Soldat verletzt
Nach Schusswechsel in Erding: Übung soll trotz Zwischenfall weitergehen


Zwei Tage nach dem beinahe fatalen Irrtum eines bayerischen Polizisten und dem versehentlichen Schuss auf einen Bundeswehrsoldaten in Erding tun sich die Behörden mit der Aufarbeitung des Vorfalls schwer.
Die bayerische Polizei hat nach eigenen Angaben erst ab Donnerstag mit einem Beginn des Übungsszenarios der Bundeswehr in Bayern gerechnet. Dies teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Nord nach dem Schuss auf einen Bundeswehr-Soldaten durch die bayerische Polizei bei einer Übung am Mittwochabend im oberbayerischen Erding mit.
Die für die Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz geplanten und angemeldeten Übungen der Bundeswehr im Rahmen der „Marshal Power“ genannten Großübung seien der bayerischen Polizei bekannt gewesen, hieß es. Der Beginn der Übungen sei für alle Regierungsbezirke für Mittwoch angemeldet gewesen, der Start der ersten Lage im Übungsszenario der Bundeswehr allerdings erst für Donnerstag angekündigt gewesen.
Am Mittwochabend hätten dann Kräfte der Feldjäger im Rahmen der sogenannten Anmarschphase der Bundeswehr bereits ihre Einsatzräume im Bereich von Altenerding bezogen. «Der genaue Zusammenhang zwischen diesen Aktivitäten, dem Notruf aus der Bevölkerung und dem bekannten Polizeieinsatz wird derzeit durch die Staatsanwaltschaft Landshut geprüft», teilte das Präsidium mit.
Übung soll wie geplant fortgesetzt werden
Trotz des Zwischenfalls soll die mehrtägige Übung aber weitergehen. Das teilte die Bundeswehr auf ihrer Internetseite mit. Zur Ursache des Zwischenfalls hieß es dort lediglich: „Der Sachverhalt wird aktuell von den verantwortlichen Behörden und der Bundeswehr im engen Schulterschluss analysiert.“
Die bayerische Polizei ging nach dem Vorfall am Mittwochnachmittag zunächst von einer "Kommunikationspanne" als Ursache aus. „Wir wussten nicht, dass zu diesem Zeitpunkt dort geübt wird“, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. „Bei der Übung war die Polizei in Erding auch nicht involviert.“
Landkreis vorab nicht explizit als Übungsort benannt
Über die großangelegte, für mehrere Tage in verschiedenen Regionen mit verschiedenen Manövern geplante gemeinsame Übung "Marshal Power" habe man zwar Bescheid gewusst, sagte der Polizeisprecher. Allerdings sei nicht bekannt gewesen, dass deswegen am Mittwoch in Erding bewaffnete Kräfte unterwegs sein könnten. Jetzt werde „intensiv geprüft“, wo es zu einer „Kommunikationspanne“ gekommen sein könnte.
Der zuständige Landrat bezeichnete die missglückte Kommunikation zwischen Polizei und Bundeswehr als „absolute Katastrophe“. „Ich bin bestürzt über diesen Zwischenfall, bei dem ein Soldat von scharfer Munition getroffen und verletzt wurde“, sagte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) laut einer Mitteilung seiner Behörde. Es müsse sichergestellt werden, dass sich so etwas nie wiederholen könne. Der Landkreis Erding und die betroffenen Städte, Märkte und Gemeinden seien im Vorfeld der Übung im September 2025 über das grundsätzliche Prozedere informiert worden, die genauen Abläufe seien jedoch nicht mitgeteilt worden. Das bestätigte auch die Bundeswehr. Nach deren Angaben war die Übung zwar vorab mit den Kommunen und Behörden abgestimmt, der Landkreis Erding war aber nicht explizit als Ort des Geschehens benannt.
Der Oberbürgermeister der Stadt Erding, Maximilian Gotz (CSU), übt ebenfalls scharfe Kritik an Bundeswehr und bayerischer Polizei. In einem Instagram-Post sprach Gotz von einem „Kommunikationsdesaster".
„Das Landratsamt als untere Katastrophenschutzbehörde sowie die Führungsgruppe Katastrophenschutz waren nicht Teil der Übung“, heißt es in der Mitteilung des Landratsamtes. Die Kommunikationshoheit habe ausschließlich bei der Bundeswehr gelegen.
