Straubing/Regensburg

Nach Halle: Wie sicher sind die Synagogen bei uns?


Wie sicher sind die Synagogen? Unter anderem in der Straubinger Synagoge werden nun erhöhte Sicherheitsvorkehrungen ergriffen.

Wie sicher sind die Synagogen? Unter anderem in der Straubinger Synagoge werden nun erhöhte Sicherheitsvorkehrungen ergriffen.

Von Bettina Dostal, Redaktion idowa und mit Material der dpa

Der Anschlag auf eine Synagoge in Sachsen-Anhalt hat auch die Polizei in Bayern alarmiert. Auch vor einigen jüdischen Einrichtungen in Ostbayern soll der Schutz verstärkt werden.

Die Synagoge in Straubing ist ein eindrucksvoller Bau mit massiver Pforte. In das Fenster im Spitzgiebel ist ein Davidstern eingearbeitet, auch auf den beiden Türmen prangt gut sichtbar das Symbol für das Judentum. Mehrere Überwachungskameras sind auf das Gebäude gerichtet. "Dass wir hier bewacht werden müssen, das tut weh", sagt Anna Zisler, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde der niederbayerischen Stadt.

"Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen" auch in Straubing

Die Anschläge von Halle an der Saale nehmen auch die Vertreter der jüdischen Gemeinde in Straubing emotional mit: "Dass es in Deutschland noch immer antisemitische Tendenzen gibt, war uns bewusst, aber die jüngsten Taten machen uns schlichtweg Angst", sagt Zisler.

Die Synagoge in Straubing sei immer ein Risiko-Gebäude gewesen, das die Polizei zu den Gottesdienst-Zeiten besonders im Blick hatte: "Polizeistreifen haben in regelmäßigen Abständen nachgeschaut, ob alles in Ordnung ist", sagt die Vorsitzende der Gemeinde. Das werde nun nicht mehr reichen.

Bereits am Donnerstag, einen Tag nach den Anschlägen in Halle, waren die leitenden Beamten der Polizeiinspektion Straubing bei Zisler. Ergebnis der Besprechung: In Zukunft gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in und um die Synagoge, erklärt Anna Zisler: "Wie die genau aussehen, darf ich natürlich nicht sagen. Sonst wären sie nicht wirkungsvoll. Nur so viel: Wir hoffen, dass wir diese Vorkehrungen beizeiten auch wieder zurücknehmen können." Denn angenehm sind diese Vorkehrungen nicht. Sogar für einige Rituale der jüdischen Liturgie müsse man sich neue Lösungen überlegen.

Das Hauptportal der Straubinger Synagoge wird nicht mehr genutzt, seitdem Unbekannte gedroht hatten, etwas hinein zu werfen, sobald es offen stehe.

Das Hauptportal der Straubinger Synagoge wird nicht mehr genutzt, seitdem Unbekannte gedroht hatten, etwas hinein zu werfen, sobald es offen stehe.

Eine weitere Investition in die Sicherheit der Synagoge war schon vor dem Attentat in Sachsen-Anhalt geplant: Eine Sicherheitsschleuse, in der Besucher Rucksäcke und Taschen zurücklassen sollen. Dazu soll ein Nebeneingang und der Eingang zum Gemeindesaal von einem Glasanbau umgeben sein. "Wir kriegen leider keine Handwerker, sonst wäre diese Schleuse schon längst im Bau. Wir denken dabei nicht nur an unsere eigene, sondern an die Sicherheit unserer Gäste, egal welchen Glaubens", sagt die Vorsitzende der Straubinger Gemeinde.

Im kommenden Frühjahr soll der Bau des Glaskastens nun beginnen. Gerade, weil die Straubinger Gemeinde einen Kurs der Öffnung verfolge, sei Sicherheit wichtig - regelmäßig finden Gruppenführungen durch die Synagoge statt - und das soll auch so bleiben. Unter die Besuchergruppen könnten sich aber auch gefährliche Menschen mischen.

Dennoch lasse sie sich ihre Heimat nicht nehmen, erklärt Zisler. Zudem spüre sie sehr viel Unterstützung aus der Bevölkerung, nicht erst seit dem Anschlag: "Die Straubinger Familie hält zusammen. Und zu der gehören alle in der Stadt, Christen, Juden und Muslime."

Die Einschätzung der Verantwortlichen zur Sicherheitslage an der Regensburger Synagoge lesen Sie im zweiten Teil.

