TV-Kritik

Kritik zum Wiener "Tatort: Krank": Vertraut der Medizin!


Der neue "Tatort" aus Wien mit Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seiner Kollegin Bibi Fellner hat einige Corona-Parallelen.

Der neue "Tatort" aus Wien mit Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seiner Kollegin Bibi Fellner hat einige Corona-Parallelen.

Von Dominik Petzold

Der neueste "Tatort" aus Wien weist etliche Parallelen zur aktuellen Corona-Debatte auf - die Kritik zu "Krank".

Was für ein glückliches Timing: Der Wiener "Tatort" entstand vor der Corona-Krise, dreht sich aber um das übergeordnete Thema, das die Welt seit März ganz neu beschäftigt: die Gesundheit und unser Umgang damit. Hier geht es um alternative, "sanfte" Medizin - und um den Schaden, den sie anrichten kann, wenn Menschen ausschließlich auf sie vertrauen und sich von der Schulmedizin abwenden. Das wird so drastisch wie möglich gezeigt: Ein fünfjähriges Mädchen stirbt an einer banalen bakteriellen Infektion, weil ihr Vater, ein "Humanenergetiker", sie mit Tinkturen behandelt, anstatt einem Arzt und Antibiotika zu vertrauen.

Und einen Schritt weiter gedacht sind wir da schon wieder bei Corona: Wie viele Menschen wollen sich nicht impfen lassen, wenn der Impfstoff endlich da sein sollte? Und wie viele fabulieren, dass Corona nicht schlimmer ist als die Grippe? Diese Menschen haben mit dem Film-Vater, dessen Tochter stirbt, eines gemein: Sie glauben, medizinische Fragen beurteilen zu können, ohne Medizin studiert zu haben. Das ist rätselhaft: Ist der Computer kaputt, überlässt der Laie Diagnose und Reparatur dem Fachmann - aber beim höchst komplexen menschlichen Körper trauen sich viele eine eigene Meinung zu.

Dieser Wiener "Tatort" ist ein so unaufdringliches wie unterhaltsames Plädoyer dafür, besser Ärzten und medizinischer Forschung zu vertrauen. Gleichwohl spricht der Regisseur der Homöopathie nicht komplett den Sinn ab. Er lässt ausgerechnet den Gerichtsmediziner Kreindl (Günter Franzmeier) dozieren, dass Homöopathie Menschen durchaus helfen könne - eben, weil sie daran glauben. Aber heikel werde es, so Kreindl, "wenn die Globuli nix helfen und eine wirksame, nachweisbare Therapie verschleppt wird. Dann kannst' die ganze Anekdotenevidenz der Homöopathie in der Pfeife rauchen."

In "Krank" wird außerdem die Geschäftemacherei mit der Homöopathie kritisiert - wie auch die mit der Schulmedizin: Hallo, Pharmaindustrie! Der Film geht dabei allerdings nicht in die Tiefe. Stattdessen bekommen die - von Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer großartig gespielten - Ermittler viel Raum für blitzende Wortgefechte und grantelnden Wiener Schmäh. Das ist kurzweilig und witzig bis zum Hexenschuss-Schluss. Und in welchem "Tatort" lacht man schon mehrmals laut auf?

Da ist's dann auch verzeihlich, dass die Geschichte stark konstruiert ist: Der kriminelle PR-Stunt des Alternativmedizin-Konzerns wirkt so unmotiviert wie überzogen. Und in den letzten Minuten steuert der Film extrem hastig aufs Finale zu. Dafür sind die Dialoge sehr gut, vor allem zwischen den Ermittlern. Fellner (Adele Neuhauser) wundert sich etwa, dass man den Beruf des "Humanenergetikers" ohne jede Ausbildung ausüben könne. Und Eisner (Harald Krassnitzer) erläutert: "Das ist ein bissl so wie bei Nachtwächtern, Kurieren, Politikern, Schauspielern."