Regensburg

Rasantes Wachstum: Der Jahn zieht die Fans wieder an


Die Fanszene des SSV Jahn Regensburg ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen.

Die Fanszene des SSV Jahn Regensburg ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen.

Parallel zum sportlichen Erfolg hat sich in den vergangenen Jahren auch die Fanszene des SSV Jahn Regensburg rasant entwickelt. Der Verein ist auf einem guten Weg zu seinem Ziel, in die Herzen der Menschen in Ostbayern zurückzukehren.

Das letzte Saisonspiel ist vorbei und die Mannschaft des SSV Jahn Regensburg feiert samt Trainerteam ein letztes Mal in dieser Spielzeit vor der Hans-Jakob-Tribüne zusammen mit den Fans. Es gibt allen Grund zu feiern. Denn der Jahn, der vor gerade einmal vier Jahren in die Regionalliga abgestiegen war, hat in dieser Saison zum zweiten Mal in Folge den Erhalt der 2. Bundesliga realisiert. Christian Keller genießt den Moment im Stillen. Er steht zu diesem Zeitpunkt abseits der großen Bühne und verfolgt das Geschehen auf Höhe der Mittellinie vor dem Eingang in die Katakomben der Continental Arena. Zwischendurch lässt sich der Geschäftsführer sogar zum Mitklatschen hinreißen. Was Keller sieht, das kann ihn stolz machen. Nicht nur die Mannschaft, die ohne große Einzelkönner, dafür aber als funktionierendes Kollektiv mit ganz viel Mentalität wieder souverän die Klasse gehalten hat. Sondern auch der Zuspruch der Fans. Obwohl es in der Partie gegen den SV Sandhausen für den Jahn um nicht mehr viel ging, kamen fast 13.000 Zuschauer in die Arena.

"Es ist einfach fantastisch", sagte Keller wenige Tage zuvor, angesprochen auf die Entwicklung in der Fanszene des Jahn. Seit fast sechs Jahren ist er als Geschäftsführer für den Jahn hauptverantwortlich. Keller hat Zeiten erlebt, in denen hatte man zu kämpfen, im altehrwürdigen Jahnstadion an der Prüfeninger Straße die 3.000er-Marke zu knacken. In der vergangenen Spielzeit kamen im Durchschnitt 11.769 Leute in die inzwischen vier Jahre alte Arena an der A3. Auswärts begleiteten den Jahn in dieser Saison zum Beispiel über 1.500 Fans zum FC St. Pauli und über 2.000 beim vorletzten Saisonspiel zum 1. FC Köln. Rund um den Jahreswechsel hat der Verein die 3.000 Vereinsmitglieder vollgemacht.

"Die Leute sollen stolz sein auf den Jahn"

"Wenn ich sehe, wie viele Fans zu Auswärtsspielen kommen und wie wir zu Hause unterstützt werden, dann ist das toll", sagt Keller. Er sieht es als Indiz dafür, dass der Jahn für sein übergeordnetes Ziel auf dem richtigen Weg ist. "Wir wollen die Menschen in Regensburg und der gesamten Region Ostbayern wieder hinter den Club bringen. Die Leute sollen stolz auf den Jahn sein und sich mit ihm identifizieren können. Nicht nur im Stadion, sondern auch außerhalb. Es ist unser Ziel, dass sich die Menschen im Alltag mit dem Jahn beschäftigen, dass man beim Bäcker über das letzte Jahn-Spiel spricht."