Herrmann hat noch keine Erklärung
Fast 48 Stunden nach dem beinahe fatalen Schuss eines Polizisten auf einen Bundeswehr-Feldjäger in Erding hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) keine Erklärung liefern können, wie es zu dem Vorfall kommen konnte. Herrmann sprach nur allgemein von offensichtlich mangelhafter Kommunikation. "Wir werden jetzt sehr zeitnah gemeinsam mit der Bundeswehr und den zuständigen Behörden prüfen, wo die Kommunikationswege verbessert werden müssen. So ein Vorfall darf sich nicht noch einmal ereignen", sagte Herrmann laut einer Mitteilung seines Ministeriums. Der Innenminister ist oberster Dienstherr der bayerischen Polizei.
"Dieser Vorfall wird intensiv gemeinsam aufgearbeitet, um diese Zusammenarbeit auch in Zukunft fortzuführen und weiter zu stärken", fuhr Herrmann fort. Die Bevölkerung müsse über Übungen der Bundeswehr und der Polizei im öffentlichen Raum frühzeitig und transparent über die Kommunen informiert werden. "Wir prüfen derzeit genau, warum dies in diesem Fall offenbar nicht ausreichend geschehen ist und wie wir die Informationskette in Zukunft verbessern können", sagte Herrmann.
Polizei wurde wegen Mann mit Waffe gerufen
Alarmiert worden war die Polizei nach eigenen Angaben am Mittwoch gegen 17 Uhr, weil jemand in einem Stadtteil von Erding einen bewaffneten Mann gesehen hatte. Daraufhin habe die Einsatzzentrale „starke Kräfte“ dorthin geschickt, es fielen Schüsse. Dabei wurde einer der Bundeswehr-Soldaten getroffen und verletzt.
Erst im Nachgang habe sich herausgestellt, dass der Mann wegen der Übung dort bewaffnet unterwegs war, teilte die Polizei mit. Der Verletzte wurde in ein Krankenhaus gebracht, aber noch am Abend wieder entlassen.
Bundeswehr-Soldaten sollten auch als bewaffnete Kämpfer agieren
Eigentliches Ziel der Großübung "Marshal Power" war laut Bundeswehr, mit mehreren Hundert Beteiligten den Kampf im "rückwärtigen Raum" hinter einer fiktiven Frontlinie im Verteidigungsfall zu üben – mit Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften. Die Einsatzkräfte sollten laut Bundeswehr dabei in der Öffentlichkeit unter anderem das Vorgehen gegen "irreguläre Kräfte" trainieren. Damit sind bewaffnete Kämpfer gemeint, die keiner staatlichen Armee zuzurechnen sind.
Die Bundeswehr hatte vor der Übung angekündigt, dass dabei Feldjäger auch als "irreguläre Kräfte" im Einsatz seien. Ob die bei von der Polizei beschossenen Soldaten in dieser Rolle unterwegs waren, war zunächst nicht klar. Ebenfalls offen war, wer zuerst auf wen eine Waffe richtete.
Ob die lang geplante Übung in zwölf bayerischen Landkreisen jetzt wie geplant bis 29. Oktober weitergeht, ist unklar. Offiziell lautet die Sprachregelung: Die Bundeswehr stehe in engem Austausch mit den verantwortlichen Ermittlungsbehörden vor Ort, um die Sache schnellstmöglich aufzuklären.
Großübung Marshal Power
Eigentliches Ziel der Großübung „Marshal Power“ die bis zum 29. Oktober dauern und in zwölf bayerischen Landkreisen stattfinden soll: Mit mehreren Hundert Beteiligten soll der Kampf im „rückwärtigen Raum“ hinter einer fiktiven Frontlinie im Verteidigungsfall geübt werden - zusammen mit Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften.
Die Einsatzkräfte sollen laut Bundeswehr das Vorgehen gegen Bedrohungen wie Drohnen, Sabotage und „irreguläre Kräfte“ trainieren. Letzteres meint bewaffnete Kämpfer, die keiner staatlichen Armee zuzurechnen sind. Angenommen wird dafür ein Szenario, in dem ein Nato-Mitgliedsstaat angegriffen wird und das Bündnisgebiet verteidigt werden muss.
Das Besondere: Die etwa 500 Soldaten der Feldjäger und die rund 300 zivilen Einsatzkräfte üben nicht auf abgezäunten Truppenübungsplätzen, sondern in der Öffentlichkeit. Die Übung war nach Angaben der Bundeswehr mit den Kommunen und Behörden abgestimmt.














