Brief an den scheidenden Bayern-Boss
Wie Willi Lemke dafür kämpfte, dass Uli Hoeneß aus dem Gefängnis kommt
12. November 2019, 17:44 Uhr aktualisiert am 12. November 2019, 17:44 Uhr
Willi Lemke schreibt Uli Hoeneß zu seinem Abschied als Präsident des FC Bayern einen emotionalen Brief. Dabei erinnert sich der ehemalige Werder-Manager an das Ende der einstmals größten "Männerfeindschaft" der Bundesliga und verrät, was er Hoeneß noch nie erzählt hat.
Lieber Uli,
am Freitag trittst du als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern ab. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mich 1985 geärgert habe, als Klaus Augenthaler unseren Stürmer Rudi Völler schwer verletzt hat und ihr sagtet, dass man schon damit rechnen müsste, wenn man mit so einer Geschwindigkeit wie Völler in einen Zweikampf mit einem Bayern-Verteidiger geht.
Auch wenn ihr später, vielleicht weil uns Völler fehlte, knapp die Meisterschaft geholt habt, sind diese und andere Geschichten längst vergessen. Viel lieber erinnere ich mich an den Anruf einer unterdrückten Nummer vor einigen Jahren, bei dem ich zuerst dachte, meine Frau hätte von Zuhause angerufen. Stattdessen hatte ich eine Nachricht von dir auf der Mailbox.
Ich habe dich von einer anderen Seite kennengelernt
Du hast dich dafür bedankt, dass ich während deiner Zeit im Gefängnis als einer der wenigen öffentlich nichts über dich gesagt habe. Von dieser Nachricht wusste der kicker-Journalist, der mich danach interviewte, nichts. Er fragte, ob ich dir die Hand geben würde. "Ja, sofort", war meine Antwort. Da hast du mich erneut angerufen. Wir haben uns in der Geschäftsstelle des FC Bayern getroffen, als du noch Freigänger warst.
Auch wenn es bei meiner Ankunft anfangs Getuschel gab und ich mich unwohl fühlte, wurde ich dort sehr freundlich aufgenommen. Wir haben uns sehr nett unterhalten und ich habe dich von einer Seite kennengelernt, die ich nie an dir vermutet hätte: Du konntest auch demütig sein. In vielen Punkten waren wir uns außerdem einig, was mich positiv überrascht hat.
Du bist als Mensch gereift, was mich beeindruckt hat
Was ich dir bis heute nie erzählt habe: Auch ich habe der Richterin geschrieben, die über deine vorzeitige Haftentlassung zu entscheiden hatte. Dafür hatte ich mich von einem Juristen beraten lassen. Ich berichtete der Richterin von den Veränderungen. Du bist als Mensch gereift, was mich sehr beeindruckt hat. Kurz darauf erhielt ich die Nachricht, dass du vorzeitig nach Hause darfst.
Ich rechne dir hoch an, dass du im August 2016 beim Empfang zu meinem 70. Geburtstag ins Weserstadion gekommen bist. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Auch, dass wir beim Käfer Bruderschaft getrunken und uns gegenseitig unsere Ehefrauen vorgestellt haben, ist mir angenehm in Erinnerung geblieben.
"Uli, cool down!" - ich wünsche dir das Allerbeste für deine Zukunft
Auch wenn du manchmal Dinge getan hast, die ein hanseatischer Kaufmann so nicht gemacht hätte, sind wir uns in einer Sache sehr ähnlich: Wir beide haben uns immer ohne Angst vor unsere Klubs gestellt, um deren Interessen zu vertreten. Ohne dich wäre der FC Bayern nicht dort, wo er heute ist. Mit Oliver Kahn wirst du jemanden zurückholen, der dir sehr ähnlich ist und dafür sorgen wird, dass der eingeschlagene Kurs beibehalten wird.
Auch wenn du nun aus deinen Ämtern scheidest, glaube ich nicht, dass dich der Fußball und dein FC Bayern so bald loslassen werden. Ich erinnere mich, dass ich eineinhalb Jahre gebraucht habe, um nach 35 Jahren bei Werder Bremen Abstand zu gewinnen. Ich hoffe, dass dir das schneller gelingt und du deine zukünftige Rolle zügig findest.
Auch wenn es vor allem in stürmischen Wochen schwer wird und du von Journalisten bombardiert wirst, wünsche ich dir, dass deine Familie einen noch höheren Stellenwert in deinem Leben einnehmen wird. Das lässt einen ruhiger und auch ein bisschen weiser werden. Vielleicht kannst du dann auch etwas weniger impulsiv reagieren, als du es früher getan hast und noch heute ab und an tust. Mir hat meine Familie sehr dabei geholfen.
Zum Abschied möchte ich dir zurufen: "Uli, cool down!". Ich wünsche dir von Herzen nur das Allerbeste für deine Zukunft.
Dein Willi Lemke
Dieser Artikel erschien zuerst bei unserem Kooperationspartner Focus Online
Eine Geschichte über die Männerfeindschaften von Uli Hoeneß finden Sie am Mttwoch in der Abendzeitung.