Versicherungsfall Corona

Betriebsschließungen: Rechtsstreits und gekündigte Verträge


Die Allianz und andere Versicherer ändern offenbar in Corona-Zeiten die Konditionen bei Betriebsschließungsversicherungen. (Symbolbild)

Die Allianz und andere Versicherer ändern offenbar in Corona-Zeiten die Konditionen bei Betriebsschließungsversicherungen. (Symbolbild)

Greifen Betriebsschließungsversicherungen, wenn Corona das Geschäft zum Stillstand bringt? Um diese Frage streiten sich derzeit auch in Ostbayern Versicherungen und Gerichte. Während die Auffassungen wie auch die Rechtssprechung noch alles andere als eindeutig sind, kündigen manche Versicherungsgesellschaften alte Verträge, die die Folgen des Coronavirus als Schadensfall einschließen könnten.

Mit Krankheitserregern, die das Geschäft zum Stillstand bringen, hatte es bisher hauptsächlich das Lebensmittelhandwerk zu tun. Salmonellen in der Eisdiele oder Kolibakterien in der Metzgerei. Um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, macht das Gesundheitsamt den Laden zu, die Versicherung gleicht einen Teil des wirtschaftlichen Schadens aus. Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 aber hat die Möglichkeit einer Betriebsschließung aus Gründen des Gesundheitsschutzes auch für andere Branchen real werden lassen - für den Einzelhandel etwa, wo Belegschaften wegen Covid-19-Fällen in Quarantäne geschickt werden. Rollt mit der stetig steigenden Zahl an positiven Sars-CoV-2-Tests eine Welle von Schadensfällen auf die Versicherungsbranche zu?

Die Allianz Deutschland AG wappnet sich offenkundig bereits für diesen Fall: "Insgesamt hat die Allianz Deutschland für Betriebsunterbrechung wegen Covid-19 schon über 100 Millionen Euro zurückgestellt beziehungsweise schon mit der Auszahlung begonnen", teilt ein Sprecher der Versicherungsgesellschaft auf Anfrage von idowa mit: "Darin enthalten ist ein höherer zweistelliger Millionenbetrag alleine für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern."

Nur wenige Handwerker sind versichert

Die Rechtslage sei noch nicht eindeutig geklärt, sagt uns eine Sprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): "Es gab jetzt einige Gerichtsurteile von Landgerichten, die ganz unterschiedlich ausgefallen sind. Wir haben Gerichte in Bayern wie das Landgericht München, die erst mal pro Unternehmen geurteilt haben. Wir haben aber auch eine Reihe von Fällen, wo im Sinne des Versicherers geurteilt wurde." Auf einen Rechtsstreit müssen sich einige Handwerker, die ihre Ausgleichsleistung für einen Corona-bedingten Ausfall geltend machen wollen, potenziell einstellen. Ein Funktionär eines großen Unternehmerverbands empfiehlt gar jedem Betroffenen, der eine Rechtsschutzversicherung hat, zu klagen. Über die offiziellen Kanäle trifft der Verband diese Aussage nicht.

Für welche Betriebe kann eine Betriebsschließungsversicherung überhaupt als Rettungsanker in der Pandemie fungieren? Wohl nicht für viele Firmen außerhalb des Lebensmittelhandwerks. Denn die Betriebsschließungsversicherung hat hier schon fast einen Exotenstatus. Zumindest jene Policen, die Krankheitserreger als Auslöser für die Schließung mit abdecken: "Solche Versicherungen werden von den Betrieben in unserem Kammerbezirk in der Regel mit dem Schwerpunkt ‚Absicherung gegen Naturkatastrophen', etwa Hochwasser, abgeschlossen", erklärt ein Sprecher der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz: "In puncto Corona hatten diese Versicherungen für das Handwerk im Grunde keine Wirkung, da vom Handwerk an sich nur Friseure und Kosmetiker vollständig schließen mussten. Diese Betriebe hatten in der Regel keine solchen Ausfallversicherungen."

Lesen Sie im zweiten Teil des Artikels, wie Versicherer eine Vielzahl von Versicherungsverträgen anpassen - und warum.

