Event-Branche in Ostbayern

Zwingt das Coronavirus die Veranstalter in die Knie?


Auch wegen Corona verschoben: Die Frankfurter Musikmesse findet in diesem Jahr später, vermutlich Ende Mai, statt.

Auch wegen Corona verschoben: Die Frankfurter Musikmesse findet in diesem Jahr später, vermutlich Ende Mai, statt.

Das Coronavirus hat dem Veranstaltungsleben in Bayern quasi den Stecker gezogen. Schlechte Zeiten für die, die ihr Geld mit öffentlichen Veranstaltungen verdienen. Immerhin: Der Staat verspricht Hilfen für Corona-geschädigte Unternehmen. Aber kommen die auch in der Event-Branche an?

Die Vorsichtsmaßnahmen, die das Coronavirus eindämmen sollen, bringen das öffentliche Leben zum Stillstand. Ärgerlich für die, die Karten für Konzerte oder Messen hatten. Bitter für die Künstler, die auftreten wollten. Unter Umständen existenzbedrohend für die, die mit der Ausrichtung von Veranstaltungen ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.

Von elf bis 18 Prozent Umsatzeinbruch durch die abgesagten Veranstaltungen sprechen die Verbände der Veranstaltungswirtschaft. Laut ihrer Einschätzung ein wirtschaftliches Erdbeben. Bundesweit mache die Veranstaltungswirtschaft 90 Milliarden Euro Umsatz jedes Jahr und damit einen spürbaren Anteil des Bruttoinlandsprodukts.

Die ersten Volksfeste sind schon abgesagt

Zurzeit aber macht die Branche faktisch keinen Umsatz. Vorerst bis zum 19. April sind Veranstaltungen über 1.000 Teilnehmer abgesagt, auch die meisten kleineren Events sind vorsorglich abgeblasen. Die vergangenen zwei Wochen ist bei Michael Wittenzellner eine Absage nach der anderen eingetrudelt. Der Auftragskalender ist praktisch leer. Ähnlich gehe es den Kollegen in der Branche. Wittenzellner ist Veranstaltungstechniker und Inhaber der Firma Stereo Mike Veranstaltungstechnik aus Straubing. "Im Moment ist noch Vor-Saison. Aber auch die ersten Volksfeste heuer sind schon abgesagt", sagt Wittenzellner: Pfarrkirchen und Zeitlarn bei Passau markieren normalerweise den Start in die Volksfest-Saison in Niederbayern - ersatzlos gestrichen. "Das macht uns Sorgen. Es wird schon schwierig, diese zwei Monate bis kurz nach Ostern zu überbrücken. Alles, was danach kommt, ist meiner Meinung nach bis jetzt überhaupt nicht absehbar."

"Nicht absehbar" schließe natürlich ein, dass einigen Veranstaltungsfirmen die Absagenflut an die Existenz gehen könnte, sagt Bernd Fritzges, der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Veranstaltungsorganisatoren (VDVO): "Die Veranstalter müssen hoffen, dass der Druck auf die Politik groß genug wird, um mit Fördermaßnahmen gegenzusteuern und das ganz schnell, da sonst ein Pleitewelle wie ein Tsunami über die Veranstaltungsindustrie fegen wird."

"Eine ganze Branche wird beerdigt"

Einzig das Robert-Koch-Institut strahle in diesen Tagen Ruhe und Sachlichkeit aus, während die Politik sich in Zweckaktionismus ergehe: "Auf unsere Event-Branche bezogen, empfinde ich es als untragbar, in dieser Situation den Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland als Vorwand zu nutzen, regionale Behörden und Veranstalter alleine im Regen stehen zu lassen", pulvert VDVO-Chef Bernd Fritzges und wird noch drastischer "Es stellt sich mir wirklich die Frage, ob die Entscheidungsträger unseres Landes überhaupt eine Vorstellung haben oder wenigstens im Vorfeld sich darüber Gedanken gemacht haben, wie sie eine ganze Branche gerade beerdigen."

"Wir lassen unsere Wirtschaft nicht im Regen stehen", hieß es dagegen bereits Ende der vergangenen Woche aus dem Koalitionsausschuss; und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verkündete "umfassende Kurzarbeiterregelungen, Liquiditätshilfen, Bürgschaften und Steuerstundungen für betroffene Branchen." Klingt nach einem Sofortmaßnahmenpaket, das auch die Veranstaltungsbranche stützen könnte. "Die Förderungspakete richten sich an die größeren Mittelständler, die Angestellte weiter bezahlen müssen. Sie können Kurzarbeitergeld beantragen, um ihren Mitarbeiterstamm zu halten", erklärt Michael Wittenzellner.

Das Problem: Freiberufler und Solo-Selbstständige sind bei diesem Förderpaket ziemlich chancenlos, etwas abzubekommen. Der Trend gehe zwar zu größeren Firmen mit festangestellten Mitarbeitern - es gab entsprechende Anreizprogramme. Weit über die Hälfte der in der Entertainment- und Veranstaltungsbranche Tätigen fällt dennoch in die Kategorie "Solo-Selbstständigkeit". Viele von ihnen haben sich sogar bewusst gegen die Festanstellung entschieden: "Die guten Freiberufler, die guten Lichtdesigner, die guten Rigger, die guten Tontechniker lassen sich meist nicht einsperren in ein Arbeitsverhältnis. Sie schaffen sich durch die freiberufliche Tätigkeit die Freiheit, sich für Projekte buchen zu lassen, die sie selbst toll finden und die ihnen Spaß machen. Sie leben von Auftrag zu Auftrag und natürlich geht es denen gerade dick ein." Alle Auftragsspitzen in der Hochsaison würden über Freiberufler gelöst. Auch diese Einkünfte brechen weg.

Lage in Bayern ist etwas besser

Was aber erwartet die Kunden - die, die schon Tickets für Konzerte, Messen und andere Veranstaltungen gekauft haben? Normalerweise gehört zum Kodex der Branche: Veranstaltung entfällt - Geld zurück. Es sei denn natürlich, die Absage geschieht aufgrund "höherer Gewalt". Die Empfehlung der Bundesregierung sei für die Veranstalter verheerend, sagt Bernd Fritzges. Denn: Die Umsetzung einer Empfehlung zur Absage einer Veranstaltung bleibe formal eine Absage des Veranstalters: "So ist im Einzelfall der Schaden und die jeweilige Verantwortung zu prüfen. Anwälte werden sich in den nächsten Monaten und Jahren damit beschäftigen können."

Etwas besser sei die Lage in Bayern. Mit einem Verbot sei die Rechtslage klar, die finanziellen Konsequenzen unter Umständen dennoch beträchtlich: "Bei kurzfristigen Absagen sind bereits Aufwendungen und Kosten entstanden, für die dann jeder selbst verantwortlich ist. Der Ticketpreis muss dann zwar erstattet werden, bringt jedoch den Veranstalter in eine Lage, die er wirtschaftlich meist nicht tragen kann." Unterm Strich: Die Rückerstattung des Ticketpreises sei bereits das Beste, was dem Konzertbesucher widerfahren kann.

Kulturfans wie auch Veranstaltern bleibt nur übrig, die Durststrecke irgendwie zu überbrücken - jeder auf seine Art. Zumindest der Straubinger Veranstaltungstechniker Michael Wittenzellner ist zuversichtlich mit Blick auf das Beispiel China: "Dort wurde bereits verkündet, dass der Scheitelpunkt der Welle durch ist und die Bestimmungen wieder gelockert werden können. Wir haben die Hoffnung, dass bis in vier Wochen zumindest der totale Stillstand ein Ende hat."