Trainer des ASV Cham im Interview

Lengsfeld: "Weh tun würde es, wenn wir zu ängstlich wären"


Andreas Lengsfeld ist seit knapp eineinhalb Jahren Trainer des ASV Cham.

Andreas Lengsfeld ist seit knapp eineinhalb Jahren Trainer des ASV Cham.

Die Saison in der Landesliga Mitte neigt sich dem Ende zu - und der ASV Cham ist mittendrin im Aufstiegsrennen. Der Relegationsplatz ist schon sicher, bei vier Punkten Rückstand und noch zwei ausstehenden Spielen ist auch Platz eins noch möglich. Trainer Andreas Lengsfeld spricht im idowa-Interview über seine ersten eineinhalb Jahre als ASV-Coach, die aktuelle Situation und warum Glaube und Wille entscheidend sind.

Herr Lengsfeld, können Sie in dieser Saison eigentlich mit Jürgen Klopp mitfühlen?
Andreas Lengsfeld: (lacht) Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen. Wie wir spielt auch der FC Liverpool eine herausragende Saison, am Ende wird es aber wohl nur für Platz zwei reichen.

Ganz genau.
Lengsfeld: Bislang habe ich unsere Situation noch nicht mit der Liverpools verglichen, das ist dann doch ein bisschen weit weg. Aber grundsätzlich bin ich ein großer Sympathisant von Jürgen Klopp, er ist ein riesiger Menschenfänger.

Wenn Sie mit Ihrer Mannschaft die letzten beiden Saisonspiele gewinnen, stünden am Ende 80 Punkte zu Buche. Das hätte in den vergangenen Jahren immer zur Meisterschaft gereicht, mal reichten sogar unter 70 Zähler. Wie geht man damit um, wenn man am Ende vielleicht dennoch "nur" Zweiter wird?
Lengsfeld: So ist das Leben. Und wir können dennoch stolz auf das Erreichte sein. Eine solche Saison, wie wir sie aktuell spielen, hat der ASV Cham in der Vergangenheit in der Landesliga ja noch nicht ansatzweise gespielt. Und das haben wir erreicht, ohne groß eine Mannschaft zusammenzukaufen.

Mit Friedrich Lieder und Christoph Weidner kamen im Sommer nur zwei externe Neuzugänge.
Lengsfeld: Friedrich Lieder mussten wir als Ersatz für Franz Wendl verpflichten, da uns dadurch viel Qualität verloren ging. Christoph Weidner war zuvor ja auch lange verletzt und in Vilzing kein Stammspieler. Aber aus unserer Sicht passt er charakterlich gut zu unserer Truppe und wir haben in ihm noch Potenzial gesehen. Im Winter haben wir noch Alexander Schafberger geholt, den niemand auf dem Zettel hatte, wir haben aber in ihm etwas gesehen, womit er uns sportlich wie als Typ sehr gut helfen kann. Auf der anderen Seite sind acht Spieler gewechselt, wodurch der Kader kleiner geworden ist. Wir haben versucht, eine funktionierende Einheit zu formen. Deshalb ist diese Saison schon jetzt ein großer Erfolg. Dass mit Donaustauf eine Mannschaft noch besser dasteht, das können wir nicht beeinflussen. Sollte es jetzt in die Relegation gehen, dann wollen wir eben über diese den Aufstieg schaffen.

Was macht denn Ihre Mannschaft in dieser Saison so erfolgreich?
Lengsfeld: Wenn es ein Patentrezept geben würde, dann würde es jeder so machen. Letztlich ist es ein Zusammenspiel von ganz vielen Faktoren. Die Mannschaft ist zusammengewachsen, jeder einzelne hat sich weitentwickelt und dazu sind wir in einen Flow gekommen.

Sie gelten als sehr emotionaler Trainer. Haben Sie der Mannschaft bei der vorhandenen Qualität noch das nötige Sieger-Gen eingepflanzt?
Lengsfeld: Das müssen andere beurteilen. Aber unabhängig von meiner Person ist es wichtig, dass Glaube und Wille immer da sind. Man muss immer an sich glauben. Wir haben die Möglichkeit, Spiele auch zu drehen. Da sind wir wieder bei Jürgen Klopp, der lebt auch einen ganz großen Glauben an die eigene Stärke vor. Damit wir erfolgreich sind, muss aber auch viel passen. Fünf Prozent weniger und wir können in dieser Liga gegen fast alle Teams große Probleme bekommen.

Wo setzen Sie an, damit die Mannschaft Woche für Woche an ihr Limit geht?
Lengsfeld: Es gibt ganz klare Basics, die die Spieler immer befolgen müssen. Das sind ganz einfache Sachen, dazu gehören Kompaktheit, Diszipliniertheit und Geschlossenheit. Das ist das Grundgerüst. Darauf aufbauend kommen dann Enthusiasmus, unsere individuelle Qualität und unsere Offensivpower.

