Artenvielfalt

Bienen-Volksbegehren: Das sagen Gegner und Befürworter


In der Diskussion um das Volksbegehren zum Erhalt der Artenvielfalt sprechen sich Stimmen aus der Wissenschaft für die formulierten Ziele aus. (Symbolbild)

In der Diskussion um das Volksbegehren zum Erhalt der Artenvielfalt sprechen sich Stimmen aus der Wissenschaft für die formulierten Ziele aus. (Symbolbild)

Von Stefan Karl

Bei dem angestrengten Volksbegehren "Rettet die Bienen - zum Schutz der Artenvielfalt" wird der Kampf um die Meinungshoheit - auch PR-mäßig - mit harten Bandagen geführt. Die Parolen könnten kräftiger und deftiger nicht sein. Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter, Insektenexperte an der Uni Würzburg, betrachtet vieles im geforderten Maßnahmenkatalog als unterstützenswert. Der Bayerische Bauernverband (BBV) lehnt ihn in Gänze ab. Das sind die Argumente.

In gewisser Weise ist es das Paradox von Volksentscheiden: Einen Gesetzestext in allen Feinheiten und mit all seinen möglichen Konsequenzen zu durchdringen, ist für normale Bürger oft kaum möglich. Genau das aber soll der Bürger eigentlich tun, wenn er denn schon mal gefragt wird. So wie beim Volksbegehren "Rettet die Bienen". Ohne eine wissenschaftliche Begründung zu kennen, haben viele Menschen in der Region dennoch eine Haltung zum Thema. "Etwas tun ist immer besser, als nichts tun", wird oft sinngemäß kommentiert. Aber ist dieses "etwas" auch zweckmäßig, oder ein ideologisch motiviertes Stück Symbolpolitik, das mehr schadet als nützt? Treffen die geforderten Maßnahmen überhaupt den Kern des Problems oder werden sie selbst zu einem?

Bauernverband sieht Existenzen bedroht

Das Volksbegehren fordert gesetzliche Regelungen für die Ausbringzeiten von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, für das Mähen, Säen, das Bestellen der Äcker. Aber auch Faktoren wie Lichtverschmutzung durch Beleuchtung in der Nacht und das Verfüllen von Bodensenken sind Themen im Gesetzestext. Nicht zu leugnen ist: Die geforderten Maßnahmen richten sich vor allem an die Landwirtschaft, zum Beispiel wenn es um die Anlage von möglichst naturnahen Bereichen und Lebensräumen entlang der landwirtschaftlich genutzten Flächen geht.

Nichts weniger als die Existenz vieler Agrarbetriebe in der Region sieht der Bayerische Bauernverband bedroht. "Das Volksbegehren ist wunderbar verpackt und hat einen schönen Titel, aber die Folgen werden nicht gesehen", sagt der Niederbayern-Präsident des BBV, Gerhard Stadler, ",Rettet die Bienen' - da kann man eigentlich nicht dagegen sein, das muss ja jeder unterschreiben. Aber wenn man dann mal reinschaut, geht es ausschließlich um Verbote für die Landwirtschaft und wirtschaftliche Eingriffe. Die Umsetzung wird Einkommen kosten bei den Landwirten."

Varroa-Milbe in vielen Fällen "als Faktor raus"

Stadler und der BBV führen eine Studie des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) ins Feld. Danach geht etwa die Hälfte der vorzeitig verendeten Bienen auf das Konto der Varroa-Milbe, nur etwa ein Viertel geht wegen der landwirtschaftlich genutzten Wirkstoffe wie Pestizide zugrunde, ein weiteres Viertel an Substanzen aus dem Privatgebrauch. Dazu gehören etwa Gifte gegen Fliegen oder Ameisen oder die Wirkstoffe in Insektenabwehrsprays.

Dem widerspricht Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter vom Lehrstuhl für Tierökologie an der Universität Würzburg. Er gilt als Experte für Bienen und Insekten im Allgemeinen. Gegenüber idowa stellt Steffan-Dewenter klar: "Was den allgemein zu verzeichnenden Artenrückgang angeht, ist die Varroa-Milbe als Faktor schon mal raus, weil sie wirklich nur die Honigbiene betrifft. Insofern bleiben die übrigen Faktoren, die zum Rückgang von Artenvielfalt führen: Das ist der Verlust von Lebensräumen wie Halbtrockenrasen und Feuchtwiesen, naturnahe oder natürliche Wälder, die wir nicht mehr oder nur noch in Ansätzen haben in Bayern." Unter anderem mit den Flurbereinigungen seien viele dieser Lebensräume verloren gegangen.

"Die Landwirte nicht als die Buhmänner darstellen"

Eine wichtige Rolle spiele der Dünger auf den Feldern: "Der Einsatz von Stickstoff führt dazu, dass wenige konkurrenzstarke Arten dominieren. Man kann auch nicht wegdiskutieren, dass Insektizide eben nicht nur einen bestimmten Schädling im Acker betreffen, sondern viele Insekten. Eine Vielzahl von Faktoren, die zum Rückgang der Artenvielfalt bei Insekten und in der Konsequenz auch Vögeln führen, liegt im intensiven Landbau begründet."