In von außen zunächst unscheinbar wirkenden Räumlichkeiten in der Regensburger Altstadt, keine 300 Meter Luftlinie vom Dom entfernt, ist der Jahn das Gesprächsthema schlechthin. An einem Dienstagnachmittag während der Sommerpause sitzen Matthias Weigert (35) und Daniel Eckrich (27) in knallroten Kinosesseln. Ohnehin ist alles in rot und weiß gehalten, an der Wand ist das Logo der Hans-Jakob-Tribüne, der Stehplatztribüne des Jahn, zu sehen. Die beiden sind zwei von drei fest angestellten Mitarbeitern des Fanprojekts Regensburg, einer sozialpädagogischen Einrichtung, die es seit Februar 2016 gibt. Das Fanprojekt, dessen Herzstück der Fanladen ist, in dem die beiden sitzen, erfüllt rund um die Fanszene verschiedene Aufgaben. Zum einen ist es ein Ort, an dem sich das Klientel, also Fußballfans im Alter zwischen 14 und 27 Jahren, dienstags und donnerstags treffen kann. Hier wird sozialpädagogisch gearbeitet. Daneben arbeitet das Fanprojekt mit der Jahn-Fanszene zusammen, veranstaltet Themenabende, begleitet die Fans rund um Spiele des SSV Jahn und setzt verschiedene Projekte um, wie beispielsweise einen Sonderzug nach Kaiserslautern im vergangenen Jahr. An Spieltagen ist der Fanladen vor und nach den Spielen Treffpunkt für den harten Fankern.

Matthias Weigert (links) und Daniel Eckrich vom Fanprojekt Regensburg vor dem Logo der Hans-Jakob-Tribüne. (Foto: Fabian Roßmann)

Matthias Weigert (links) und Daniel Eckrich vom Fanprojekt Regensburg vor dem Logo der Hans-Jakob-Tribüne. (Foto: Fabian Roßmann)

Weil sie hauptberuflich mit den Fans zusammenarbeiten, können Weigert und Eckrich die Entwicklung der Fanszene gut beurteilen. Weigert, der seit 1996 zum Jahn geht, war sogar selbst beteiligt, als sich rund um die Jahrtausendwende die Regensburger Fanszene neu strukturiert hat. Nachdem der Jahn 1971 einen der ersten Fanclubs in Deutschland hatte, verlor er aufgrund von Misswirtschaft und sportlicher Talfahrt bis Ende der 90er alle Fanclubs. Daraufhin entwickelte sich eine neue Szene. Es wurden nacheinander "Power vom Tower", "Ratisbona Fanatica" und die "Ultras Regensburg" gegründet. Die Entwicklung verlief aber zunächst schleppend, auch bei den beiden Zweitliga-Aufstiegen 2003 und 2012 wurde es nach Weigerts Einschätzung verpasst, die Entwicklung stärker voranzutreiben.

Anders aktuell. Aufgrund des sportlichen Erfolgs der vergangenen Jahre in Kombination mit dem neuen Stadion ist die Fanszene des Jahn schnell gewachsen. "Gerade die Ultras erfahren inzwischen einen sehr regen jugendlichen Zuwachs", sagt Weigert. Es gibt inzwischen 20 offizielle Fanclubs und auch immer mehr Familien kommen zu den Jahn-Spielen. "Es bleiben immer mehr junge Leute hängen, weil es interessant ist, dass es auch direkt vor Ort Emotionen und einen gewissen Fanatismus gibt. Man muss dafür nicht 100 bis 200 Kilometer nach München oder Nürnberg fahren. So kann man die junge Generation auch langfristig binden", findet Weigert. Er sieht aber in der Entwicklung auch noch Luft nach oben und noch mehr Potenzial.

"Soziale Kraft" des Fußballs

Geschäftsführer Keller sieht die Entwicklung der letzten Jahre rundum positiv. "Die aktive Fanszene wächst, wir haben mittlerweile viele Fanclubs, auch wenn wir das in den kommenden Jahren noch aktiver fördern wollen, und auch immer mehr Familien kommen ins Stadion", sagt er. Ihn freut, dass im Stadion ein "Querschnitt der Gesellschaft" zu sehen ist. "Das ist toll und letztlich genau das, was der Fußball leisten kann. Er hat eine soziale Kraft, um Menschen unabhängig von Alter, Religion, Kultur oder sozialer Schicht zusammenzubringen. Je besser wir das umsetzen können, desto mehr werden wir unserer Verantwortung für den Standort gerecht."