Blickt man zurück, dann hat die Mannschaft durchaus Zähler liegen gelassen. Gegen Bad Abbach holte man in zwei Spielen nur einen Punkt, gerade im Rückspiel gegen Donaustauf wäre am Ende auch ein Sieg möglich gewesen, bei Fortuna Regensburg wurde eine 2:0-Führung verspielt. Denken Sie an verpasste Chancen zurück?
Lengsfeld: Man kann sich jede Saison anschauen und wird Spiele finden, wo mehr möglich gewesen wäre. Das muss man aber relativ schnell abhaken und wieder nach vorne schauen. Eine perfekte Saison zu spielen, ist kaum möglich. Wenn wir als Beispiel das Spiel bei Fortuna nehmen. Wir haben das Spiel im Griff und verlieren nach einem unglücklichen Gegentor den Faden. Das ist menschlich. Das passiert Bundesliga-Mannschaften, selbst auf allerhöchstem Niveau im Champions-League-Halbfinale werden, wie in dieser Woche gesehen, vermeintlich sichere Führungen verspielt - von den besten Teams der Welt.

Wie gehen Sie persönlich mit Niederlagen um?
Lengsfeld: Man nimmt das schon mit nach Hause. Der erste Abend und die erste Nacht ist dann meistens nicht so schön, weil man alles noch einmal durchgeht. Aber in der Regel kann ich das auch schnell wieder abhaken. Am Montag analysiert man nochmal, aber spätestens am Dienstag ist es vorbei. Wichtig ist dann, schnell wieder positiv nach vorne zu schauen.

Blicken wir auf die aktuelle Mannschaft. Was zeichnet diese Ihrer Meinung nach aus, was sind Schlüsselspieler?
Lengsfeld: Das fällt mir ganz schwer, einzelne Spieler rauszupicken. Natürlich haben Spieler wie Franz Brandl oder Johannes Bierlmeier als Kapitäne eine etwas hervorgehobene Stellung. Als ich 2014 als Spieler nach Cham gekommen bin, waren beide noch sehr jung. Es ist schön, ihre Entwicklung zu sehen. Man wünscht sich, dass sie nach und nach mehr Verantwortung übernehmen und zu einem Sprachrohr der Mannschaft werden. Auch Michael Plänitz ist für uns sehr wichtig. Nicht nur sportlich, sondern auch als Persönlichkeit in der Kabine. Er ist kein Lautsprecher, aber jeder kann mit einem Problem immer zu ihm kommen. Aber auch alle anderen Spieler sind für uns genauso wichtig, wir haben eine sehr flache Hierarchie im Team.

Ist es Ihnen wichtig, dass jeder Spieler Verantwortung übernimmt?
Lengsfeld: Natürlich, das kann und darf auch noch mehr werden. Nicht jeder ist der Typ dafür, man kann es niemandem aufzwingen. Aber grundsätzlich bin ich sehr offen für solche Typen und verzeihe gerne auch mal einen Fehler mehr, wenn jemand sein Herz in die Hand nimmt und vorangeht. Man darf ruhig selbstbewusst und mutig sein. Denn was bringt mir das ganze Talent und die Qualität, wenn ich mich nicht traue, es auszuspielen. Das wäre, als hätte ich einen Sportwagen zu Hause mit 500 PS und traue mich nicht, ihn zu fahren.

Sie haben schon anklingen lassen, dass Ihnen defensive Stabilität wichtig ist. Welche Rolle spielt hier Stefan Riederer, der als ehemaliger Profitorhüter sicherlich eine Menge Qualität, mit seiner Art aber auch eine gewisse Ruhe ins Spiel bringt?
Lengsfeld: Stefan ist natürlich ein sehr wichtiger Faktor. Er ist jemand, der den jungen Spielern auch Räume lässt, sich zu entwickeln. Er muss sich nicht in den Vordergrund drängen, er lässt seine Leistung sprechen. Wenn es mal nötig war, dann ergreift er auch das Wort.

Zwei Spieltage vor dem Ende beträgt der Rückstand auf Donaustauf vier Zähler. Ist die Hoffnung auf Platz eins noch da?
Lengsfeld: Es hat im Fußball schon alles gegeben. Man weiß nicht, was passiert. Ich will, dass wir die nächsten beiden Spiele positiv bestreiten. Denn wenn wir nicht gewinnen, hat sich das Thema ohnehin erledigt. Was dann Donaustauf macht, das können wir nicht beeinflussen. Wir sehen das ganz realistisch, denn Träumen bringt uns nicht weiter.

Am Samstag geht es zum FC Passau…
Lengsfeld: …und das wird eine richtig schwere Aufgabe. Wenn bei Passau alle Spieler fit sind, und das ist aktuell so, dann sprechen wir hier von einer guten Bayernliga-Mannschaft. Das sehe ich in der aktuellen Situation sehr positiv. Jetzt haben wir kurz vor einer möglichen Relegation noch einmal ein Auswärtsspiel gegen einen qualitativ richtig guten Gegner. Das ist noch einmal ein richtig guter Test für uns.

