicht als Ersatz für ihre Lektorin. Sie vertraut den menschlichen Fähigkeiten mehr, die individuellen und stilistischen Feinheiten im Lektorat zu erfassen.
KI-generierte Texte zu erkennen, werde immer schwieriger. "Dennoch gibt es subtile Hinweise: KI-Texte neigen manchmal zu sehr ,sauberen', aber wenig charakteristischen Formulierungen. Es fehlen oft die Ecken und Kanten, die menschliche Texte so interessant machen", erklärt Holger Volland. Als Ersatz für menschliche Lektoren sehe auch er die KI nicht. "Ein gutes Lektorat umfasst ja viel mehr: inhaltliche Konsistenz, kulturelle Sensibilität, die Erfassung subtiler Bedeutungsebenen." Dass KI die Kunst der Schriftsteller ersetzen kann, glaubt er nicht: "Sie wird neue Möglichkeiten eröffnen, aber die authentische menschliche Stimme, die persönliche Erfahrung und die echte emotionale Tiefe bleiben unkopierbar."
Zum Schreiben braucht sie Ruhe
Für Bettina Auer ist das Schreiben selbst das Schönste. Zum Schreiben braucht sie Ruhe. Weder ihr Mann noch ihre vierjährige Tochter dürfen ihr dabei Gesellschaft leisten. Nur ihr Hund Marta und die beiden Rennmäuse Olaf und Sven, in dem Käfig neben ihrem Eckschreibtisch, dürfen das.
Ihre Finger bewegen sich über die rosa-weiße Tastatur. Schwarze Wörter füllen die leeren Seiten. Nach Monaten, teilweise Jahren, Schreibblockaden und Lektoraten ergänzen sich die Kapitel zu einem Buch - anders als bei der schnellen Texterstellung einer KI.
Zur Autorin:
Sarah Schwabe studiert in Passau Journalistik und strategische Kommunikation. Ihr Beitrag ist in einer Lehrredaktion entstanden, die in dem Studiengang integriert ist. Die Lehrredaktion wird von Redakteuren unserer Mediengruppe betreut.