Viel Hightech für einen Rumms

Das passiert bei einer Sprengung im Steinbruch


Ein beeindruckendes Bild: Die jeweils 15 Meter hohen Terrassen graben sich rund 100 Meter in die Tiefe. Dass Auto, Bagger und Kipper wie Spielzeugfahrzeuge erscheinen, lässt die Dimensionen erahnen.

Ein beeindruckendes Bild: Die jeweils 15 Meter hohen Terrassen graben sich rund 100 Meter in die Tiefe. Dass Auto, Bagger und Kipper wie Spielzeugfahrzeuge erscheinen, lässt die Dimensionen erahnen.

Von Kerstin Weinzierl

Ein dumpfer Knall, meterhohe Staubfontänen, darunter 20.000 Kubikmeter Gesteinsbrocken. Kaum mehr als eine Sekunde dauert die Sprengung. Weitaus mehr Zeit steckt in Planung und Vorbereitung. Warum eine Sprengung nicht ein einziger lauter Rumms ist, sondern sich aus vielen Explosionen zusammensetzt, die zu planen sind, erklärt Sprengmeister Ralf Bennewitz genau.

Ein beeindruckendes Bild zeigt sich dem Besucher des Steinbruchs der Firma Karl Schwinger in Treidling zwischen Reichenbach und Nittenau. Sichelförmig graben sich die 15 Meter hohen Terrassen des Steinbruchs in die Tiefe. In der Sohle des Tagebaus stehend, wandert der Blick an knapp 100 Meter hohen Felswänden empor. Seit über 100 Jahren werden hier Granit und Diorit (dunkelblaues Hartgestein) abgebaut.

Sprengmeister sitzen lange am Computer

Im Gespräch mit Sprengmeister Ralf Bennewitz wird schnell klar, dass eine Sprengung heutzutage mit moderner Technik abläuft. Vorbei sind die Zeiten des Schwarzpulvers. "Früher musstest du als Sprengmeister schnell rennen können, heute musst du sitzen können - und zwar am Computer", erzählt der Sprengmeister augenzwinkernd. Sein Berufsbild hat sich stark verändert, sehr viel Bildschirmarbeit ist nötig. Dank dieser genauen Vorbereitung werden die Sprengungen immer effizienter und sicherer, Steinflüge werden weitgehend vermieden. Gesprengt wird in der Regel alle drei Wochen.

Alles beginnt mit der 3D-Laservermessung der zu sprengenden Felswand. Der Laser scannt die Wand in einem Raster von zehn Zentimetern ab. Bennewitz erhält dadurch ein detailgetreues dreidimensionales Bild der Oberfläche. Nach diesen Vorgaben erstellt er am Computer mit Hilfe eines speziellen Programms das Bohrraster: Er legt die Abstände und den Durchmesser der Bohrlöcher fest, die Versetzung der einzelnen Bohrreihen und in welchem Winkel in den Fels gebohrt wird.

Eine Mondlandschaft im Steinbruch

Mit einem Ausdruck dieses Bohrrasters (teilweise wird auch mit GPS-Daten gearbeitet) macht sich der "Bohrrist" an die Arbeit. Nach den detaillierten Vorgaben bohrt er die Löcher in die Felswand, im Durchschnitt etwa 100 Löcher pro Sprengung mit einer Tiefe von 16 Metern. Danach gleicht das Gelände wohl am ehesten einer Mondlandschaft.

Bennewitz sitzt weiter am Computer, er fertigt den Sprengplan an. Als Grundlage dienen ihm die Daten der Laservermessung und natürlich seine geologischen Kenntnisse und jahrelangen Erfahrungen. Rund 1.600 Sprengungen hat er bereits hinter sich. Der Sprengplan gibt zum einen an, mit wieviel Sprengstoff die einzelnen Bohrlöcher gefüllt werden müssen. Zum anderen enthält er eine Übersicht, mit welchen zeitlichen Verzögerungen gezündet wird. Würden alle Bohrlöcher zur gleichen Zeit gezündet, würden die Gesteinsbrocken unkontrolliert gegeneinander krachen. Durch die zeitliche Verzögerung kann der Sprengmeister die Ausbruchrichtung vorgeben (das herausgelöste Gestein fällt immer in Richtung des geringsten Widerstandes), das Gestein löst sich nacheinander, Erschütterungen, Lärm und Staub werden minimiert. Dieses "Nacheinander" ist allerdings für das menschliche Auge nicht sichtbar und auch für das menschliche Ohr kaum hörbar: Hier wird im Millisekundenbereich gearbeitet, die hochmoderne elektronische Zündung "I-kon" macht es möglich.