Also sehen Sie Passau schon ein Stück weit als Simulation für die Relegation?
Lengsfeld: Nein. Man kann eine Relegation nicht simulieren, das ist einfach eine besondere Situation. Aber rein sportlich haben wir einen Gegner, der an einem guten Tag mindestens auf dem Niveau spielen kann wie alle Gegner, die in der Relegation in Betracht kommen.

Nach dem Spiel gegen Donaustauf vor ein paar Wochen meinten Sie, dass Ihre Mannschaft in der Anfangsphase gefühlt die Hosen voll hatte. Die Reaktion im anschließenden Spielverlauf war bemerkenswert. Ist es hilfreich, dass die Mannschaft solche Alles-oder-nichts-Spiele schon einmal gespielt hat?
Lengsfeld: Trotzdem kann auch ein solches Spiel eine Relegation nicht simulieren. Man muss hier die richtige Mischung zwischen Anspannung und Freude finden. Letztlich ist es auch abhängig von der Tagesform. Beim Donaustauf-Spiel hatte ich das Gefühl, dass die Mannschaft zu Beginn ängstlich war. Da fragt man sich als Trainer auch: Wie gehe ich nun damit um? Ich bin ruhig geblieben und haben es in der Halbzeit klar angesprochen.

Am Ende hätte es fast noch für einen Sieg gereicht.
Lengsfeld: Mit jeder Minute, die wir mehr gespielt hätten, wäre die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass wir noch ein Tor machen. Da hat man gesehen, wie wichtig im Fußball Mentalität ist. Mir ist es wichtig, nach einem Spiel das Gefühl zu haben, dass die Mannschaft alles rausgelassen hat. Wenn man dann verliert, okay. Ich bin der Meinung, man kann verlieren - gerade gegen eine Mannschaft wie Donaustauf mit sieben Spielern, die außer Fußball nichts machen. Weh tun würde mir, wenn wir Relegation spielen und danach sagen müssten, wir waren zu ängstlich.

Sie sind nun seit eineinhalb Jahren Trainer beim ASV Cham. Wie betrachten Sie die bisherige Zeit im Rückblick?
Lengsfeld: Am Anfang war es eine schwierige Zeit. Es wurde außenrum versucht, das negativ zu machen. Es gab Gerüchte, dass die Mannschaft auseinanderfällt. Das ist einfach nicht passiert. In einer solchen Situation zu starten, ist schon ein Brett. Aber ich konnte doch ganz gut damit umgehen. Wir haben dann eine gute Rückrunde gespielt und versucht, unsere Ideen reinzubringen. In dieser Saison haben wir es wieder ein Stück weit mehr geschafft, es in die Richtung zu bringen, die wir uns wünschen. Die Entwicklung ist sehr positiv und da wollen wir - egal in welcher Liga - nächste Saison weitermachen. Die Mannschaft bleibt ja wieder größtenteils zusammen.

Wo haben Sie angesetzt, als Sie gestartet sind?
Lengsfeld: Ich musste mir in den ersten Wochen die Situation erst genau anschauen. Als Trainer hat man eine ganz andere Sicht. Wir haben ganz einfache Regeln aufgestellt und versucht Grundprinzipien reinzubringen. Man glaubt gar nicht, wie lange das teilweise dauern kann, bis das eine Mannschaft verinnerlicht hat. Wir sind eben keine Profis, die sieben Mal pro Woche trainieren. Deshalb ist es wichtig, Basics zu schaffen und auf diesen dann aufzubauen.

Cham ist Ihre erste Trainerstation. Was haben Sie in den vergangenen eineinhalb Jahren dazugelernt?
Lengsfeld: Ganz viel. Man lernt Woche für Woche dazu. Ich bin gespannt, ob das auch noch so ist, sollte ich in zehn Jahren noch Trainer sein. Ich glaube, dass es dann noch immer so sein sollte. Es gibt so viele unterschiedliche Situationen. Da kann ich auch nicht einen bestimmten Punkt rausnehmen, wo ich dazugelernt habe. Man lernt im Training, im Umgang mit der Mannschaft. Jeden Tag gibt es einen Punkt, wo man dazu lernt. Das war von Tag eins so und hat bis heute nicht aufgehört.

Was ist Ihnen als Trainer wichtig?
Lengsfeld: Mir ist einerseits wichtig, dass die Jungs gerne herkommen und Spaß am Fußball haben. Gleichzeitig will ich aber auch das Leistungsdenken fördern. Es wird außenrum sehr viel gemacht, viel durch ehrenamtliche Arbeit. Dem muss man auch gerecht werden.

Was würde es Ihnen bedeuten, nun den Aufstieg mit dem ASV zu schaffen?
Lengsfeld: Es wäre unfassbar für mich. Man würde es allen Leuten im Umfeld gerne geben, dass sie nächste Saison Bayernliga-Fußball sehen können.

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Foto: Fabian Roßmann

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