60 Bewohner

Dreck und Ratten: Hygienische Missstände in Schierlinger Notunterkunft

In einer ehemaligen Schreinerei wohnen 60 Geflüchtete. Es gibt hygienische Missstände, unter denen die Bewohner leiden. Betreiber der Notunterkunft ist das Landratsamt.

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Eine Ratte begutachtet den Hausmüll. Sie soll nicht die einzige sein, die in dem Gebäude ihr Unwesen treibt.

Eine Ratte begutachtet den Hausmüll. Sie soll nicht die einzige sein, die in dem Gebäude ihr Unwesen treibt.

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Der stechende Geruch von Reinigungsmitteln steigt einem in die Nase. Putzkräfte wischen noch den Boden im Gemeinschaftsbereich der Schierlinger Asyl-Notunterkunft im Gewerbegebiet Fruehaufstraße. Es ist ein angekündigter Besuch. Der Anlass: Schilderungen über untragbare hygienische Zustände.

60 Geflüchtete leben aktuell in der ehemaligen Schreinerei, die dem Landratsamt Regensburg seit Dezember 2022 als Notunterkunft für Geflüchtete dient. Mehrere Personen haben unserer Mediengruppe geschildert, dass Bewohner unter den hygienischen Bedingungen leiden würden. Betroffene berichten von körperlichen und geistigen Symptomen, von Depressionen und Hautausschlägen.

Es sei dreckig. Sehr dreckig. Sie berichten von Ratten in der Küche. Das Rattenproblem gibt das Landratsamt Regensburg offen zu, seit einigen Wochen hätten sich die Nager Zugang zum Gebäude verschafft. Es seien Maßnahmen zu ihrer Beseitigung ergriffen worden.

So sehen die Betten aus, teilweise verhüllt für ein bisschen Privatsphäre.
So sehen die Betten aus, teilweise verhüllt für ein bisschen Privatsphäre.
So sehen die Betten aus, teilweise verhüllt für ein bisschen Privatsphäre.
Der Schimmel verbreitet sich.
Der Schimmel verbreitet sich.
Der Schimmel verbreitet sich.
Das Loch in der Wand.
Das Loch in der Wand.
Das Loch in der Wand.
Der verschmutzte und beschädigte Waschraum.
Der verschmutzte und beschädigte Waschraum.
Der verschmutzte und beschädigte Waschraum.
Die Kochplatten sind von Bewohnern herausgerissen worden.
Die Kochplatten sind von Bewohnern herausgerissen worden.
Die Kochplatten sind von Bewohnern herausgerissen worden.
Die Toiletten.
Die Toiletten.
Die Toiletten.
Ein Teil der Küche.
Ein Teil der Küche.
Ein Teil der Küche.

Maßnahmen zur Beseitigung von Ratten

Die Bewohner würden die Ratten füttern und Lebensmittel offen in ihren Zimmern lagern, sagt ein Mitarbeiter des Landratsamtes. Personen aus der Unterkunft weisen dies vehement zurück, niemand würde Ratten füttern, das sei schon alleine mit dem Glauben vieler Bewohner nicht vereinbar. Denn nach islamischer Überzeugung gelten Ratten als unsaubere Tiere, zu denen man direkten Kontakt vermeiden sollte.

Die rund 60 Bewohner verteilen sich auf etwas mehr als zehn Zimmer. In jedem Zimmer leben laut Landratsamt im Durchschnitt sechs Männer, das sei bereits ein Zugeständnis und eine Abweichung von der ursprünglich geplanten Belegung mit acht Personen pro Zimmer. Die Trennwände zwischen den Zimmern schließen nicht mit der Decke ab, man hört jedes Gespräch, jeden Ton durch die Unterkunft hallen. Kleiderschränke gibt es in den Zimmern keine. Die Klamotten werden in Tüten gelagert - eine andere Möglichkeit bleibt in den schmalen Gängen zwischen den Stockbetten nicht. Zusätzlich gibt es einen kleinen Kühlschrank pro Zimmer. Er ist rund 60 Zentimeter hoch.

Die Wände sind aus Gips, auf einem der Redaktion vorliegenden Foto klafft ein Loch in der Wand. Ein Bewohner habe die Zustände der Toiletten nicht mehr ausgehalten, sei verzweifelt gewesen, weil er nicht mehr gewusst habe, wo er aufs Klo gehen könne, und habe gegen die Wand geschlagen, heißt es von Bewohnern. Beim Vor-Ort-Termin ist von dem Loch nichts mehr zu sehen. Dass es da war, bestätigt der zuständige Sachbearbeiter vor Ort.

