TV-Kritik

Schwarzwald-Tatort "Sonnenwende": Warum, Ihr Pfeifen?


Von Christoph Elzer

Zum dritten Mal ermitteln die Kommissare Berg und Tobler im Schwarzwald. Ein Krimi, der viel Luft nach oben lässt, meint AZ-Kulturredakteur Philipp Seidel.

Gäbe es einen Fernseher mit Schüttelfunktion, um die Ermittler wachzurütteln - in diesem Schwarzwald-"Tatort" könnte man ihn brauchen. Es dauert lange, sehr lange, bis Kommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) merkt: Sein alter Freund aus Kindertagen ist inzwischen ein Nazi. Nur trägt er keine Bomberjacke, sondern einen Wollpullover.

Er hockt mit seiner Familie auf seinem Öko-Bauernhof, pumpt ihr braune Grütze in die Rübe, verbietet Handys und Computer. Und er baut gute alte deutsche Obstsorten an. Nicht weil sie besonders schmackhaft wären, sondern weil sie deutsch sind. Kommissar Berg hat selbst einen Bauernhof und findet die strammdeutschen Worte seines alten Freundes sehr lange gut, einfach weil er so gerne Nebenerwerbs-Landwirt ist und selbst anpackt.

Seiner Kollegin Franziska Tobler (Eva Löbau) sprudelt auch nicht gerade die Pfiffigkeit aus den Ohren. "Sagen Sie dem Staatsschutz nichts von Ihrer Erkenntnis xy - in Ihrem eigenen Interesse", mahnt sinngemäß die Staatsanwältin. Prompt marschiert Tobler zum Staatsschutz und posaunt die Erkenntnis xy heraus. Und wundert sich dann, wieso die Zielpersonen ihrer Ermittlungen von ihrer Ermittlung weiß.

Als Zuschauer sitzt man da und brüllt den armen Bildschirm an, der ja nichts dafür kann: "Warum, Ihr Pfeifen?"

"Sonnenwende" ist nur ein weiterer Beitrag zur Ermittler-Inflation im "Tatort"

Ein bisschen lustig ist es dann immerhin, als der Staatsschutz-Mann seinem V-Mann-Nazi rät: "Verschwinde, am besten ins Ausland." Dass Nazis im Ausland in der Regel nicht so recht glücklich werden, sollte sich doch auch beim Staatsschutz herumgesprochen haben.

Die letzte bedeutende Serie aus der Region war "Die Schwarzwaldklinik", das war in den 1980ern. Es ist wohl kein Zufall, dass man aus der Gegend so lange nichts mehr gehört hat. Vermutlich strahlt der weiße Kittel von Klausjürgen Wussow als Über-Professor Brinkmann immer noch dermaßen stark aus dem Tannengrün, dass sich daneben einfach kein neues Fernsehpflänzchen durchsetzen kann.

Wenn die beiden Kommissare in ihrem dritten Fall nicht ein wenig mehr Professionalität und Profil entwickeln, werden sie es verdammt schwer haben, im Schwarzwald neue Akzente zu setzen. Der Beitrag "Sonnenwende" (Regie: Umut Dag) war jedenfalls nichts Überwältigendes. Das lag nicht an den Schauspielern, sondern vor allem am Drehbuch von Patrick Brunken, das ziemlich viel in diesen Tatort packt und die Kommissare doch recht blass bleiben lässt.

Dabei ist das Thema - die Unterwanderung der Gesellschaft durch rechtsradikale Gruppen - wichtig. Aber man wünscht sich bei der Bekämpfung des Problems doch Polizisten, die ein bisschen mehr bei der Sache sind. Sonst ist es einfach nur ein weiterer Beitrag zur Ermittler-Inflation im "Tatort".