Regensburg: Beim Neubau der Synagoge Sicherheitsglas verwendet

Ilse Danziger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg, fühlt sich nach den Anschlägen in Halle nicht stärker bedroht, allerdings: "Von unseren Mitgliedern kommen schon verstärkt Anfragen in diese Richtung." Bereits beim Neubau der Regensburger Synagoge sei Sicherheitsglas verwendet worden. Zudem gebe es eine Schleuse für Besucher, wie auch in anderen bayerischen Synagogen, sowie einen eigenen Sicherheitsdienst. Zwischenfälle habe es seit dem Neubau hingegen nicht gegeben. Unter Polizeischutz stehe die Synagoge nicht. Aber: "Vor höheren Feiertagen bekommt die Polizei von uns einen wöchentlichen Zeitplan. Das ist aber schon immer der Fall. Bei Gottesdiensten ist sie dann auch präsent."

Zu den gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland sagt Danziger: "Der Antisemitismus ist wieder salonfähig geworden." Insbesondere durch Aussagen bestimmter Politiker fühlten sich Personen wie der Täter aus Halle in ihren Ansichten bestätigt. Diesbezüglich stimme sie mit Bundesinnenminister Horst Seehofer überein, der nach dem Anschlag AfD-Politiker wie Bernd Höcke als "geistige Brandstifter" bezeichnete. Der Ton in der Gesellschaft wird laut Danziger immer rauher: "Früher gab es noch Dinge, die man einfach nicht gesagt hat." Danziger erwartet sich nun "viel Zivilcourage".

Um Vorurteile abzubauen, bietet die Synagoge in Regensburg Führungen an. "Man muss sich gegenseitig kennenlernen", sagt Danziger. Gestern habe jemand eine Kerze vor der Synagoge angezündet. Die Enkelkinder hätten gefragt, warum. Danziger sagt mit belegter Stimme: "Wie soll man so eine Tat den Kindern erklären?"

Die Polizei hat in der ganzen Oberpfalz am Mittwoch Gespräche mit den Jüdischen Gemeinden aufgenommen, sagt Pressesprecher Florian Beck. Grundsätzlich sei man regelmäßig im Austausch: "Wir beraten die Gemeinden, wie sie sich schützen können." Ein Streifendienst sei vor der Regensburger Synagoge häufig präsent. Zu relevanten Zeiten, wenn Veranstaltungen in der Synagoge sind, gebe es feste Standposten. "Momentan sind die Schutzmaßnahmen verstärkt worden", sagt Beck.

Die Bewachung durch die Polizei sei bis auf Weiteres verstärkt worden, erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Der Schutz jüdischer Einrichtungen habe einen sehr großen Stellenwert. "Die Schutzmaßnahmen richten sich nach der jeweiligen Gefährdung und den tatsächlichen Schutzerfordernissen."

Zu konkreten Maßnahmen wollte sich das Bayerische Innenministerium auf Nachfrage unserer Mediengruppe allerdings nicht äußern: "Das würde die Wirksamkeit dieser Maßnahmen gefährden", erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Die Bandbreite möglicher Schutzmaßnahmen reiche von einer regelmäßigen Bestreifung bis hin zu dauerhaften Polizeiposten. Dazu können unter anderem auch bauliche Maßnahmen kommen, die in enger Abstimmung mit der Polizei umgesetzt werden. "Außerdem werden wir in den nächsten Tagen gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden prüfen, ob deren Synagogen ausreichend gegen Angriffe geschützt sind", heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums.

Bamberg: Bewachung an Festtagen

In Bamberg sei wegen des Feiertages Jom Kippur am Mittwoch ohnehin eine Streife vor der Synagoge gestanden, sagt Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der dortigen Israelitischen Kultusgemeinde. Bei Sicherheitslagen wie am Mittwoch empfiehlt Rudolph seinen Gemeindemitgliedern dennoch, vorsichtig zu sein. So habe er nach der Jom Kippur-Feier zur Gemeinde gesagt: "Geht möglichst schnell zum Bus. Zieht Euch eine Kappe auf, damit man Euch nicht als Juden erkennt."

Der Rat der Religionen wollte am Donnerstagabend beim Friedensgebet in München der Opfer des Anschlages in Halle/Saale gedenken. In Regensburg plante die Deutsch-Israelische Gemeinschaft für den Abend eine Mahnwache vor der Synagoge. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg rief für Samstag zu einer Demonstration gegen rechtsextremistischen Terror auf.

Am Mittwoch hatte ein mutmaßlicher Rechtsextremist am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, in der Synagoge in Halle/Saale ein Blutbad unter Gläubigen anzurichten. Der 27-jährige Deutsche scheiterte beim Versuch, die Synagoge mit Waffengewalt stürmen, wie es aus Sicherheitskreisen hieß. Danach soll der Mann vor dem Gebäude und in einem nahen Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen und mindestens zwei weitere verletzt haben. Er wurde festgenommen.