Wolfsmasken-Prozess in München

Vergewaltiger (45) zu zwölf Jahren Haft verurteilt


Auf einem Bildschirm präsentiert die Polizei ein Vergleichsbild einer Wolfsmaske.

Auf einem Bildschirm präsentiert die Polizei ein Vergleichsbild einer Wolfsmaske.

Von dpa

Es ist eine alptraumhafte Szene: Ein Mann mit einer Wolfsmaske zerrt am helllichten Tag in München ein Mädchen in ein Gebüsch und vergewaltigt es. Nun ist das Urteil gefallen.

Der 45-Jährige liegt bei der Urteilsverkündung beinahe auf der Anklagebank, er legt den Kopf auf die verschränkten Arme. Seine schwarze Kapuze hat er tief ins Gesicht gezogen. Bei der Tat, für die er nun zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wird, hatte er sein Gesicht auch verdeckt - mit einer Wolfsmaske.

Am helllichten Tag zog er damals, im Juni 2019, ein erst elf Jahre altes Mädchen ins Gebüsch und vergewaltigte das Kind, das auf dem Heimweg von der Schule war. Eine alptraumhafte Tat, die weit über den Tatort München hinaus Schlagzeilen machte - und die er gleich zu Beginn des Prozesses gestanden hatte. Allerdings waren auch DNA-Spuren gefunden worden, die die Ermittler überhaupt erst auf seine Fährte gebracht hatten.

Noch heute hat das Kind, das laut Gericht "beim Anblick der Wolfsmaske schrie", Angst, wenn es alleine zur Schule gehen soll. "Die Geschädigte leidet noch heute an den Folgen der Tat", sagt der Vorsitzende Richter Bertolt Gedeon am Landgericht München I. "Die Folgen der Tat dauern fort und sind letztlich noch unabsehbar."

Der Argumentation des Angeklagten und seines Verteidigers Adam Ahmed, der mehrfach einschlägig vorbestrafte Sexualstraftäter habe zum Tatzeitpunkt unter einer psychischen Ausnahmesituation gelitten, weil seine Freundin sich von ihm getrennt und er Stress im Job hatte, folgt das Gericht nicht. Verteidiger Ahmed hatte seinen Mandanten als schuldunfähig dargestellt und immer wieder neue Gutachten gefordert.

Zur Tatzeit in gelockertem Maßregelvollzug

Denn der Angeklagte befand sich zur Tatzeit in einer Lockerungsstufe des Maßregelvollzugs. Er war wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mehrfach vorbestraft. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll er schon in seiner Jugend mit Sexualdelikten aufgefallen und außerdem bereits wegen Körperverletzung verurteilt worden sein.

Am Tattag durfte er unbegleitet von seiner betreuten Wohngemeinschaft zu seiner Arbeitsstelle fahren. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war das die einzige Zeit in seinem Tagesablauf, in der er nicht unter Aufsicht stand. Auf diesem Weg, so räumte er ein, fiel er über das Kind her. "Die Ursache, wie es dazu kommen konnte, muss kritisch hinterfragt werden", sagte Ahmed zu Prozessbeginn. "Welche Kontrollmaßnahmen gab es? Welche Fachgespräche gab es?"

Für das Gericht steht aber vielmehr im Vordergrund, wie minuziös der Angeklagte aus Sicht der Kammer seine Tat plante. Dass er Handschuhe, Wolfsmaske und ein Wechsel-T-Shirt dabei hatte. Dass er genau gewusst haben muss, dass die Schülerin auf ihrem Weg ein kurzes Waldstück passiert - und dass er auf Überwachungskameras sehr zielstrebig zu dem Müllcontainer lief, in dem er die Maske schließlich entsorgte. "Eine überdurchschnittliche kriminelle Energie" sieht Richter Gedeon - und ein sehr hohes Rückfallrisiko. Das Mädchen hatte der Angeklagte schon Tage vorher in der S-Bahn entdeckt und fotografiert.

Es sei "zu erwarten, dass der Angeklagte erhebliche Straftaten begehen wird", sagt Gedeon und bescheinigt dem 45-Jährigen eine "intensive Neigung zur Begehung von Sexualstraftaten". Das sind auch die Gründe dafür, dass das Gericht Sicherungsverwahrung für die Zeit nach Absitzen der Haftstrafe verhängt.

Frage nach Resozialisierung

Der Fall hatte von Beginn an die Frage nach der Resozialisierung von Sexualstraftätern aufgeworfen. Straftäter können zu Freiheitsstrafen verurteilt werden, die in Justizvollzugsanstalten verbüßt werden, oder zum Maßregelvollzug in dafür besonders ausgestatteten psychiatrischen Kliniken und Entziehungsanstalten. Diese werden auch als forensische Kliniken bezeichnet. Das kann beispielsweise für drogenabhängige oder psychisch kranke Menschen zutreffen.

Ende 2019 befanden sich nach Angaben des Sozialministeriums insgesamt 2884 Menschen in Bayern im Maßregelvollzug. Im Jahr davor waren es 2772, Ende 2017 waren es 2489. Wer wegen einer psychischen Erkrankung untergebracht wurde, verbrachte 2019 im Schnitt 5,42 Jahre in der Psychiatrie. Suchtkranke blieben dort durchschnittlich 1,42 Jahre.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft und Verteidigung können innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegen.