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Mehr als eine Süßigkeit: Das müssen Sie über Schokolade wissen
Einst war Kakao das heilige Getränk der Herrschenden, heute gelten Kakao und Schokolade als Junk Food und Dickmacher. Aber wer die daumendicken Billigtafeln hinter sich lässt, findet einen Kosmos unterschiedlichster Aromen.
Wie viel Schokolade essen die Deutschen?
In Zeiten vieler Krisen, könnte man meinen, greifen die Menschen mehr als sonst zu süßen Seelentröstern. Tatsächlich aber bleibt der Schokoladenhunger seit Jahren stabil:
2022 aßen die Deutschen durchschnittlich 9,31 Kilogramm, so der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). In den Jahren zuvor waren es mal ein paar Hundert Gramm mehr oder weniger.
Gut zu wissen: Im internationalen Vergleich naschen die Deutschen an der Weltspitze mit. Nur die Schweizer gönnen sich noch mehr Schoki, sie kommen im Schnitt auf etwa 11 Kilo pro Jahr.
Welche Sorten sind am beliebtesten?
Meersalz-Karamell, Weiße Mango-Maracuja, Sauerkirsch-Chili - allein im Supermarkt liegen heute ständig neue Schoko-Variationen.
Ganz zu schweigen davon, was es im Chocoversum in Hamburg zu kaufen gibt: Schokolade mit Knoblauch, Avocado oder pulverisierten Heuschrecken. Sicher alles spannend.
Trotzdem naschen die Deutschen am liebsten Milchschokolade. Das sagten jedenfalls 47 Prozent der Teilnehmer in einer Umfrage des BDSI von 2022.
Insgesamt seien die Vorlieben der Deutschen seit Jahrzehnten relativ unverändert, sagt Solveig Schneider, Sprecherin des Verbands. Und so folgen in der Lieblingsliste weitere Klassiker:
- Nougat
- Zartbitter
- Weiße Schokolade
- Haselnuss
- Marzipan
Etabliert sind mittlerweile auch die Sorten Keks, Toffee und Karamell. Gewürze und Frucht- oder Schnapsfüllungen begeistern dagegen nur wenige.
Schon gewusst? Josef Zotter, Gründer der gleichnamigen Edelschokoladen, hat in seiner Erlebniswelt in der Steiermark einen Ideen-Friedhof. Dort begräbt er Geschmacksexperimente, die nicht funktioniert haben: etwa Kornelkirsche, Schweineblut oder Erdbeer-Hummer.
Übrigens: Der Osterhase hat den Weihnachtsmann abgehängt. Laut BDSI wurden 2023 rund 230 Millionen Schokohasen in die Läden gestellt und exportiert. Die Zahl der Weihnachtsmänner lag 2022 lediglich bei 169 Millionen.
Ein hartnäckiges Gerücht weist der BDSI von sich: Dass Schoko-Weihnachtsmänner zu Osterhasen umgeschmolzen werden, sei Quatsch.
Eine kurze Geschichte der Schokolade
Wer als erster eine Schokolade trank, weiß nur Ek Chuak. Den Kakaogott feierten die Maya jeden Frühling mit einem Fest, wobei der gewürzte Kakao wohl in Strömen floss.
Den Maya war das Getränk so heilig, dass man auf den Märkten ihrer Städte im heutigen Guatemala, Honduras oder Belize sogar mit Kakaobohnen bezahlen konnte: Für 100 Bohnen bekam man einen Sklaven.
Bis heute kippen die Maya-Nachfahren den natürlichen Energydrink auf religiösen Zeremonien, zur Feier von Geburten oder Hochzeiten.
Die ersten Kakaotrinker waren die Maya aber nicht. Das Wort cacao verwendeten schon die Olmeken, schreibt Georg Bernardini, Mitbegründer der Confiserie Coppeneur, in seinem Buch "Schokolade - das Standardwerk". Auf Tonscherben aus dem Jahr 1150 vor Christus fanden Forscher Spuren von Theobromin, einem Inhaltsstoff, der in Kakaobohnen enthalten ist.
Ausgrabungen im Süden Ecuadors zeigten laut der International Cocoa Organization (ICCO), dass dort schon vor 5300 Jahren Kakao verwendet wurde - also 1500 Jahre, bevor der Baum von den Maya gezüchtet wurde.
Die Azteken gaben dem Gebräu den Namen Xocólatl - was übersetzt bitteres Wasser bedeutet. Kein Wunder, dass Christoph Columbus genauso wenig begeistert war wie Hernán Cortés, der Eroberer des Aztekenreichs.
Erst 1544, mehr als 20 Jahre nach der Unterwerfung der Azteken, brachten Mönche die Bohnen an den Königshof in Madrid.