Allianz: Vertragsumstellung oder Kündigung

In den vergangenen Wochen ging etwa der Fall einer Passauer Metzgerei durch die Schlagzeilen. Der Versicherer hatte den Vertrag der Betriebsschließungsversicherung nach vielen Beitragsjahren gekündigt. Wieso?

Die Allianz-Versicherung äußert sich hierzu schriftlich: "Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie machten eine Neugestaltung unserer Betriebsschließungsprodukte notwendig. Deshalb unterbreitet die Allianz in Deutschland seit Anfang September allen Ihren Bestandskunden, zum Beispiel Metzgereien, Bäckereien, Eisdielen, Gaststätten, Hotels und Krankenhäusern, ein Umstellungsangebot auf die neue Betriebsschließungsversicherung", schreibt die Pressestelle des Versicherers. Und weiter: "Kommt es zu keiner Umstellung, werden die Verträge fristgerecht zum Ende der jeweiligen Laufzeit gekündigt." Nach eigenen Angaben will das Unternehmen damit für ihre Kunden Rechtssicherheit schaffen: "Die Versicherung des Corona-Virus in Zeiten der Pandemie ist nach unserer Auffassung risikotechnisch zu fairen Preisen nicht möglich."

Pandemie-Klausel in neuen Verträgen

Eine der Veränderungen in den Verträgen: Sie enthalten eine Klausel, die Versicherungsfälle in Verbindung mit einer Pandemie nach WHO-Definition explizit ausnehmen. Auch andere Mitglieder des Verbands der Versicherer werden in naher Zukunft wohl ähnliche Anpassungen vornehmen: "Die Versicherer müssen klarer kommunizieren, was versichert ist und was nicht. Wir arbeiten hier mit einer Arbeitsgruppe an neuen Musterbedingungen, um eben solche Auseinandersetzungen nicht mehr führen zu müssen", sagt eine GDV-Sprecherin im Gespräch mit idowa: "Konsens ist aber, dass man die Schließung der gesamten Wirtschaft nicht privatwirtschaftlich versichern kann."

Gegen schriftgemäße Kündigungen ist juristisch wohl kein Kraut gewachsen, erklären Wirtschaftsverbände unisono auf Nachfrage. Anders liege der Fall, wenn der Versicherer im laufenden Vertrag die Konditionen ändert. Die Allianz befindet sich derzeit nach eigenen Angaben in etwa 140 Rechtsstreits, in denen es um Ansprüche aus den alten Verträgen ohne Corona-Ausschluss-Klauseln geht.

Entscheidend für die Aussichten auf Ersatz der Ausfälle aus der Versicherung ist bei den Bestandsverträgen wohl das Kleingedruckte im Vertrag: Laut Aussage der Allianz Versicherung umfassten viele Verträge nur Krankheiten und Krankheitserreger, die ausdrücklich in den Bedingungen namentlich benannt sind. "In dieser Liste ist der Corona-Virus beziehungsweise Covid-19 nicht enthalten." Es gebe aber auch Verträge ohne entsprechende Klauseln.

Etwas anders verhält es sich bei Versicherungsleistungen im Umfeld des Lockdowns wohl im Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern. Für das sei gemeinsam mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium, dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern e.V., der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und weiteren Versicherern mittlerweile eine spezielle Vereinbarung für den Freistaat getroffen worden, schreibt die Allianz Versicherung: "Die Betriebsschließungsversicherung gleicht in der Regel die Schäden aus, die nach öffentlichen Entschädigungen und ersparten Aufwendungen übrig bleiben. Im Gaststätten- und Hotelgewerbe fällt der Aufwand der Betriebe dadurch geschätzt um rund 70 Prozent." Von den verbleibenden 30 Prozent übernimmt die Allianz eigenen Angaben zufolge "ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht die Hälfte. Damit sind rund 85 Prozent des typischerweise anzunehmenden Kundenschadens aufgefangen", heißt es seitens des Versicherers.

Letzlich ist allerdings immer der konkrete Fall zu betrachten - und bei Bedarf und Möglichkeit ist eine rechtliche Beratung sicherlich empfehlenswert.