Kinderhospiz
Ein Ort voller Leben für lebensbedrohlich erkrankte Kinder
"Klack, klack, klack", über das Gerät zur Schlafüberwachung der Kinder ist ein Schnalzgeräusch zu hören. "Das ist die Sara", sagt Petra Schmidt, eine der Pflegekräfte der Frühschicht. Die siebenjährige Sara (alle Namen geändert) ist die Erste, die heute um sieben Uhr aufwacht. Zwei andere Kinder, die ebenfalls die Nacht im Haus Anna verbracht haben, schlafen noch.
Gitti Lederer ist für die morgendliche Versorgung von Sara verantwortlich. Sara liegt in einem Holzbett mit hohen Seitenverkleidungen. Die gepolsterten Wände dienen als Schutz für motorisch sehr aktive Kinder. Lederer hebt Sara aus dem Bett und setzt sie in einen Dusch- und Toilettenrollstuhl. Im Bad putzt Gitti Lederer dem Mädchen die Zähne und wäscht sie mit einem Waschlappen. Zurück im Zimmer versorgt Lederer die Buttonsonde von Sara. Die Buttonsonde führt in den Magen und ermöglicht die direkte Zuführung von Nahrung, Wasser und Medikamenten. Lederer säubert den Bereich um die Sonde vorsichtig mit einem Tuch und befestigt anschließend einen neuen Verband auf dem Bauch. Fertig angezogen und gewickelt, wird Sara in ihrem Rollstuhl mit bunt blinkenden Rollen in den Gemeinschaftsbereich gefahren.
Der Gemeinschaftsbereich ist ein offener Raum mit Küche, drei runden Tischen, einer Spielecke und Polstermöbeln. Ein großer grüner Drache lädt zum Kuscheln ein, eine Wassersäule macht blubbernde Geräusche und Bilderbücher von Lauras Stern und Pippi Langstrumpf stehen in einem Bücherregal bereit zum Schmökern.
Gitti Lederer öffnet den Medikationsplan sowie den Essens- und Trinkplan von Sara auf dem Laptop. Sara soll unter anderem ein Medikament zur Behandlung von epileptischen Anfällen und einen Magenschoner bekommen. Lederer gibt die Tabletten in einen kleinen blauen Mörser und vermischt das entstandene Pulver mit Wasser. Sara bekommt die Flüssigkeit mit einer Pumpe direkt in die Buttonsonde. Das Mädchen greift nach Gitti Lederers Arm und grinst sie an. "Du Schmuser, du", sagt Lederer und stupst Sara auf die Nase.
Ein in Niederbayern einzigartiges Angebot
Im September 2023 eröffnete mit dem Haus Anna in Eichendorf (Landkreis Dingolfing-Landau) das erste ambulante Kinderhospiz in der Region. Das Haus Anna wird von der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM), betrieben, das 2025 sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Die Stiftung mit Zentren in Oberbayern und Niederbayern, finanziert sich zu zwei Dritteln durch Spenden.
"Kinderhospiz meint nicht gleich Sterben", sagt Lederer. Das Haus Anna bietet schwerkranken Kindern und ihren Angehörigen eine Entlastung im Alltag. Deshalb ist es Pflegedienstleiterin Daniela Safajoo auch wichtig zu betonen, dass zu ihnen keine Patienten, sondern Gäste kommen.
Die Gäste eint, dass alle an schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden. Etwa durch Gendefekte, Muskelerkrankungen, Herzfehler oder infolge von Unglücksfällen. Die Aufenthaltsdauer variiert je nach Lebenssituation. Die meisten Kinder sind regelmäßig für wenige Nächte im Haus Anna, aber auch ein Aufenthalt über mehrere Monate ist möglich. Neben dem Gemeinschaftsraum gibt es verschiedene Therapieräume. Im Physioraum sind die Kinder besonders vom Bällebad begeistert. Im Musikraum können Klangschalen oder Trommeln gespielt werden. Im gelb und blau beleuchteten Snoezelen-Raum steht ein beheiztes Wasserbett, in dem die Kinder zur Ruhe kommen können. Im Werkraum können die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Auch Abschiednehmen kann ein Teil der Erfahrung im Haus Anna sein. In einem Abschiedszimmer haben Angehörige die Möglichkeit, sich in Ruhe von ihren Liebsten zu verabschieden.
Der Vormittag neigt sich dem Ende zu. Petra Schmidt hat den Baderaum vorbereitet. Ruhige Gitarrenmusik klingt durch den Raum und eine Babywanne mit Winnie Puuh-Motiv ist mit einem Schaumbad gefüllt. Bevor Marc (1) gebadet werden kann, müssen von seinem Bauch die drei Elektroden, die ihn ganztägig an einen Monitor anschließen, entfernt werden. Petra Schmidt drückt mit ruhigen Bewegungen immer wieder einen Waschlappen über Marcs Brust aus. Er atmet ruhig und schläft während dem Baden ein. Nachdem Schmidt den Jungen abgetrocknet hat, massiert sie ihn mit einem Mandel-Lavendel-Öl. Diese Aromatherapie soll beruhigend auf Marc wirken, da er oft von Unruhe und Schmerzen geplagt ist.
Unterstützung für die ganze Familie
Mittlerweile ist es Zeit für das Mittagessen. Über eine Lautsprecherbox hört Luise (8) das Hörspiel vom "König der Löwen" während Daniela Keser, eine weitere Krankenschwester, sie mit einem Brei aus Fisch und Kartoffeln füttert. Heute isst Luise besonders gut und schafft etwas mehr als die halbe Portion.
Sara sitzt an den großen grünen Drachen gelehnt auf einer Matte und bekommt über ihre Buttonsonde das Mittagessen. Nachdem alle Kinder ihr Mittagessen bekommen haben, endet die Frühschicht mit der Übergabe an die Kollegen und Kolleginnen der Spätschicht.
In jedem Zimmer steht ein ausziehbares Sofa, damit die Angehörigen in der ersten Zeit bei ihren Kindern sein können. Während der Aufenthalte versucht das Pflegepersonal, den Alltag möglichst wie zu Hause weiterzuführen. Angehörige haben jederzeit die Möglichkeit, sich nach ihren Kindern zu erkundigen. Kurz nachdem Sara aufgewacht ist, hat Gitti Lederer mit ihrer Mutter telefoniert und von der Nacht berichtet.
In Landshut finden Angehörige von pflegebedürftigen Kindern zudem eine allgemeine Beratungsstelle des Ambulanten Kinderhospiz München. Dort erhalten sie beispielsweise psychosoziale Begleitung oder Informationen zur Finanzierung von Hilfsangeboten. Pflegedienstleiterin Daniela Safajoo sagt: "Die Eltern müssen für die Annahme der Entlastung bereit sein. Oft ist dann eine große Erleichterung zu spüren."