Debatte um Kernkraft
Grüne: Söders kanadischer Wunsch-Atommeiler ist 66 Jahre alt

Peter Kneffel/dpa
Nach dem Austritt Deutschlands aus der Kernenergie fordert CSU-Chef Markus Söder neue Wege zur Nutzung der Atomkraft. Sein Verweis auf kanadische Mini-Meiler sorgt nun für Kritik von den Grünen. (Archivbild)
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder beruft sich aus Sicht der Grünen bei seinem Ruf nach neuen Mini-Atommeilern für Deutschland auf einen 66 Jahre alten Forschungsreaktor aus Kanada. Sie verweisen dabei auf eine Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine entsprechende Anfrage des energiepolitischen Sprechers der Fraktion, Martin Stümpfig. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur in München vor.
„Markus Söder hat wieder einmal den Menschen im Land und auch dem Bayerischen Landtag bewusst Märchen erzählt. Er spricht von mehreren wundersamen smarten kanadischen Minireaktoren. In der Realität bleibt dann nur ein einziger kanadischer Reaktor, der so alt ist wie die ersten Farbfernseher und bis heute keine einzige Kilowattstunde Strom erzeugt hat“, sagte Stümpfig.
Unter anderem betreibe Kanada mit dem „McMaster Nuclear Reactor (MNR) an der McMasterUniversity einen Forschungsreaktor, der technisch und organisatorisch in mehreren Aspekten in die Kategorie "Small Modular Reactor" fällt“, heißt es wörtlich in der Antwort des Ministeriums. Stümpfig hatte die Staatsregierung nach dem in Kanada in Betrieb befindlichen Atommeiler gefragt, auf den sich CSU-Chef bei seiner politischen Forderung nach dem Bau von Mini-Atomkraftwerken bezogen habe.
Söder hatte zuvor in der „Welt“ erklärt: „Es geht nicht darum, dass wie früher große Meiler hochgezogen werden. Ich spreche von kleineren, smarten Reaktoren, wie es sie in Kanada bereits gibt.“ Auch in seiner Regierungserklärung im Landtag wiederholte Söder seine Forderung, wenn auch etwas defensiver formuliert: „Und natürlich sollten wir auch neue smarte Kernreaktoren prüfen, wie sie in Kanada und in der Schweiz auf den Weg gebracht werden.“
Für Stümpfig ist die Antwort des Ministeriums auf den kanadischen Meiler aus dem Jahr 1959 ein Offenbarungseid. Die Falschinformation reihe sich „nahtlos in seinen Atomwahn ein, in dem er zuletzt Experten zur Reaktivierung von Isar 2 frei erfunden hat“. Es sei erschreckend, wie weit sich der Ministerpräsident von den Fakten entferne und den Menschen Sand in die Augen streue. „Die Atommärchen von Söder müssen endlich aufhören, denn sie schaden dem Ansehen Bayerns in der Welt und lösen nicht ein einziges Energieproblem.“
Für Stümpfig ist dabei besonders brisant, dass der besagte Reaktor einer der ältesten Reaktoren weltweit sei. „Er wurde rein zu Forschungszwecken vor allem im medizinischen Bereich entwickelt und hat bis heute noch keine einzige Kilowattstunde Strom ins kanadische Netz eingespeist.“
In der Wissenschaft sei es zudem Konsens, dass kleine Atomreaktoren erst ab einer sehr hohen Stückzahl von rund 1.000 Atomreaktoren in die Nähe einer Wirtschaftlichkeit für Bau und Betrieb gelangten und ansonsten die Stromkosten viel zu hoch wären, so Stümpfig. Dass die Staatsregierung hierzu „keinerlei Auskunft gibt und nur auf die allgemeine Berichterstattung verweist, zeugt davon, dass hier Null Komma Null Substanz hinter den Ankündigungen steckt.“
Söder hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder gegen einen Ausstieg aus der Kernkraftnutzung ausgesprochen. Er begründete dies immer wieder mit dem Bedarf an kostengünstiger Energie. Selbst die früheren Betreiber der Atommeiler erklären aber seit langem, dass Atomstrom die teuerste Form der Stromerzeugung mit bis zu 49 Cent pro Kilowattstunde ist.