Die Spanier süßten den Kakao mit Honig und Rohrzucker, sie mischten ihn mit Anis, Mandeln oder Gewürznelken, wie Ewald Notter in seinem Buch "Handwerk Schokolade" schreibt. Und sie gossen ihn mit heißem Wasser auf statt mit kaltem wie die Azteken.
Eines blieb gleich: Kakao war ein Luxusgetränk für die Wohlhabenden und Mächtigen. Eine spanische Prinzessin brachte ihn an den Pariser Hof, 1657 eröffnete der erste Chocolatier Londons seinen Laden. Im 18. Jahrhundert stellten die ersten Fabriken dann Schokolade für die Massen her. 1765 lief die erste deutsche Fabrik in Steinhude an.
Wer die Milchschokolade erfand, ist umstritten. Laut den Lehrbüchern rührte der Schweizer Daniel Peter 1875 als erster Milchpulver in die Kakaomasse.
Der Dresdner Wissenschaftsverein WIMAD dagegen erklärt, dass Gottfried Heinrich Christoph Jordan und August Friedrich Timaeus schon 1839 für ihre "Chocolade mit Eselsmilch präpariert" warben.
Diese Ur-Milchschokolade war allerdings noch körnig, herb und schwer zu kauen. Den zarten Schmelz heutiger Tafeln verdanken wir dem Conchieren. Und das erfand 1879 unbestritten ein Schweizer: Rudolphe Lindt.
Woher stammt Kakao?
Theobroma cacao, ein Malvengewächs, gedeiht rings um den Globus im Kakaogürtel, einem gut 2000 Kilometer breiten Korridor entlang des Äquators.
Der Baum ist anspruchsvoll: Er braucht viel Wärme, Wasser und den Schatten großer Bäume. Im Grunde wächst er also nur im tropischen Regenwald.
"Heute gilt es als erwiesen, dass aller Kakao aus Südamerika, genauer dem Amazonasgebiet, stammt", schreibt Jan-Marcel Schubert von der Firma Original Beans in dem Buch "Chocolat & Confiserie".
Zwischen den peruanischen Regionen Cusco und Madre de Dios werde noch heute ein Ur-Kakao angebaut, Chuncho genannt. Dieser habe die höchste genetische Vielfalt aller Kakaosorten. Ein klarer Hinweis, schreibt Schubert, dass die Kulturpflanze aus dieser Gegend stamme.
Die europäischen Kolonialherren pflanzten Kakaobäume im 19. Jahrhundert in tropischen Ländern rings um die Erde. Heute kommen drei Viertel der Welternte aus Westafrika, so der BDSI auf seiner Webseite Schokoinfo.de.
Allein die Elfenbeinküste und Ghana produzieren rund 60 Prozent aller Kakaobohnen. Weitere bedeutende Anbauländer sind Ecuador, Kamerun, Nigeria, Indonesien und Brasilien.
Schon gewusst? Der größte Schokoladenproduzent der Welt sind die USA. Auch Frankreich, Italien, Belgien und die Schweizsind ziemliche Schwergewichte. Aber keines der europäischen Länder produziert so viel Schokolade wie Deutschland.
Mehr als 80 Unternehmen stellen hierzulande laut BDSI über eine Millionen Tonnen pro Jahr her. Ein Großteil davon geht in den Export.
Rund 80 Prozent der Exporte gehen in die Partnerländer der EU, rund 20 Prozent werden in sogenannte Drittländer exportiert - bis nach Kanada und Australien.
Wie wird die Kakaobohne zur Schokolade?
Die bis zu einem Kilo schweren Früchte des Kakaobaums werden mit der Machete vom Stamm getrennt und geöffnet. Danach gären Bohnen und Fruchtfleisch bis zu sieben Tage in Holzkisten oder schlicht als Haufen, abgedeckt mit Bananenblättern.
Erst beim Fermentieren entsteht das typische Kakao-Aroma, die feinen Nuancen. Sie sei "der kulinarische Startschuss von Kakao", sagt Oliver Rohlf, der Inhaber von Schokovida in Hamburg.
"An der Fermentation sind Hefen, Essigsäure- und Milchsäurebakterien beteiligt", sagt Finn Heidak von der Berliner Schokoladen Manufaktur 31 Grad. Je nach Land und Höhenlage seien sie unterschiedlich, deshalb schmecke der Kakao dann unterschiedlich, etwa nach ...
- Beeren
- Kirschen
- Gewürzen
Diese sekundären Aromen fallen je nach Ernte anders aus. Es gibt bei Schokolade also Jahrgänge - wie beim Wein.
Nach dem Fermentieren werden die Bohnen auf Matten oder Planen ausgebreitet, um unter der Sonne zu trocknen. Dabei müssen sie immer wieder per Hand gewendet werden.