Dem pflichtet Rainer Pasta, Bienen- und Hornissenbeauftragter im Landkreis Straubing-Bogen, bei: "Der Artenrückgang, angefangen mit den Insekten und Vögeln, wird sich in der Nahrungskette weiter durchschlagen und das Thema wird immer akuter. Als erstes trifft es immer die Spezialisten - zum Beispiel feldbrütende Vögel wie Lerche und Kibitz." Pasta sieht einen zweiten Grund, warum das Volksbegehren die Landwirtschaft besonders in den Fokus nimmt: "… weil hier viele Aspekte bisher ‚freiwillig' geregelt wurden." Das funktioniere in Einzelfällen, aber nicht in der Fläche.

"Weitgehend durchreguliert"

Tatsächlich gibt es im Bauwesen und der Industrie für alles Umweltverträglichkeitsprüfungen, die positiv ausfallen müssen, bevor etwas genehmigt wird. "Hier sind wir weitgehend ‚durchreguliert'", erklärt Pasta, "was nicht heißt, dass auch hier noch Luft nach oben wäre."

Genau diese Freiwilligkeit will der Bayerische Bauernverband um jeden Preis erhalten. "Jeder zweite Landwirt auf jeder dritten Fläche nutzt bereits eines der Ökologieprogramme", erklärt Gerhard Stadler. "Es gibt das Kulturlandschaftsprogramm, das Vertragsnaturschutzprogramm und vieles mehr. Alles auf der Schiene: Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht - das muss unser Weg sein!"

Ob die freiwilligen Maßnahmen wirklich ausreichen, darüber sind die Interessenvertreter also unterschiedlicher Ansicht. Es gebe durchaus Erfolge, stellt Dr. Steffan-Dewenter fest: "Integrierter Pflanzenschutz mit reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Anlage von Blühstreifen und Saumstrukturen, die auch schon gefördert wird - das wird in Bayern schon sehr gut umgesetzt."

Keine Förderung für gesetzliche Vorgaben

Stichwort Förderung. Die fließt natürlich im Augenblick reichlich für diese freiwilligen Maßnahmen der Landwirte und stellt einen wirtschaftlichen Anreiz dar. "Kaum jemandem ist klar, dass es dann diese Entschädigungen nicht mehr gibt. Was gesetzlich vorgeschrieben ist, kann nicht entschädigt werden", argumentiert der Niederbayerische Bauernpräsident Stadler. Natürlich nachvollziehbar. Es gibt ja auch keine Belohnung dafür, dass man sich an Gesetze oder die Straßenverkehrsordnung hält. "Und völlig außen vor", erklärt Stadler, "sind alle anderen Bereiche. Auch dort könnte man viel machen, aber da könnte man vielleicht den Falschen auf die Füße treten. Das ist es, was uns so ärgert."

Als etwas einseitig beurteilt auch der Insektenexperte von der Uni Würzburg, Dr. Steffan-Dewenter, den Forderungskatalog des Volksbegehrens: "Mir ist wichtig, dass man die objektiven Fakten berücksichtigt, dass man auf der anderen Seite nicht die Landwirtschaft als den Buhmann darstellt, der allein schuldig ist."

Steffan-Dewenter sieht zum Beispiel auch einen Handlungsbedarf im persönlichen, privaten Bereich: "Gehen Sie in die Gärten und schauen Sie, was die Leute dort an Monokulturen haben. Obwohl Sie keinen wirtschaftlichen Druck haben, ermöglichen auch sie kaum Vielfalt an Blumen und Pflanzen und, in der Konsequenz, an Insekten. Insofern sind Landwirtschaft und Gesellschaft in gewisser Weise Abbilder voneinander. Viele Privatgärten könnten einen Beitrag leisten zu einer höheren Vielfalt - in jeglicher Hinsicht."

Eine Frage der Verantwortung

Die Empfehlungen sind eigentlich bekannt: Zehn Prozent der Gartenfläche sollten der Wildnis überlassen bleiben. Dort sollten dann das Unkraut, die Pflanzen, die Gehölze, die anfliegen, auch wachsen dürfen. Auch den Tipp zu mehr "Unordnung" im Garten hält der Biologe für wichtig: "Das ist viel mehr wert und besser für die Umwelt, als das wöchentliche Rasenmähen und die Koniferenhecke außenrum. So gesehen beginnt "Rettet die Bienen" in jedem Garten, genau genommen sogar auf jedem Balkon."

Allerdings: Während die Verpflichtung zum ökologischen Anbau im privaten Garten wohl doch zu weit gehen dürfte, kommt der Landwirtschaft eine größere gesellschaftliche Verantwortung zu - genauso wie allen Wirtschaftsbereichen, die das Zeug haben, das Gesicht unserer Welt nachhaltig zu prägen.