Umbruch beim FC Bayern

Kahn will anders führen


Will ein Bayern-Boss sein, der "Menschen mitnimmt": Oliver Kahn.

Will ein Bayern-Boss sein, der "Menschen mitnimmt": Oliver Kahn.

Von mit Material der dpa

Nach erfolgreichen Jahrzehnten mit den Alphatieren Rummenigge und Hoeneß will Oliver Kahn ein Chef sein, der "Menschen mitnimmt". Mit Maximen will er notfalls brechen. Er rückt die Fans ins Zentrum, traut Nagelsmann viel zu und will Stars nicht um jeden Preis halten.

Einmal musste Oliver Kahn dann doch herzlich lachen. Als es darum ging, dass er den Posten des Vorstandsvorsitzenden beim FC Bayern München doch wohl nicht nahezu 20 Jahre lang ausüben werde wie sein Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge, da konterte der ehemalige Torwart-Titan. "Naja, da wäre ich vorsichtig. Wenn es mir Spaß macht, dann kann ich mir das durchaus auch vorstellen..."

Das hieße für den heute 52-jährigen Kahn freilich Rente mit über 70. "In solchen Zeiträumen denke ich nicht", fügte der 52-Jährige am Montag dann auch mit wieder ernsthafter Miene hinzu: "Jetzt wird es erstmal für mich darum gehen, in der neuen Position anzukommen." Es sei aber überzeugt, "das Rüstzeug" für die Aufgabe mitzubringen.

Oliver Kahn und Julian Nagelsmann müssen das erhaltene Vertrauen gleich zurückzahlen

Kahn weiß genau, dass er ebenso wie der neue Bayern-Trainer Julian Nagelsmann gleich liefern muss. Der 33 Jahre junge Nagelsmann hat dabei mit seinem Fünfjahresvertrag einen so großen Vertrauensvorschuss erhalten wie Kahn, als dieser Anfang 2020 in den Vorstand des deutschen Fußball-Rekordmeisters aufgenommen wurde.

"Beim FC Bayern muss der Erfolg immer sehr schnell kommen", sagte Kahn, der zum 1. Juli Rummenigge (65) vorzeitig an der Spitze des operativen Geschäftes abgelöst hatte, zum Arbeitsantritt von Nagelsmann: "Wir sind überzeugt, mit Julian können wir eine neue Ära angehen." Es ist die Ära nach dem Sieben-Titel-Trainer Hansi Flick.

Bei der gemeinsamen Video-Pressekonferenz mit Vereinspräsident und Aufsichtsratschef Herbert Hainer (67) skizzierte Kahn seine Ziele und Vorstellungen klar. In der Corona-Pandemie hat der Bundesliga-Krösus Einnahmeverluste von 150 Millionen Euro verbucht, wie Hainer sagte.

Oliver Kahn über Spielergehälter: "Es gibt bei uns eine Grenze"

Konsequenz für Kahn: Kein Spieler wird um jeden Preis gehalten. "Es gibt bei uns eine Grenze", sagte er zu laufenden Verhandlungen mit Topspielern wie Leon Goretzka (Vertrag bis 2022), Niklas Süle (2022) oder Kingsley Coman (2023). Es werde "keine Gehaltsdimensionen geben, die nicht zum FC Bayern passen", sagte Kahn. Explizit verwies er auf David Alaba, den der Verein am Ende lieber ablösefrei ziehen ließ.

Die frühere Doktrin, dass der FC Bayern kein Verkäufer-Verein sein dürfe, müssen laut Kahn in Corona-Zeiten ganz neu bewertet werden. "Deswegen wäre ich vorsichtig, ob Maximen, die möglicherweise in der Vergangenheit mal gegolten haben, ewig Bestand haben."

Trotzdem denkt der FC Bayern weiter groß: Der zehnte Meistertitel am Stück ist das klare Saisonziel. Die Champions-League-Trophäe bleibt ein ständiger Traum. Europas Krone sei auch "absolut zu erreichen mit dem aktuellen Kader", bemerkte Kahn. "Siegesfähigkeit, das ist unser Wettbewerbsvorteil", betonte er mit Blick auf finanzkräftigere Clubs wie Paris Saint-Germain, die auf einen Königsklassen-Titel warten.

"Ich bin jemand, der sehr stark auf das Team setzt"

Kahn will einen anderen Führungsstil pflegen als die ehemaligen Alphatiere Rummenigge und Uli Hoeneß (69). "Ich bin jemand, der sehr stark auf das Team setzt, Menschen mitnimmt, sie teilhaben lässt." Die "großen Fußstapfen" der Bosse will er auf seine Art ausfüllen.

Der Fußball soll im Mittelpunkt auch seines Wirkens stehen. Kahns Thema sind dabei neben dem Tagesgeschäft die Langfrist-Strategien. Kurzfristig sieht er "die größte Herausforderung" darin, "die Zuschauer Stück für Stück zurück ins Stadion zu kriegen". Die Fans seien "die Essenz des Fußballs". Kahn versprach den Bayern-Anhängern: "Wir wollen weiter Weltklassefußball bieten können, ein Weltklasse-Fan-Erlebnis. Damit beschäftigen wir uns Tag und Nacht."

Umsetzen auf dem Platz muss das der noch titellose neue Coach. Mit Leistungstests und Medizin-Checks ging am Montag das Arbeitsleben der Münchner Profis wieder los - unter Federführung von Nagelsmann. Ein weiterer Ex-Leipziger war auch mit dabei. Abwehr-Neuzugang Dayot Upamecano kann sofort mitmischen, nachdem der Rekordmeister mit RB Leipzig eine Transferlösung gefunden hat. Ursprünglich wäre der 22 Jahre alte Franzose erst am 15. Juli zum Münchner Team gestoßen.

Nach dem Ausfall des französischen Weltmeisters Lucas Hernández (Knie-OP) ist ein früher Upamecano-Start wichtiger geworden. Kahn erwartet viel vom Neuen: "Wir verpflichten keinen Spieler für knapp über 40 Millionen Euro, von dem wir nicht absolut überzeugt sind."

EM-Teilnehmer und Alphonso Davies fehlen zunächst

Nagelsmann muss in den ersten Wochen mit einem Rumpfkader arbeiten. Neben den EM-Teilnehmern fehlt auch der Kanadier Alphonso Davies wegen seiner Teilnahme am Gold Cup in Nordamerika. Übrig bleiben 19 Spieler, darunter drei Torhüter, mit denen Nagelsmann loslegen kann.

Erster Leistungstest ist ein Spiel gegen den 1. FC Köln am 17. Juli in Villingen. Anfang August steht im DFB-Pokal beim Oberligisten Bremer SV das erste Pflichtspiel an. Der Wettlauf um den zehnten Meistertitel am Stück beginnt am 13. August auswärts gegen Gladbach.