Brauerei Tunzenberg
Dicht & Ergreifend mit emotionalem Appell an Dingolfings Bürgermeister

Christoph Urban
Flashmob beim Dingfest: Dicht & Ergreifend holt Tunzenberger Fans auf die Bühne, um einen Appell an den Dingolfinger Bürgermeister zu richten.
In der ehemaligen Brauerei in Tunzenberg (Landkreis Dingolfing-Landau) leben sich seit mehr als zehn Jahren Künstler, Bands und Kreative aus. Sie ist mit der zugehörigen Festwiese nicht nur Kulturraum, sondern Begegnungsstätte für das etwa 500 Einwohner große Tunzenberg. Beim Open-Air-Festival „Tanz am Berg“ kommen jedes Jahr – nur durch Mundpropaganda – Hunderte Gäste. In der Kulturbrauerei haben auch Dicht & Ergreifend ihre musikalischen Wurzeln, haben das Musikvideo zu ihrem Hit „Wandadoog“ dort gedreht.
Tränen beim Verstärker-Tragen
Doch weil das Gelände samt Schloss und Brauerei einen neuen Eigentümer hat, sehen die „Dichtis“ und der Verein Kulturbrauerei ihr kreatives Zentrum in Gefahr. Das diesjährige „Tanz am Berg“ im August wird das letzte sein. Bands haben ihre Proberäume teils ausgeräumt. Ein Musiker erzählt, er habe geweint, als er seinen letzten Verstärker raustragen musste.
Die prominenteste Gruppe, die Tunzenberg hervorgebracht hat, bringt das Thema nun auf die große Bühne: Beim "Dingfest" in Dingolfing haben Dicht & Ergreifend am Montagabend ihre Tunzenberger Freunde auf die Bühne geholt, um vor allen Fans auf die Problematik hinzuweisen. „Wir stehen heute vor euch“, sagte Michael Huber alias Urkwell, „weil vor rund zehn Jahren unsere Freunde einen kulturellen Freiraum aufgebaut haben, der mehr Bands hervorgebracht hat, als die CSU Legislaturperioden.“
Mit der Brauerei gehe nicht nur eine Ära zu Ende, sondern „ein Zufluchtsort für Künstler, Musiker und Familien samt ihren Kindern aus Tunzenberg und dem Umland“. Denn seit seinerzeit das „Strich 8“ im Jahr 2007 geschlossen wurde, gebe es außer der Kulturbrauerei im ganzen Landkreis kein vergleichbares Angebot.
Eigentümer: Einbauten nicht genehmigungsfähig
Die Band richtete das Wort direkt an den neuen Eigentümer Franz Ammer und warf ihm vor, mit seinen Umbauplänen die Begegnungsstätte des Orts zu zerstören. Der Plattlinger hat die Unternehmen Donaugemüse und Mamminger Konserven gegründet und aufgebaut, vertreibt Gemüse laut eigenen Angaben in ganz Europa und darüber hinaus.
Die Hiphopper zeihen ihn am Montag einen „Gurken-König“ und lassen einen TV-Clip einspielen, in dem Ammer eine Bezahlung von „sechs, sieben Euro“ für Erntehelfer rechtfertigt. Zudem zeigen sie drei mutmaßliche Zitate Ammers, angesichts derer im Publikum Fassungslosigkeit herrscht. Demnach soll er gesagt haben, das sei jetzt „sein Tunzenberg“, der Verein solle „kuschen“, spricht von einer „Drecks-Kulturbrauerei“.
Auf der Bühne appellierten die Rapper an Dingolfings Bürgermeister Armin Grassinger. „Wir bitten die Stadt Dingolfing, die Kulturbrauerei Tunzenberg zurückzukaufen, um damit ein Denkmal für Kunst und Kultur im Landkreis zu setzen.“ Als Anzahlung würden sie ihre Gage spenden.
Auf Nachfrage am Dienstag teilt Grassinger teilt schriftlich mit, er habe den Auftritt als „Hilferuf in viele Richtungen empfunden“, sei selbst davon überrascht worden und könne keine weitere Aussage treffen.
In Tunzenberg erzählt Franz Ammer am nächsten Tag, er sei am Montagabend zufällig am Stadtplatz vorbeigefahren und habe durch das offene Autofenster seinen Namen gehört. Am Stadtplatz habe er dann einen Teil des Statements mitverfolgt. Die mutmaßlichen Zitate habe er von seinem Standort nicht lesen können. Als er sie am Dienstag vorgelegt bekommt, reagiert er empört: „Ich schwöre, dass ich das niemals gesagt habe. Nie!“
Der eingespielte TV-Clip sei mehr als zehn Jahre alt. Dabei sei es um die Einführung des Mindestlohns gegangen, den seine Erntehelfer „natürlich“ bekommen, „das haben sie auch verdient, brutto für netto“.
Ammer betont im Gespräch, dass er die Ziele des Vereins Kulturbrauerei weiter unterstützen werde – aber, und das sei der springende Punkt: in genehmigungsfähigen Räumen. Denn im jetzigen Zustand – mangelnde Fluchtwege, fragwürdige Statik und der fehlende Brandschutz – könne er die Haftung nicht übernehmen. Ammer führt durch die Brauerei samt Keller und Anbau, zeigt in manchen Räumen Gerümpel, behelfsmäßige Stromleitungen und seiner Einschätzung nach nicht sichere Holzöfen. „Wenn es da drin brennt und jemand stirbt, werde ich eingesperrt, weil ich hafte“, sagt er.
Er habe sich mit dem Kauf des Schlosses samt Gelände einen Traum erfüllt. „Und jetzt werde ich durch den Dreck gezogen“, sagt er, sichtlich gerührt.
Bis 31. August muss der Verein laut aktueller Vereinbarung die ehemalige Brauerei räumen. Dann werden die Gebäude umgebaut. Er plane weiterhin mit Proberäumen für Bands und eine Töpferwerkstatt. Wie lange die Umsetzung dauern würde, könne er nicht absehen. Die Wiese solle öffentlich zugänglich bleiben, der Verein könne wie bisher zwei Feste pro Jahr dort feiern. Als Ersatz für den Konzertraum, der dem Verein vermutlich verloren gehe, habe er dem Verein angeboten, wenige Meter entfernt ein eigenes Haus zu bauen. Wie er mit der Demütigung vom Montag nun umgehe, wisse er nicht. „Das tut verdammt weh.“










