Zeitreise ins 20. Jahrhundert
Simon Klesse (15) informiert über das Walchenseekraftwerk

Das vor über 90 Jahren ans Netz gegangene Kraftwerk am Walchensee produziert im Jahr etwa 300 Millionen Kilowattstunden Strom. (Foto: Frank Mächler/dpa)

Schon von Weitem erkennt man die riesigen grünen Druckrohre, die sich deutlich von dem starken Gefälle zwischen Walchen- und Kochelsee und den bayerischen Voralpen abheben. Auf den ersten Blick scheinen sie im Nichts zu verlaufen. Sie gehören zum Walchenseekraftwerk, das von der Eon Wasserkraft GmbH betrieben wird. Diese Kraftwerksanlage befindet sich bei Kochel am See, unweit der Grenze zu Österreich. Hier lebt Industriegeschichte des 20. Jahrhunderts auf.
Das Walchenseekraftwerk ist ein sogenanntes Speicherkraftwerk. Diese Anlagen nutzen den Höhenunterschied zwischen einem hochgelegenen Speichersee, in diesem Falle der Walchensee, und dem tiefergelegenen Kraftwerk. Dabei strömt das Wasser des höheren Sees zunächst durch einen unterirdischen Stollen und gelangt dann ins Wasserschloss. Dies ist ein Gebäude, das wenige Meter unterhalb des Walchensees in den Berg gebaut ist und ein etwa 10 000 Kubikmeter fassendes Rückhaltebecken beinhaltet. Dieses Becken gleicht Druckschwankungen aus, die beispielsweise durch das An- und Herunterfahren der Turbinen entstehen können. In den langen grünen Rohren stürzt das Wasser nun mit einer gewaltigen Geschwindigkeit den Berg hinunter. Es fließt dabei so schnell, dass es die Schaufelräder der Turbinen antreiben kann. Diese wiederum sind mit Generatoren verbunden, welche schließlich Strom erzeugen. Danach fließt das Wasser durch einen Auslaufkanal in den tiefergelegenen Kochelsee. Somit wird die Höhenenergie des Berges in die Bewegungsenergie des Wassers und schließlich in elektrischen Strom umgewandelt.
Das Walchenseekraftwerk gilt heute als eines der größten und leistungsstärksten Wasserkraftwerke Deutschlands. Gebaut wurde es 1924. Damals war es die größte Wasserkraftanlage weltweit. Der Stahl, der damals für die Druckrohre verwendet wurde, entspricht auch heute noch den technischen Anforderungen, obwohl zu Baubeginn des Walchenseekraftwerks gerade der Erste Weltkrieg zu Ende war (also 1918) und die Rohstoffe nur in sehr geringen Mengen zu Verfügung standen.
Großbaustelle Walchenseekraftwerk
Als erster erkannte der deutsche Bauingenieur Oskar von Miller (1855-1934) die günstige geografische Lage des Walchen- und Kochelsees. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, Bayern flächendeckend mit Strom aus Wasserkraft zu versorgen. Deshalb trieb er auch den Bau des Kraftwerks voran. Schließlich stimmte der Bayerische Landtag am 21. Juni 1918 dem Bau dieser Kraftwerksanlage zu und von Miller wurde Projektleiter. In den Folgejahren fanden über 2 000 Arbeiter und Ingenieure auf der "Großbaustelle Walchenseekraftwerk" Arbeit. In dem sehr dünn besiedelten Gebiet mussten eigens Straßen, Wohnungen und teils auch andere, kleinere Wasserkraftwerke gebaut werden, um die verwendeten Maschinen betreiben zu können. Am 24. Januar 1924 strömte zum ersten Mal Wasser durch die Rohre.
Heute produziert dieses Kraftwerk jährlich 300 Millionen Kilowattstunden elektrischen Strom, von denen in etwa 75 Prozent in das allgemeine 110-Kilovolt-Stromnetz fließen. Die restlichen 25 Prozent werden in das Oberleitungsnetz der Deutschen Bahn eingespeist.
Vor wenigen Jahren wurde auf dem Areal des Walchenseekraftwerks, das seit 1983 geschütztes Industriedenkmal ist, ein neues Informationszentrum gebaut. Dieses wartet mit moderner Informationstechnik, interaktiven Touch-Screen-Terminals und Kommunikationstafeln auf. Zusammen bilden die Maschinenhalle mit Turbinen und Generatoren und das Informationszentrum einen reizvollen Kontrast, der den Wandel der Architektur in mehr als 100 Jahren verdeutlicht.