Als prägnantesten Wandel hat Matthias Weigert festgestellt: "Wir haben inzwischen einen Status quo erreicht, wo man mit einem Jahn-Trikot in der eigenen Stadt nicht mehr schief beäugt wird." Das sei vor nicht allzu vielen Jahren noch anders gewesen, da habe man als Paradiesvogel gegolten und die Fußballfans seien eher zu den Bayern, zu 1860 oder zum Club gegangen. Inzwischen sei bei vielen der Jahn die Nummer eins. "Das ist in erster Linie auf das neue Stadion, den sportlichen Erfolg, den einkehrenden professionellen Touch und die strukturellen Veränderungen zurückzuführen", schätzt Weigert ein. Es sei in kurzer Zeit ein Zweitliga-Standort geschaffen worden, der sich auch als solcher etablieren könne. "Und der attraktive Fußball, der jetzt in Regensburg gespielt wird, macht es für die jungen Menschen noch einmal spannender, zum Heimatverein zu gehen." Und das völlig zurecht, wie Weigert findet: "Dieser altehrwürdige Traditionsverein hat es mehr als verdient, endlich mal einen richtigen Hype um sich herum auszulösen."

Jahn-Urgesteine und Nachhaltigkeit

Jahn-Urgestein Oliver Hein ist seit 2007 im Verein. Er hat gemeinsam mit den Fans Höhen und Tiefen erlebt. Er kann sich noch genau erinnern, als auch er einmal mit Teilen der Fans aneinandergerückt ist. Das war im ohnehin sehr emotionalen Abstiegsjahr 2015 beim Auswärtsspiel in Osnabrück. "Da gab es nach dem Spiel eine Meinungsverschiedenheit und es wurde hitzig diskutiert", erzählt Hein. Eine Situation, die im Rückblick die Bindung der Parteien aber sogar gestärkt hat. "Das hat beiden Seiten gezeigt, dass uns die Situation einfach nicht egal war. Dann gehören Emotionen einfach dazu. Das war ein Punkt, der Mannschaft und Fans hat zusammenrücken lassen, genauso wie die Aussprache am Ende der Saison", sagt Hein und fügt hinzu: "Der Verein lebt von den Fans und von der Mannschaft. Dann bringt es nichts, wenn man in verschiedene Richtungen marschiert."

Eine Statue für Oli Hein

Eben weil er mit vollem Herzen dabei ist, hat Hein bei den Jahn-Fans einen ganz besonderen Status. "Er wird in der Fanszene absolut vergöttert", sagt Matthias Weigert. "Oli Hein ist lange im Verein, hat Höhen und Tiefen mitgemacht und hat dem Verein immer die Treue gehalten - obwohl er auch höherklassige Angebote hatte." Das mache den Rechtsverteidiger zu einer ganz speziellen Identifikationsfigur. "Wenn er einmal aufhört, dann bekommt er ziemlich sicher eine kleine Statue in Regensburg", sagt Weigert.

Es sind Spieler wie Hein oder auch Sebastian Nachreiner, die eine hervorgehobene Stellung haben. Weil sie positive Ausnahmen in einer sich immer schneller drehenden und immer verrückter werdenden Fußballwelt sind. Andere Spieler kommen und gehen, wie es im Fußballgeschäft nunmal ist. "Aber wenn die Fans spüren, dass ein Spieler wirklich alles für den Verein gibt, dann wird er auch anerkannt", sagt Daniel Eckrich.

Das war in der vergangenen Saison zu spüren, nachdem der Jahn durch eine 2:5-Heimniederlage gegen Heidenheim aus dem DFB-Pokal ausgeschieden ist. Im Anschluss wurde die Mannschaft dennoch von den Fans gefeiert und gepusht - weil sie Einsatz gezeigt hatte. Ein Moment, der von vielen Spielern und Funktionären als Wendepunkt in der vorletzten Saison genannt wird. Auch Oli Hein kann sich noch gut daran erinnern: "Da haben wir Spieler gemerkt: Die Fans und vor allem die aktive Fanszene stehen hinter uns und akzeptieren auch, wenn es noch nicht so läuft, wir aber alles geben. Das war Ansporn für uns, wir wollten als Mannschaft zeigen, dass wir alles raushauen für den Verein." Daniel Eckrich sagt rückblickend: "Die Fans haben gemerkt, dass die Spieler wollten. Deshalb haben sie sich nicht abgekehrt, sondern sind nach dem Motto vorgegangen: Jetzt erst recht!"

