Veterinär und Zoodirektor im Interview

"Löwe Subali ist zu alt, um ausgewildert zu werden"


Wie geht es weiter mit dem zeugungsunfähigen Löwen "Subali" im Nürnberger Tiergarten?

Wie geht es weiter mit dem zeugungsunfähigen Löwen "Subali" im Nürnberger Tiergarten?

Von Redaktion idowa

Die Diskussion um den zeugungsunfähigen Löwen "Subali" aus dem Nürnberger Tiergarten hat in den letzten Monaten hohe Wellen geschlagen. Der Stein des Anstoßes: Der dortige Zoodirektor hatte eine Tötung des Löwen zur Diskussion gestellt. Die Folge war ein Sturm der Entrüstung. Ein Tier womöglich töten, weil es zeugungsunfähig ist? idowa hat bei einem Experten nachgehakt, der reichlich Erfahrung mit Wildtieren hat: Dr. Klaus Wünnemann. Der 58-Jährige hat Tiermedizin studiert, über das Verhalten von Raubtieren promoviert, leitet seit 22 Jahren den Zoo in Heidelberg und ist selbst seit über 25 Jahren bei der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) engagiert - insbesondere für Wildtiere in menschlicher Obhut.

Herr Dr. Wünnemann, falls man das so generell sagen kann: Wie artgerecht ist die Haltung eines Löwen in einem Tiergarten?

Dr. Klaus Wünnemann: Die Bedürfnisse von Löwen können in guten Gehegen erfüllt werden. Letztlich zeigen uns die Tiere, ob es ihnen gut geht. Allgemeinzustand, Immunstatus, Fortpflanzung, Lebensdauer und Verhaltensspektrum sind einige der Kriterien, die uns Aufschluss darüber geben können, wie gut die Erfüllung der Bedürfnisse gelungen ist.

Kann man Wildtiere, die bereits in einem Tiergarten zur Welt gekommen sind, überhaupt noch mit ihren Artgenossen aus freier Wildbahn vergleichen?

Wünnemann: Die große Zahl der Zootiere, die erfolgreich ausgewildert wurden, indem sie sich in ihrem angestammten Lebensraum weiter fortgepflanzt haben, belegt, dass zoogeborene Tiere durchaus mit ihren wildlebenden Artgenossen vergleichbar sind.

Artenschutz als Grund, Tiere zu töten

Wie schätzen Sie persönlich den Fall des Löwen "Subali" im Nürnberger Tiergarten ein?

Wünnemann: Soweit ich das verfolgt habe, gibt es gar keinen Fall "Subali". Herr Encke hat eine Problematik geschildert und angeregt, dass die Gesellschaft darüber diskutiert, ob und wie weit Artenschutz auch ein vernünftiger Grund sein kann, Tiere zu töten. Weil er keine abstrakte Konstruktion gewählt hat, sondern ein real existierendes Tier, das viele Menschen schon lange kennen, diskutieren eben auch viele Menschen mit. Dass dabei auch emotionale Argumente geäußert werden, ist gut, denn sie müssen bei der Abwägung von Pro und Contra auch Beachtung finden.

Haben Sie Verständnis für das vom Nürnberger Zoodirektor angeführte "ethische Dilemma"?

Wünnemann: Tierschutz war schon immer eine Abwägung von Interessen. Traditionell standen sich Nutzungsinteressen des Menschen und die Forderung nach einem optimalen Tierwohl gegenüber. Herr Encke hat darauf hingewiesen, dass es auch solche Interessenkonflikte zwischen der optimalen Ausführung von Erhaltungszuchtprogrammen und dem individuellen Tierwohl geben kann. Das ist nicht neu. Auf vielen Inseln wurden Hunderte und Tausende von Ziegen, Ratten und anderen invasiven Tieren getötet, um die letzten Exemplare bedrohter Arten zu retten. Aber das war weit weg und hat uns deshalb wenig berührt.

Dr. Klaus Wünnemann leitet den Zoo in Heidelberg seit vielen Jahren. Er findet die Diskussion darüber, ob die Erhaltung der Art die Tötung eines Tieres rechtfertigt, wichtig.

Dr. Klaus Wünnemann leitet den Zoo in Heidelberg seit vielen Jahren. Er findet die Diskussion darüber, ob die Erhaltung der Art die Tötung eines Tieres rechtfertigt, wichtig.

Mit diesem "ethischen Dilemma” meinte Encke ja, dass er einerseits den Fortbestand der Art sichern muss, der Löwe das aber nicht gewährleisten kann, weil er eben zeugunsunfähig ist...

Wünnemann: Genau und im Moment haben wir als Gesellschaft keine fertige Antwort, ob in dieser Konstellation die Tötung des Tieres vernünftig ist. Wir weisen den Tieren eine Nutzung zu. Wenn die Tiere diese Nutzung nicht oder nicht mehr erfüllen können, was soll dann geschehen? Der Löwe "Subali" ist ein prominentes Beispiel - aber eigentlich stellt sich diese Frage millionenfach zum Beispiel bei Legehennen, Milchkühen, Versuchstieren, Rennhunden und Rennpferden.

Gäbe es eine medizinische Lösung, den Löwen zeugungsfähig zu machen?

Wünnemann: Ich weiß es nicht. Der Tiergarten Nürnberg hat zwei der erfahrensten Zootierärzte Europas und ist international gut vernetzt. Wenn es eine solche Lösung geben sollte, werden die tierärztlichen Kollegen sie sicher finden.

Wäre die Tötung des Löwen "Subali" am Ende tatsächlich eine Option?

Wünnemann: Es ist gut, dass jetzt darüber diskutiert wird. Dabei kommen alle Argumente auf den Tisch und müssen in einer Einzelfallentscheidung abgewogen werden. Die bayerischen Zoos haben soweit ich weiß alle eine Tierschutzkommission, die sich mit solchen Fragen beschäftigt. Die breite Diskussion, die jetzt stattfindet, hilft, dass wir als Gesellschaft in solch schwierigen Fragen unseren Weg finden.

Kaum Auffangstationen für Löwen in Deutschland

Gibt es denn in Deutschland etwa auch besondere Auffangstationen für Löwen, die "Subali” aufnehmen könnten?

Wünnemann: Es gib in Deutschland kaum Auffangstationen, die in der Lage sind, Löwen aufzunehmen. Ob das für diesen Löwen eine gute Lösung wäre, muss ebenfalls genau geprüft werden. Die Vergesellschaftung von erwachsenen Löwen ist nie einfach. Erst recht nicht in seinem Alter.

Einige Kritiker fordern ja, "Subali" statt einer Tötung in freier Wildbahn auszusetzen. Wäre er dort überhaupt überlebensfähig?

Wünnemann: Auswilderungen von Zootieren sind in vielen Fällen und bei einem breiten Spektrum von Arten bereits erfolgreich durchgeführt worden. Großkatzen gehören allerdings zu den am schwierigsten auszuwildernden Tieren. Das Beutefangverhalten ist teilweise erlernt, eine Gewöhnung an den Menschen kann nach der Auswilderung zu Mensch-Tier-Konflikten führen. "Subali” ist aber wegen seines Alters sicher nicht mehr auswilderungsfähig.