Die getrockneten Bohnen werden in Jutesäcken nach Europa verschifft und eingelagert. Im besten Fall halten sie sich 10 bis 15 Jahre.
In der Fabrik werden die Bohnen gesäubert und je nach Sorte in 100 bis 200 Grad heißer Luft geröstet:
- wertvoller Edelkakao schonend bei 100 bis 130 Grad
- Konsumkakao bei 160 bis 200 Grad
Dann zerkleinern Brechanlagen sie zu Nibs, wobei starke Gebläse die leichten Schalen entfernen.
Zwischen Stahl- oder Granitwalzen werden die Nibs erst grob, dann fein gemahlen. Dabei schmilzt die Kakaobutter, und es bildet sich die zähflüssige Kakaomasse.
Aus ihr wird die Kakaobutter gepresst, übrig bleibt der Kakaopresskuchen - der nun wieder mit Kakaobutter, Zucker und anderen Zutaten wie Lecithin oder Vanille vermischt wird.
Diese Paste wird von Walzen oder Metallkugeln immer wieder gerührt und geknetet - und damit auch durchlüftet. So oxidieren saure und bittere Aromen.
"Viele Bohnen haben schreckliche Sekundäraromen, die zum Beispiel durch fehlerhafte Fermentation entstehen", sagt Heidak. "Das kann Heu oder Gras sein, aber wir hatten auch schon Bohnen, die haben geschmeckt, wie ein Gulli riecht."
Conchieren heißt dieser finale Schliff, der bis zu 72 Stunden dauern kann und für den feinen Schmelz sorgt. Früher galt er als Königsdisziplin, heute aber lassen renommierte Chocolatiers wie Claudio Corallo das Conchieren weg.
So wollen sie die ursprüngliche Geschmacksvielfalt des Kakaos erhalten, sagt Heidak. Denn 50 bis 60 Prozent der Qualität mache die Bohne aus, das Conchieren dagegen nur 10 Prozent.
Abschließend wird die Schokolade gekühlt, temperiert und verpackt.
Welche Schokoladensorten gibt es?
Glaubt man der deutschen Kakaoverordnung, ist die Antwort eindeutig: Das gesetzliche Reinheitsgebot, das in allen EU-Ländern gilt, kennt sieben Sorten. Der Blick ins Süßwarenregal lehrt aber, dass es deutlich mehr gibt. Hier sind die drei Hauptsorten:
1. Dunkle Schokolade
Sie enthält mindestens 50 Prozent Kakao, dazu Zucker und eventuell Kakaobutter und Lecithin. Für Genießer sei sie "die Masterclass", schreibt Herbert Hacker auf Falstaff.de. Denn in Halb- oder Edelbitterschokolade entfalten sich die vielen Aromen des Kakaos am intensivsten.
Wie viel Prozent Kakaoanteil optimal sind, bleibt eine Glaubensfrage. "Zucker ist nicht nur süß", erklärt Finn Heidak. "Er verstärkt auch Geschmäcker im Kakao."
2. Milchschokolade
Die beliebteste Schokolade muss mindestens 25 Prozent Kakao und 14 Prozent Milch- oder Sahnepulver enthalten. Bei Vollmilch sind es 30 Prozent Kakao und 18 Prozent Milch. Dazu kommen Zucker und oft Kakaobutter, Vanille und Lecithin.
Es gibt übrigens auch Milchschokolade mit bis zu 80 Prozent Kakaoanteil.
3. Weiße Schokolade
Sie wurde schon in den 1930er-Jahren von Henri Nestlé entwickelt. Seitdem streiten sich die Experten, ob sie überhaupt echte Schokolade ist. Denn ihr wird das Kakaopulver entzogen, in dem all die Aromen stecken.
Von der Bohne bleibt nur die Kakaobutter, die mindestens 20 Prozent ausmachen muss. Den Geschmack verleihen Milch (mindestens 14 Prozent), Zucker, Vanille und andere Zutaten.
Welche Kakaosorten gibt es?
Weltweit gibt es angeblich 2000 Arten von Kakao. Wichtig für die Produktion sind aber nur 4 Hauptsorten:
- Criollo
- Forastero
- Trinitario
- Nacional
"Criollo ist die edelste unter den Kakaosorten", schreibt Eberhard Schell in seinem Buch "Kochen mit Schokolade". Ihr Geschmack sei am feinsten, aromatischsten, intensivsten und vielfältigsten.
Leider ist Criollo auch am anfälligsten für Schädlinge und Krankheiten und bringt am wenigsten Ertrag.
Der große Unterschied zwischen Edelkakao und herkömmlichen Kakao ist die Qualität der Kakaobohnen. Forastero dominiert den Weltmarkt mit mehr als 80 Prozent der globalen Ernte. Denn er ist robust und bringt hohe Erträge. Also das Gegenteil von Criollo - leider auch in puncto Aroma.
