Interview
Sterbeforscher Jakoby: "Ich weiß was auf mich zukommt, wenn ich sterbe"
Über den Tod und das Sterben nachdenken - viele können oder wollen das nicht und laufen davor weg. Bei Bernard Jakoby ist das anders: Jakoby hat Sterben zu seinem Lebensthema gemacht. Der gebürtige Cloppenburger arbeitet seit den Neunzigerjahren als Sterbeforscher. Durch seine Arbeit möchte er Menschen dabei helfen, mit dem Tod umzugehen. Seit dem Jahr 2000 hat der in Berlin lebende Autor 18 Bücher publiziert, die sich den Themen Sterben und Jenseits widmen. Darüber hinaus gibt Jakoby Vorträge, um den Tod aus der Tabu-Zone zu holen. Am Samstag, 9. November, 19.30 Uhr, referiert er unter dem Titel "Keine Angst vor dem Tod" im Magnobonus-Markmiller-Saal in Straubing. Im Interview mit Gäuboden aktuell geht der Sterbeforscher auf die großen Themen, wie "Leben nach dem Tod", "Nahtoderfahrungen" oder "Nachtodkommunikation" ein.
Gäuboden aktuell: Herr Jakoby, Sie arbeiten über 20 Jahre als Sterbeforscher. Gab es einen Auslöser weshalb das Thema "Tod" ihr Beruf wurde?
Bernard Jakoby: Der Auslöser war das vierjährige Krebssterben beider Eltern, die parallel von 1986 bis zu beider Tod 1990 erkrankt waren. Darüber hinaus hat sich meine Mutter im Augenblick ihres Todes bei mir verabschiedet. Ihre Seele ist durch mein Herz gegangen. Dieses Erlebnis war ausschlaggebend, mich mit dem Thema Tod und Sterben intensiv zu befassen.
Was macht ein Sterbeforscher in seinem Berufsalltag?
Jakoby: Zum einen führe ich viele Gespräche mit Menschen, die Nahtoderfahrungen oder Nachtodkontakte erlebt haben. Gleichzeitig setze ich mich mit den neuesten Forschungsergebnissen weltweit auseinander und schreibe Bücher. Ich helfe anderen dabei, mit Tod und Sterben umzugehen auch in Seminaren.
"Das Thema Sterben ist hochgradig angstbesetzt."
Dennoch ist für viele der Tod ein Tabu-Thema. Warum?
Jakoby: Das Thema Sterben ist hochgradig angstbesetzt. Es wird so lange gemieden, bis man selber damit konfrontiert ist, was Hilflosigkeit hervorruft. Wir wissen heute mehr als jemals zuvor darüber, was mit uns geschieht, wenn wir sterben, nicht zuletzt durch die Hospizbewegung und der millionenfachen Nahtoderfahrungen. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, sich möglichst frühzeitig einen Standpunkt zum Tod zu bilden. Das macht das Leben einfacher und angstfreier.
Dann fürchten Sie den Tod nicht?
Jakoby: Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ein langes körperliches Siechtum davor muss ich nicht haben.
Dennoch haben beim Gedanken an Tote viele ein Bild von schmerzverzerrten Gesichtern im Kopf. Tut Sterben weh?
Jakoby: Das ist abhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung. Sterben an sich ist nicht mit Schmerzen verbunden. Sterbebegleiterinnen haben immer wieder beobachtet, dass am Ende des Sterbeprozesses jeglicher Schmerz endet.
Die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, ist so alt wie die Menschheit. Für Sie aber ist es klar, dass es nach dem Tod weitergeht. Warum sind Sie davon überzeugt?
Jakoby: Gegenwärtig haben wir 60 Millionen Menschen, die Nahtoderfahrungen erlebt haben. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien in den letzten Jahren, die zum Schluss gekommen sind, dass das Bewusstsein, die Seele, unabhängig vom Körper weiter existiert.
Darüber hinaus erleben viele Menschen auf der ganzen Welt spontane Kontakte mit Verstorbenen.
Kann der Tod Erlösung sein?
