Familienmensch

Die Pailletten-Jacke

Es gibt etwas, das mich tatsächlich immer wieder aufs Neue erstaunt: wie unterschiedlich ich und die kleine Madame doch in Sachen Mode und Äußerlichkeiten sind. Während ich eher schlichte Farben und praktische Kleidung bevorzuge, und auch keinen sonderlich guten Modegeschmack habe, liebt die Fünfjährige alles, was glitzert, rosa, lila und pink ist.

Während ich also beim Bub rein modetechnisch den Geschmack beim Einkaufen immer recht gut treffe (was daran liegt, dass es ihm wurscht ist, was er anhat – zumindest noch), liege ich bei der kleinen Madame immer daneben.

Deshalb haben sich kürzlich ihre Tanten erbarmt und ihr zum Geburtstag eine Einkaufstour geschenkt. Die haben als Kinder modemäßig ähnlich getickt und somit mehr Verständnis als ich. Und was soll ich sagen: Nach fünf Stunden Einkaufszentrum kommt die kleine Madame nach Hause mit einer riesigen Tüte voller Glitzer-Oberteilen, Tüll-Kleidchen und lila-pinken Leggins. Doch das absolute Highlight ist eine rosa, glitzernde Pailletten-Jacke. Als ich sie auspacke, trifft mich fast der Schlag, während sich im Gesicht der kleinen Madame nichts als Glückseligkeit spiegelt.

Ab diesem Tag ist die Pailletten-Jacke ihr (und mein) täglicher Begleiter. Als ich einmal mit ihr in der Fußgängerzone unterwegs bin, kann ich sehen, wie die Kleine mit ihrem Glitzer-Outfit die Blicke auf sich zieht. Das wiederum liegt vielleicht auch daran, dass der ein oder andere Passant von den Lichtblitzen geblendet wird, die von der Jacke abprallen, sobald die Sonne darauf scheint. Ich gehe also mit der kleinen rosa Discokugel weiter durch die Stadt und bleibe an einer Fußgänger-Ampel stehen. Neben uns stellt sich eine junge Frau hin, schaut auf die kleine Madame, die kleine Madame schaut zurück und als sich ihre Blicke treffen, sagt die junge Frau: „Mensch, hast du eine hübsche Jacke an. Da bist aber fesch damit.“ Die Kleine antwortet trocken „Des woaß i son“ und geht einfach weiter. Angesichts der Arroganz meiner Tochter werfe ich der Frau ein entschuldigendes Lächeln zu und eile der kleinen Madame hinterher.

Als ich ihr erkläre, dass man sich auch mal bedanken darf, wenn einem jemand ein Kompliment macht, schaut sie mich etwas ratlos an und sagt: „Oba i woaß ja, dass die Jackn guat aussaut.“ Also: Falls Ihnen einmal ein in rosa Glitzer-Pailletten gehüllter laufender Meter entgegenkommt, bloß nicht ansprechen. Das ist meine Tochter, und sie weiß, dass sie gut ausschaut.

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