Verteilung

Vier EU-Staaten einigen sich bei Seenotrettung


Die Innenminister Christophe Castaner (l-r) aus Frankreich, Luciana Lamorgese aus Italien, Michael Farrugia aus Malta, Maria Ohisalo aus Finnland, Horst Seehofer aus Deutschland, und Dimitris Avramopoulos (3.v.l), EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, sprechen bei der Pressekonferenz nach einem EU-Treffen der Innenminister. Das Treffen findet statt, um sich über eine Übergangslösung für aus Seenot gerettete Migranten zu beraten. Es soll eine Grundsatzeinigung gefunden werden, wie Bootsmigranten aus dem zentralen Mittelmeer künftig auf andere Staaten verteilt werden.

Die Innenminister Christophe Castaner (l-r) aus Frankreich, Luciana Lamorgese aus Italien, Michael Farrugia aus Malta, Maria Ohisalo aus Finnland, Horst Seehofer aus Deutschland, und Dimitris Avramopoulos (3.v.l), EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, sprechen bei der Pressekonferenz nach einem EU-Treffen der Innenminister. Das Treffen findet statt, um sich über eine Übergangslösung für aus Seenot gerettete Migranten zu beraten. Es soll eine Grundsatzeinigung gefunden werden, wie Bootsmigranten aus dem zentralen Mittelmeer künftig auf andere Staaten verteilt werden.

Von mit Material der dpa

Migranten, die wochenlang auf Rettungsschiffen festsitzen - ist damit bald Schluss? Zumindest steht eine wichtige Grundsatzeinigung. Doch eine entscheidende Frage soll später geklärt werden.

Nach monatelanger Blockade haben Deutschland und andere EU-Staaten Fortschritte in der europäischen Migrationspolitik erzielt. Bundesinnenminister Horst Seehofer einigte sich am Montag mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und Malta auf eine Übergangslösung zur Verteilung aus Seenot geretteter Migranten.

"Ich bin nicht nur zufrieden, sondern auch glücklich", sagte der CSU-Politiker nach dem Malta-Treffen. Die Einigung solle bei einem Treffen der EU-Innenminister am 8. Oktober vorgestellt werden. Dort sollten andere Länder davon überzeugt werden, sich ebenfalls zu beteiligen. Er hoffe auf insgesamt 12 bis 14 Länder. Anschließend könnte der Mechanismus in Kraft treten, wie Seehofer sagte. "Ich glaube, das war heute ein wichtiger Schritt der europäischen Zusammenarbeit in der Migrationsfrage."

Bislang sitzen gerettete Migrantenteils wochenlang an Bord ziviler Rettungsschiffe fest, weil Italien und Malta den Hilfsorganisationen die Einfahrt in ihre Häfen verbieten. Sie forderten, dass andere EU-Staaten vorher zusagen, ihnen die Migranten abzunehmen. Berlin und Paris hatten sich in den vergangenen Monaten für ein Ende der spontanen Krisenpolitik eingesetzt.

Das Seerecht besagt, dass Menschen in Seenot gerettet werden müssen. Gerettete müssen dann an einen sicheren Ort gebracht werden - also in einen Hafen oder auf ein anderes Schiff. Nach dem Nothafenrecht muss die Einfahrt in den Hafen gestattet werden, wenn das Leben von Menschen in Gefahr ist.

Seehofer kündigte jüngst an, Deutschland könne bei einer Übergangslösung ein Viertel der Geretteten aufnehmen. Dabei geht es um eine sehr geringe Zahl: Seit Juli 2018 hat Deutschland die Aufnahme von 565 aus Seenot geretteten Migranten zugesagt. Nur 225 von ihnen erreichten die Bundesrepublik bislang.

Die Einigung vom Montag sieht Seehofer zufolge vor, dass an Land gehende Migranten künftig innerhalb von vier Wochen auf die teilnehmenden Länder verteilt werden. Verteilt werden sollten alle Migranten - es sei denn, sie seien ein Sicherheitsrisiko. Die Asylberechtigung müsse später im Aufnahmeland geprüft werden. Das hatten Malta und Italien gefordert, weil die Rückführung von Migranten ohne Asylberechtigung meist schwierig ist.

Die Rettungsschiffe aus dem zentralen Mittelmeer sollen künftig in der Regel Italien und Malta ansteuern. Falls beide Staaten überlastet sind, kann Frankreich sich nach Seehofers Worten auf freiwilliger Basis bereiterklären, seine Häfen zu öffnen. Die Einigung solle sechs Monate gültig sein. Jedes Land könne jederzeit wieder aussteigen. Zudem solle vermieden werden, dass die Einigung Anreize für die Überfahrt aus Nordafrika nach Europa biete. Bei dem Innenministertreffen am 8. Oktober solle geklärt werden, wie viele Migranten jedes Land nehme.

Wie Seehofer zeigten sich auch die Minister Frankreichs, Italiens und Maltas nach den Verhandlungen erfreut. Der französische Innenminister Christophe Castaner sprach von einem "ausgeglichenen Abkommen". Die Italienerin Luciana Lamorgese sagte: "Wir sind auf dem richtigen Fuß gestartet." Und Maltas Minister Michael Farrugia sagte: "Wir haben begonnen, Geschichte zu schreiben." Nun hänge es von der Unterstützung anderer Staaten ab.

Auch andere Reaktionen fielen positiv aus. Raphael Shilhav von der Hilfsorganisation Oxfam sprach von einem "ersten positiven Schritt". Erfreut war auch die deutsche Schifffahrt. "Europa darf die zivilen Retter, aber insbesondere auch die Besatzungen von Handelsschiffen nicht allein lassen mit der Frage, wohin sie Bootsflüchtlinge bringen", sagte Ralf Nagel vom Verband Deutscher Reden.

Die SPD-Politikerin Eva Högl betonte, dies sei "ein positives Signal der humanitären Verantwortung und der europäischen Zusammenarbeit". Kritik kam hingegen aus den Reihen der FDP. Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte, die Malta-Einigung ermutige Wirtschaftsmigranten.

Die EU streitet schon lange über den Umgang mit Migranten, die im Mittelmeer aus seeuntüchtigen Booten gerettet werden. Hintergrund ist, dass es wegen des Widerstands von Ländern wie Polen und Ungarn bislang kein System zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen gibt. Die große Asylreform steckt seit Jahren in der Sackgasse. Die künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat bereits neue Vorschläge angekündigt.

Von der Einigung vom Montag erhofft sich Seehofer einen Schub für die Asylreform. "Wenn wir mit der Seenotrettung jetzt keinen Vorschlag zustandegebracht hätten, wäre auch die gemeinsame Asylpolitik Europas auf absehbare Zeit nicht mehr möglich gewesen", sagte er.