Forastero sei geschmacklich eindimensional, sagt Oliver Rohlf. "Da gibt es keine Fruchtnoten, keine Säurenoten, keine Erde, kein Brot."
Trinitario ist eine Kreuzung aus Criollo und Forastero, geschaffen im 18. Jahrhundert auf der Insel Trinidad. Er schmeckt fast so gut wie Criollo, ist aber weitaus weniger empfindlich. Heute macht er rund zehn Prozent der Welternte aus.
Nacional wächst fast ausschließlich in Ecuador. Meist wird er als Untersorte des Forastero eingestuft. "Manch einer ist jedoch der Meinung, dass die DNA der Nacional-Bohnen eher einem Criollo als einem Forastero ähnelt", schreibt Bernardini.
Jedenfalls besitze er eine ähnliche reiche Aromatik wie Edelkakaos, sagt Rohlf.
Bisher sei die Kakaobohne kaum erforscht, so Natascha Kespy, Inhaberin von Winterfeldt Schokoladen in Berlin. "Wir lösen uns gerade von der Annahme, dass es drei Sorten gibt."
Mittlerweile sei sich die Fachwelt einig, dass es so viele Hybride gibt, dass sie kaum sinnvoll in Gattungen aufzuteilen sind.
Die in den 1960er-Jahren eingeführte Einteilung in Criollo, Forestero und Trinitario sei "schon lange überholt und schlichtweg falsch", schreibt Jan-Marcel Schubert.
Es gebe "eine schier unendliche Zahl an wilden Kreuzungen". Von sortenreinem Kakao könne nur selten die Rede sein. Und manche Ur-Kakaos seien der Criollo-Bohne qualitativ mindestens ebenbürtig.
Was genau ist überhaupt Edelkakao?
Die International Cocoa Organization (ICCO) unterscheidet grundsätzlich zwischen Konsum- und Edelkakao. Die Qualität einer bestimmten Plantage oder einer Charge im Handel spielen bei der Einteilung keine Rolle, es geht allein um die Sorte der Bohne.
Criollo und Trinitario gelten als Edelkakaos, Forastero als Konsumkakao. Wobei es Ausnahmen von dieser starren Einteilung gebe, wie die ICCO einräumt. Nacional-Bäume seien genetisch eine Forastero-Variante, erzeugten aber Edelkakao.
Die Ernte der Trinitario-Bäume in Kamerun dagegen gelte als Konsumkakao.
Edelkakao soll 400 Aromen enthalten. Doch diese Vielfalt könnte verschwinden. In Ecuador zum Beispiel ist der Nacional durch einen Hybrid bedroht, der weitaus mehr Ertrag abwirft.
Die Sorten vermischen sich zunehmend. Bernardini fürchtet, "in absehbarer Zukunft kaum noch puren Nacional-Kakao zu erhalten".
Firmen wie Original Beans versuchen, alte Ursorten und damit die geschmackliche Vielfalt zu erhalten. In Costa Rica hat die International Cocoa Collection eine Gendatenbank aufgebaut.
Und Alessio Tessieri, der Gründer der italienischen Schokoladenfirma Noyala, hat sich eine abgelegene Plantage in Venezuela gekauft, damit seine edlen Criollo-Bäume sich nicht mit anderen Sorten mischen.
Die Gefahr, dass Edelkakao ganz verschwindet, ist laut Kespy geringer geworden. "Wegen der Welle der Edelschokoladen wird er seit 20 Jahren wieder gezielt angebaut."
Wie findet man gute Schokolade?
Was auf manche Verpackungen gedruckt ist, klingt nobel: Edelbitter, Jahrgangsschokolade, Herrenschokolade. Allesamt Fantasie-Kategorien, sagt Christine Luger, Inhaberin des House of Cacao am Münchner Viktualienmarkt. Reines Marketing.
Der Preis sei auch kein gutes Indiz. "Es gibt so viele Blender, die nur Massenschokolade umgießen und Salz drauf streuen", sagt Luger. "Und dann kostet sie im Einkauf sechs Euro."
Wer die Tafel aber umdreht, findet auf der Rückseite ein ganz einfaches Indiz für Qualität. "Je weniger auf der Zutatenliste steht, desto besser", sagt Daniel Biebl von der Confiserie Paulsen in Hamburg.
"In eine gute Schokolade gehören nur die Kakaomasse und Rohrohrzucker", sagt Luger. "Und bei Milchschokolade noch Milchpulver. Wenn mehr als drei Zutaten auf der Liste stehen, würde ich die Finger davon lassen."
Akzeptabel ist für viele Experten zusätzliche Kakaobutter. Sie verstärkt den Schmelz, lässt die Schokolade schneller im Mund zerlaufen. Und: "Fett ist natürlich ein Geschmacksträger", sagt Rohlf.