Mobilität

ÖPNV auf dem Land unter Druck - doch es gibt Ideen

Im Landkreis Hof ist der Landbus inzwischen im kompletten Gebiet unterwegs - mit knapp 2.000 Haltestellen. (Archivbild)

Im Landkreis Hof ist der Landbus inzwischen im kompletten Gebiet unterwegs - mit knapp 2.000 Haltestellen. (Archivbild)

Von dpa

Ein Anruf oder eine Buchung per App - und der Bus kommt. On-Demand-Angebote für den öffentlichen Nahverkehr könnten die Lösung sein, um auch abgelegene Orte auf dem Land anzubinden an den ÖPNV, ohne dass Linienbusse meist nur spärlich gefüllt durch die Gegend fahren. Vielerorts laufen entsprechende Projekte - der Landkreis Hof zum Beispiel setzt schon seit einigen Jahren auf den Landbus, der nun künftig im kompletten Kreis unterwegs sein wird. Aber auch Taxi-Unternehmen bringen sich für den ÖPNV ins Spiel.

Lob gab es bereits vom bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU): „Der Landkreis Hof geht beim Thema ÖPNV mit gutem Beispiel voran und stellt den Menschen vor Ort mit dem Hofer Landbus ein attraktives Angebot zur Verfügung, das in der Region nicht mehr wegzudenken ist. So kann eine zukunftsfähige Mobilität in Bayern gelingen.“

Konkret gibt es bald knapp 2.000 Haltepunkte im Landkreis, die der Landbus nach vorheriger Buchung per App oder Telefon anfährt. Die Fahrt kostet drei Euro, buchbar ist das Angebot täglich von 6 bis 23 Uhr. Nach Angaben des Landratsamts nutzen monatlich rund 11.000 Menschen den Landbus. Ausgelegt sei das System auf kurze und mittlere Strecken und verknüpfe sich mit Bus und Bahn.

Der ÖPNV sei in vielen bayerischen Landkreisen mittlerweile zum Sorgenkind geworden, besonders in Flächenlandkreisen mit ländlichen Strukturen, sagt Thomas Karmasin, Präsident des Bayerischen Landkreistages und Landrat von Fürstenfeldbruck: „Wir befinden uns vielerorts bereits im Krisenbewältigungsmodus. Steigende Kosten, wachsende Anforderungen und eine unzureichende Finanzierung bringen die kommunalen Haushalte zunehmend an ihre Grenzen.“

Dabei sei ein verlässlicher ÖPNV mehr als nur ein Mobilitätsangebot: „Er ist Bestandteil einer verlässlichen Wirtschaftspolitik, Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse und unverzichtbar für den Klimaschutz. Er muss für alle Menschen zugänglich sein - unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben.“

Viele Faktoren trieben die Kosten für den ÖPNV in die Höhe. In den vergangenen Jahren hätten die Landkreise das meist aus eigener Kraft geschultert. „Dies lässt sich - gerade in Zeiten extrem angespannter Haushalte - allerdings nicht beliebig fortsetzen.“

Der Landkreis Wunsiedel im Nordosten Bayerns setzt auf den Rufbusverkehr namens „fichtelBAXI“. Auch hier steigen die Fahrgastzahlen, ebenso beim On-Demand-Verkehr fichtelflexi, der die Stadtgebiete Selb und Schönwald abdeckt, wie eine Sprecherin mitteilte. Einen funktionierenden ÖPNV anzubieten, erfordere eine gute Planung: „Der Landkreis ist geprägt von ländlichen Strukturen, teils großen Entfernungen zwischen den einzelnen Gemeinden und Ortsteilen sowie einer vergleichsweise geringen Einwohnerdichte.“

Die Herausforderung sei es, neben einem attraktiven Angebot auch ein Angebot zu schaffen, das langfristig finanzierbar bleibe. „Das erfordert eine sehr sorgfältige Abwägung, die enge Zusammenarbeit mit Verkehrsunternehmen, Kommunen und dem Freistaat sowie ein fortlaufendes Monitoring von Nachfrage, Kosten und Qualität.“

Bei der ÖPNV-Versorgung auf dem Land bringt sich auch das bayerische Taxi- und Mietwagengewerbe ins Spiel - mit dem ÖPNV-Taxi. Das funktioniert kurz gesagt so: Findet eine entsprechende App auf die Anfrage eines Nutzers keine Bahn- oder Busverbindung, könnte ein Taxi im Auftrag der Kommune die Route übernehmen. Das sei eine flexible Lösung, sagt Christian Linz, Geschäftsführer des Landesverbandes bayerischer Taxi- und Mietwagen-Unternehmen. „Das ist ein wichtiger Baustein, um Mobilität auf dem Land sicherzustellen.“ Der Landkreis Freyung-Grafenau zum Beispiel nutze dieses System schon.

An der Hochschule Hof forscht man an der Zukunft des ÖPNV - unter anderem im Projekt „EMILIA - Optimierung des intermodalen Verkehrs im ländlichen Raum“. Die Idee des bedarfsgesteuerten Verkehrs gebe es schon länger, sagt Projektleiter Richard Göbel vom Institut für Informationssysteme (iisys) der Hochschule Hof. Inzwischen habe sie aber nochmals einen Sprung erfahren und werde in immer mehr Regionen eingesetzt. Grund dafür seien Optimierungsalgorithmen. Anfragen können schnell verarbeitet und vernünftige Routen geplant werden, so dass mehr als eine Person im Fahrzeug sitze.

Aktuell sei bedarfsgesteuerter Verkehr aber oft noch auf kleinere Bereiche begrenzt. Die Frage sei nun: Wie lassen sich verschiedene Zellen mit einem Schnellbussystem untereinander verbinden? Und die Fahrzeit dürfe nicht wesentlich länger als eine Fahrt mit dem privaten Pkw sein. „Hier stellt sich ein komplexes Planungsproblem“, sagt Göbel. In dem Projekt würden entsprechende Tools dafür entwickelt.

Eine Herausforderung bleibe aber - und zwar die Kosten, sagt Göbel. Wenn eine Linie im Linienverkehr besonders gefragt sei, könne man einen größeren Bus nehmen, die gestiegenen Kosten würden dann auf mehr Nutzer verteilt. Im bedarfsgesteuerten Verkehr führe eine erhöhte Nachfrage nicht zwangsweise dazu, dass es profitabler werde: Man brauche mehr Fahrer und mehr Fahrzeuge.

Und während beim Linien- oder U-Bahn-Verkehr die Personalkosten nur einen kleinen Teil ausmachen, liegen sie beim bedarfsgesteuerten Verkehr bei bis zu 60 Prozent. „Und das kann die Folge haben, dass sich die Landkreise das Angebot möglicherweise nicht mehr leisten können“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Ein Lösungsansatz - und die Idee des Projekts - sei es, auf verschiedene Verkehrsmittel zu setzen bis hin zu autonomen Shuttles. Mit dem Projekt Shuttle-Modell-Region Oberfranken (SMO) habe man das Fahren ohne Fahrer bereits getestet.

„Meiner Einschätzung nach wird es in Zukunft eine Mischflotte geben: Einige Strecken können mit selbstfahrenden Fahrzeugen zurückgelegt werden, auf anderen Strecken ist weiterhin ein Fahrer nötig“, sagt der Experte.

Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.

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