Schimmel in den Duschen und dreckige Toiletten

Toiletten und Duschen gibt es für die 60 Bewohner jeweils vier. Laut Landratsamt ist das ausreichend. Die sanitären Einrichtungen seien bei Begehungen meist gar nicht alle belegt. Die Nutzungszeiten seien vor allem aufgrund des Schichtdienstes einiger Bewohner sehr unterschiedlich. Die Toiletten sind stark verschmutzt, das wird auf den Bildern deutlich. Den Bewohnern graust es, sie zu benutzen. Beim Besuch der Unterkunft sind die Toiletten in einem gerade so akzeptablen Zustand. Aus der Unterkunft wird berichtet, dass vor dem Besuch tagelang auf Hochtouren sauber gemacht worden sei. Ein weiteres Problem sei, dass man die Toiletten nicht von innen abschließen könne. Auch das bestätigt das Landratsamt. Man habe sich zu dem Schritt entschieden, weil mehrmals pro Woche mutmaßlich Bewohner von innen zugeschlossen hätten und dann über die Trennwand geklettert seien. Das Klo sei somit nicht mehr zugänglich gewesen. In den Duschkabinen hat sich Schimmel verbreitet, auch das lassen die Fotos erkennen und beim Besuch sind noch die dunkelgelben Ränder zu sehen.

Das enge Zusammenleben und die hygienischen Zustände seien so belastend, dass viele Bewohner den ganzen Tag in Regensburg verbringen würden, an der Universität lesen und lernen oder im Fitnessstudio duschen. Manch einer schlafe sogar tagsüber auf der Wiese vor der Universität, weil es nachts schlicht und einfach zu laut sei. Die Lichter werden abends zentral aus- und morgens wieder angeschaltet.

Das Landratsamt sagt, es gebe Rückzugsräume zum Lernen und Lesen in der Unterkunft und verweist darauf, dass ein Drittel der Bewohner sogenannte „Fehlbeleger“ seien. Das bedeutet, dass sie eine Aufenthaltserlaubnis haben und sich eine Wohnung suchen müssten. Das Problem ist bloß: In Schierling ist Wohnraum zur Miete kaum vorhanden und wenn doch, teuer. Rund 20 Bewohner arbeiten bei ortsansässigen Unternehmen. Sie sind an Schierling gebunden, brauchen eine Wohnung vor Ort.

Ein Drittel der Bewohner sind „Fehlbeleger“

Der Sachbearbeiter des Landratsamts verweist bei der gemeinsamen Begehung der Räume auch immer wieder auf seine Unterstützung bei der Arbeitssuche, die schon in vielen Fällen sehr erfolgreich verlaufen sei. Es gebe „ein paar Störenfriede“, die man auch nicht loswerden könne. Sie würden die Unterkunft verdrecken und verwüsten. So würden zum Beispiel immer wieder die Flusensiebe der Waschmaschinen aufgedreht und somit der Waschkeller geflutet. Bewohner der Unterkunft bestreiten das, die Waschmaschinen seien defekt. Das lässt sich vor Ort nicht abschließend klären. Was war zuerst da, der Schaden oder die Zerstörung?

Gereinigt werde jeden Tag drei bis vier Stunden, das betont der Sachbearbeiter. Laut Bewohnern seien die Putzkräfte drei bis vier Stunden täglich vor Ort, ja, aber teilweise täten sie nichts oder wischten nur den Boden des Gemeinschaftsraums neben der Küche und des Eingangsbereichs.

Eine große Reinigungsfirma aus der Region, die selbst nicht in Verbindung mit der Unterkunft steht, berichtet auf Anfrage unserer Mediengruppe von einer Häufung solcher hygienischer Missstände in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete. Die Gründe dafür könnten Überbelegung, räumliche Enge, bauliche Mängel und fehlende Privatsphäre sein. Es müsse sich bei solchen Bildern nicht unbedingt um eine Vernachlässigung der professionellen Reinigung handeln.

Die Notunterkunft soll ein Ort sein, der für eine Notsituation, die Erstankunft, ausreichend ist. Nach wenigen Monaten sollte sich eigentlich eine Alternative gefunden haben, so sei es auch den Bewohnern vermittelt worden. Das Landratsamt antwortet hier erneut mit dem Argument der Fehlbelegung. Viele seien ja anerkannt, könnten sich eine Wohnung suchen. Wenn sie aber keine finden, blieben sie eben vor Ort, man wolle sie nicht „in die Obdachlosigkeit entlassen“.

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