Gemeinsam stark: Fans, Mannschaft und Verein sind in den vergangenen Jahren eng zusammengerückt. (Foto: Sascha Janne)

Gemeinsam stark: Fans, Mannschaft und Verein sind in den vergangenen Jahren eng zusammengerückt. (Foto: Sascha Janne)

Es war ein Moment, in dem Mannschaft und Fans noch enger zusammengerückt sind. Ohnehin ist die Beziehung Verein und Anhänger in den vergangenen Jahren Stück für Stück besser geworden. Es liegt in der Natur der Sache, dass Verein und Fans manchmal verschiedene Interessen verfolgen. Bei einer Professionalisierung eines Vereins ist der Vorwurf der Kommerzialisierung meist nicht allzu weit entfernt. "Ich denke, dass die Beziehung zwischen Club und Fanszene in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Der Austausch untereinander ist sehr konstruktiv, aber auch kritisch, wenn es sein muss", sagt Christian Keller. Eine Einschätzung, die Daniel Eckrich teilt: "Es ist wichtig, dass beide Seiten Verständnis für die jeweils andere Seite haben. Zusammen klappt es immer besser als gegeneinander. Das wird in Regensburg gerade sehr gut gelebt und man zieht an einem Strang."

Die Unterstützung der Fans ist dabei für die Mannschaft sehr wichtig, wie Oli Hein betont: "Wir sind aktuell in einem Zirkus dabei, in dem wir noch ein kleiner Player sind. Deshalb können wir nur über Emotionalität und Geschlossenheit bestehen."

Keller: "Weiter auf die positive Strahlkraft unserer Marke einzahlen"

Da die positive Fan-Entwicklung in den vergangenen Jahren einherging mit dem sportlichen Erfolg, stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit unabhängig vom Erfolg. "Schön wäre es, wenn wir irgendwann dahin kommen, dass die Clubmarke, also die Werte, für die der Jahn steht, so stark wahrgenommen wird, dass die Fans deshalb hinter dem Club stehen - unabhängig von der Liga", sagt Christian Keller. Ihm ist aber auch bewusst: "Dafür brauchen wir noch einiges an Zeit und müssen weiter auf die positive Strahlkraft unserer Marke einzahlen." Er ist allerdings überzeugt: "Die Fans haben ein gutes Gespür dafür, was für uns sportlich möglich ist und dass wir aktuell für jedes Zweitligaspiel dankbar sein müssen und es für den Jahn etwas ganz Tolles ist, in der 2. Liga dabei zu sein."

Dass, wenn es sportlich einmal nicht mehr so gut laufen würde, der eine oder andere Zuschauer weniger käme, glaubt Matthias Weigert schon. "Ein gewisses Eventpublikum hat man immer, aber davon bleiben auch immer ein paar im aktiven Fankern hängen", sagt er. Der Sozialpädagoge ist sich aber sicher: "Selbst wenn der Verein einmal wieder absteigen würde, dann würde eine größere Fanbasis übrigbleiben als es sie vor ein paar Jahren noch gegeben hat." Eine These, die Oliver Hein genauso unterschreiben würde: "Ich muss mich nicht weit aus dem Fenster lehnen, um zu behaupten: Wenn der Verein einmal wieder ein kleines Tal durchschreiten müsste, wäre die Fanunterstützung auf einem deutlich höheren Niveau als es vorher der Fall war." Der Jahn ist eben auf einem guten Weg zurück in die Herzen der Menschen in Ostbayern.