Zehn Tonnen Flüssigsprengstoff

Am Tag der Sprengung werden nach den Vorgaben des Sprengplans die Bohrlöcher mit Flüssigsprengstoff gefüllt, angeliefert von einem Mischladefahrzeug. Aus Sicherheitsgründen werden die Komponenten des Sprengstoffs erst vor Ort gemischt. Damit die Sprengungen möglichst effektiv sind, werden im Steinbruch in Treidling gelatinöser Sprengstoff und Flüssigsprengstoff kombiniert. In 16 Metern Tiefe wird zunächst der "Pentex Booster" platziert, ein röhrenförmiger Zündverstärker. Er setzt sehr hohe Energie frei und initiiert den Flüssigsprengstoff, das heißt er bringt ihn zur Explosion. Über den Booster wird der Flüssigsprengstoff ins Bohrloch gefüllt. Als "Korken" verschließen zweieinhalb Kilo Gelatinesprengstoff das Bohrloch in drei Metern Tiefe. Dieser Gelatinesprengsstoff ist als Sicherheitszünder zu verstehen. Er würde von oben nach unten zünden, sollte die Zündung von unten versagen. Die restlichen drei Meter des Bohrlochs werden mit Blindmaterial gefüllt. Dieser "Pfropfen" verhindert, dass bei der Sprengung Steine nach oben rausfliegen.

Sicherheit in 300 Metern Abstand

Jedes Bohrloch wird mit einem hochmodernen elektronischen Zünder versehen und einzeln programmiert. Dadurch wird die um tausendstel Sekunden verzögerte Zündung möglich. Ausgelöst wird die Sprengung allerdings erst, nachdem die Sicherheitsbereiche (300 Meter) festgelegt und die umliegenden Straßen gesperrt worden sind. So muss in Treidling bei jeder Sprengung die Bundesstraße B16 gesperrt werden, die direkt am Steinbruch vorbeiführt.

Wenn Ralf Bennewitz, sicher postiert außerhalb des Sprengbereichs, die Sprengung mittels Funkfernzündung auslöst, verspürt er jedes Mal wieder ein Kribbeln in den Fingern. Fünf Tage Vorbereitung liegen hinter ihm, kaum mehr als eine Sekunde Detonation vor ihm. Die eindringlichen Warntöne aus der Presslufthupe ertönen. Kurz darauf ein dumpfer Knall. Der Boden vibriert. Staubfontänen schießen in die Höhe. Dann ist alles wieder ruhig. Die Staubwolke ist verschwunden. Zurück bleibt ein Haufen mit 50.000 Tonnen losem Gestein.

Wohin mit dem Gestein?

Nach erfolgter Sprengung wird das freigelegte Gestein mit einem Hochlöffelbagger auf einen Muldenkipper geladen und zur Vorbrechstation auf dem Gelände des Steinbruchs befördert. In mehreren Vorgängen wird das Material auf die gewünschte Körnung zerkleinert. Das Gestein ist als hochwertiger Baustoff zugelassen und eignet sich unter anderem zur Herstellung von Gleisschotter und Edelsplitten für Asphalt- und Betonfahrbahnen. In erster Linie kommt das Material im Bahn-, Straßen- und Wasserwegebau zum Einsatz. Übrigens: Insgesamt rund eine Million Tonnen Steine und Erden verlassen jährlich den Steinbruch in Treidling.

Die Presslufthupe

Ohrenbetäubend ist das Warnsignal vor jeder Sprengung. Der eindringliche Ton kommt von einer Presslufthupe. Ein langer Ton vor der Sprengung bedeutet: "Achtung, in Deckung gehen. Gleich wird gesprengt." Dann folgen zwei kürzere Signale. Sie sagen: "Die Zünder sind scharf gemacht. Der Sprengprozess startet." Drei kurze Warntöne sind zu hören, wenn die Sprengung beendet beziehungsweise wegen eines Problems unterbrochen wurde.

Eine Sprengung in Zahlen

Durchschnittlich alle drei Wochen wird im Steinbruch in Treidling gesprengt. Etwa 50.000 Tonnen oder 20.000 Kubikmeter Gestein werden dabei jeweils ausgebrochen. Pro Kubikmeter werden 500 Gramm Flüssigsprengstoff benötigt, also rund zehn Tonnen insgesamt. Jede einzelne Sprengung verursacht in etwa Kosten in Höhe von 15.000 Euro, darin enthalten sind rund 4.000 Euro für die Zündtechnik.

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Tag der Sprengung: Ein Mischladefahrzeug liefert den Flüssigsprengstoff an, der in die Bohrlöcher gefüllt wird. Als "Korken" oben drauf kommt der Gelatine-Sprengstoff (rote Zylinder), versehen mit elektronischen Zündern (gelbe Kabel).

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Kurz vor der Sprengung gleicht das Gelände einer Mondlandschaft. Die Löcher sind gebohrt, jetzt müssen sie noch mit Sprengstoff gefüllt werden.