Jakoby: Der Tod ist nicht das Schlimmste, was einem passieren kann, danach geht es einem immer besser.
Welches Gefühl verspüren Sie, wenn Verwandte oder nahe Freunde sterben?
Jakoby: Wenn ein geliebter, nahe stehender Mensch stirbt, ist das immer auch mit einer Verlusterfahrung verbunden. Da kann man noch so viel über den Tod und das Leben danach wissen.
Sie haben unzählige Stunden Nahtoderfahrungen erforscht. Würden Sie selbst gerne eine Nahtoderfahrung durchmachen?
Jakoby: Ich habe durch die intensive Auseinandersetzung mit den Nahtoderfahrungen das Gefühl, selbst drei derartige Erlebnisse gehabt zu haben. Ich weiß, was auf mich zukommt, wenn ich sterbe.
"Die meisten kehren eher widerwillig in ihren Körper zurück."
Wie sieht eine Nahtoderfahrung aus?
Jakoby: Zunächst verlässt die Seele den Körper und stellt fest, dass Raum und Zeit nicht länger existieren. Das Bewusstsein erweitert sich und alles wird gleichzeitig gegenwärtig. Wenn jemand an einen bestimmten Menschen denkt, befindet er sich unmittelbar in seiner Gegenwart und kann später beschreiben, was diese Person zu dem Zeitpunkt getan hat. Viele sprechen von einem Tunnel, den sie durchquert haben, an dessen Ende ein helles Licht aufscheint. Die Begegnung mit dem Licht ist von einer alldurchdringenden, bedingungslosen Liebe gekennzeichnet. Das Licht wird von zahlreichen Erlebenden als Gotteserfahrung beschrieben. Dann erfolgt die Lebensrückschau, bei der wir uns ungeschminkt ins Gesicht sehen. Die meisten kehren eher widerwillig in ihren Körper zurück.
Dennoch polarisieren Nahtoderfahrungen in der Wissenschaft. Für Sie muss das unverständlich sein...
Jakoby: Die Ignoranz von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen über Nahtoderfahrungen seitens anderer ist für mich überhaupt nicht wichtig.
In ihrem aktuellen Buch "Trost und Hilfe aus dem Jenseits" widmen Sie sich der Nachtodkommunikation. Was versteht man darunter?
Jakoby: Nachtodkontakte sind Begegnungen mit Verstorbenen. Die Kontaktaufnahme geht vom Verstorbenen aus. Das kann in Form eines Gegenwartsempfindens stattfinden. Die meisten Menschen, die derartiges Erleben, wissen sofort, wessen Nähe sie spüren. Andere haben Geruchswahrnehmungen, oder erleben spezifische Berührungen und natürlich kommt es zu intensiven Begegnungen im Traum. Unter Nachtodkommunikation verstehen wir länger andauernde Kontakte mit Verstorbenen, die Botschaften aus der geistigen Welt übermitteln.
Ist es möglich, gezielt mit einem Verstorbenen Kontakt aufzunehmen? Wenn ja, wie?
Jakoby: Wir können nur darum bitten und den Verstorbenen einladen oder versuchen, durch Meditation eine Verbindung herzustellen.
"Wenn jemand nicht mehr kann oder will, sollte man ihn sterben lassen."
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat vergangenen Sommer entschieden, dass Ärzte sterbewilligen Patienten nicht das Leben retten müssen. Wie stehen sie dem gegenüber?
Jakoby: Außenstehende können nicht darüber befinden, inwieweit Schmerzen noch aushaltbar sind oder nicht. Wenn jemand nicht mehr kann oder will, sollte man ihn sterben lassen. Wir alle wollen doch im Grunde selbstbestimmt sterben.
Sich ständig mit dem Tod zu beschäftigen ist sicher aufwühlend und fordernd. Wie kann ein Bernard Jakoby abschalten?
Jakoby: Durch lange Spaziergänge in der Natur, durch musikhören oder Filme gucken. Dazwischen gibt es auch Wochen, in denen das Thema nicht so präsent ist.










