Regensburg/Deutschland

Tierversuche – ein statistischer Blick auf deutsche Labore


Die überwiegende Mehrzahl der Versuchstiere sind Mäuse. Laut dem zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft lag die Zahl der 2018 bei Tierversuchen verwendeten Mäuse bei rund 1,54 Millionen.

Die überwiegende Mehrzahl der Versuchstiere sind Mäuse. Laut dem zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft lag die Zahl der 2018 bei Tierversuchen verwendeten Mäuse bei rund 1,54 Millionen.

Über 2,8 Millionen Tiere wurden im Jahr 2018 in Deutschland für medizinische Forschungen eingesetzt oder getötet. Während das erklärte Ziel der zuständigen Ministerien ist, Tierversuche überflüssig zu machen, bleibt die Zahl der verwendeten Tiere von Jahr zu Jahr nahezu gleich. Von 2017 auf 2018 stieg sie sogar. Wie geht das zusammen?

Dass das Ziel einer tierversuchsfreien Forschung ernsthaft verfolgt werde, beweisen die zahlreichen angestoßenen Forschungsprojekte in dieser Richtung, erklärt eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf idowa-Anfrage: "Seit dem Jahr 1980 sind mehr als 560 Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt mehr als 180 Millionen Euro unterstützt worden. Mit der Förderung durch das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Ministerium für Bildung und Forschung nimmt die Bundesregierung bei der Erforschung und Entwicklung von Alternativ- und Ersatzmethoden zum Tierversuch auf EU-Ebene eine Vorreiterrolle ein."

"Reduce, replace, refine". Verringern, verfeinern, ersetzen - das ist die selbstauferlegte Regel der Forscher im Bereich Biochemie und Medizin für Tierversuche. Sie gilt nach eigener Aussage auch an der Universität Regensburg, beziehungsweise am Universitätsklinikum Regensburg: "Wo sich Versuche auch an schmerzfreier Materie durchführen lassen, also etwa an biochemischen Präparationen, Zellen, Zellverbänden, an isolierten Organen oder an Computermodellen, greifen unsere Wissenschaftler*innen bevorzugt auf diese Möglichkeiten zurück", schreibt eine Sprecherin der Uni Regensburg. Gleichzeitig stellt sie klar: "In naher Zukunft kann - etwa im Bereich der biomedizinischen Forschung - auf ein Explorieren im lebenden System nicht gänzlich verzichtet werden. Die Hoffnung ist aber, dass die Wissenschaft mit der Entwicklung neuer Methoden auch in diesen Bereichen in absehbarer Zukunft echte Alternativen findet, sodass die Zahl weiter sinken kann."

5.355 Mäuse, Ratten und Kaninchen an den Regensburger Hochschulen

"An der Uni und dem Uni-Klinikum Regensburg kommen ausschließlich Mäuse und Ratten zum Einsatz", erklärt die Sprecherin der Uni Regensburg auf Anfrage. Für die Erfassung der Versuche ist das Veterinäramt der Stadt Regensburg als Aufsichtsbehörde zuständig. Das spricht von "insgesamt 5.355 Versuchstieren in 117 Versuchsvorhaben". Wie die Stadt mitteilt, teilt sich diese Zahl auf in 4.854 Mäuse, 456 Ratten und 45 Kaninchen. Aktuellere Zahlen stehen nicht zur Verfügung - die Meldefrist für das Jahr 2019 laufe noch bis zum März.

Wie aber werden sich diese Zahlen in Zukunft entwickeln? Selbst für die nahe Zukunft sei eine Aussage dazu schwierig, heißt es von der Stadt Regensburg auf unsere Anfrage, denn "der Genehmigungszeitraum erstreckt sich hier im Normalfall über eine Zeitspanne von drei bis fünf Jahren. Wann genau die Wissenschaftler die Versuchstiere in diesem Zeitrahmen verwenden, ist in den meisten dieser Fälle nicht vorhersehbar." In Regensburg gibt es in der aktuellen Genehmigungsrunde Stand jetzt 120 laufende, genehmigte oder angezeigte Versuchsvorhaben. Zum Einsatz kommen laut den eingereichten Unterlagen Mäuse, Ratten, Kaninchen, Rennmäuse, Schweine und Krallenfrösche.

Immer mehr Nagetiere und auch mehr Hunde und Katzen

Knapp 2,1 Million Tiere wurden in den Laboren und Instituten Deutschlands 2018 in wissenschaftlichen Versuchen eingesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr waren das etwa 70.000 mehr. Die Tiere hinzugerechnet, die zu wissenschaftlichen Zwecken getötet wurden - beispielsweise, weil ihnen Organe entnommen werden sollten oder aus ihren Körpern Gewebe gewonnen werden sollte, summiert sich die Zahl der Labortiere auf rund 2,8 Millionen.

Der Verein Ärzte gegen Tierversuche kritisiert, dass das Ministerium seit 2016 gleichsam zwei Statistiken führt. Nach Meinung des Vereins soll damit die Gesamtzahl der getöteten Tiere verschleiert und die Statistik geschönt werden. Wohl richtig ist, dass das den Bürgern vermittelte Bild über den Alltag in Versuchslaboren mit dieser Lesart etwas freundlicher wirkt: Das Leid, das die Tiere ertragen müssen, wird in der "Schwere der Versuche" ausgedrückt. Diese Skala geht von "gering" über "schwer" bis hin zu "keine Wiederherstellung der Lebensfunktion". In die letzte Kategorie - in der der Versuch zum Tod des Tieres führt - fielen laut der Tierversuchs-Statistik für 2018 sechs Prozent der Versuchstiere. Der Prozentsatz wäre deutlich höher, wenn diese Aufstellung auch Tötungen zu wissenschaftlichen Zwecken aufführen würde. Das Minsisterium verweist darauf, dass die Gesamtzahl der verwendeten beziehungsweise getöteten Tiere jährlich im Internet veröffentlicht und auch an die EU weitergegeben wird.

Lesen Sie im zweiten Teil des Artikels, in welchen Forschungsbereichen die meisten Tierversuche zum Einsatz kommen und welche Alternativen es schon heute zu einem Teil der Tierversuche gibt.

Fast 4.000 Hunde in Tierversuchen eingesetzt

Was die Zahl der jeweiligen Tiere angeht, so verschob sich der Anteil der eingesetzten Tiergattungen. Etwa 50.000 Fische weniger als im Jahr davor wurden 2018 zu Versuchstieren. Auch die Zahl der Vögel in Tierversuchen ging um rund 6.000 zurück auf insgesamt 36.920. Ähnliches gilt für Kanichen und Ratten. Mit diesem Rückgang einher ging allerdings ein Zuwachs bei den Mäusen: Waren 2017 noch 1,36 Millionen Mäuse in Tierversuchslaboren eingesetzt worden, stieg deren Zahl 2018 auf rund 1,54 Millionen. Die Frage, warum das so ist, konnte das Ministerium auf idowa-Nachfrage nicht beantworten.

Ebenso stieg die Zahl der verwendeten Hunde und Katzen. Mit fast 4.000 Hunden wurde bundesweit experimentiert, das entspricht einem Anstieg von 20 Prozent. 765 Miezen mussten für Versuche herhalten - auch das eine Steigerung im Vergleich zu 2017. Laut Ministerium hänge das aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Art der durchgeführten Versuche zusammen: Hunde und Katzen kommen demnach "zur Erforschung von Tierkrankheiten sowie für die gesetzlich vorgeschriebene Toxizitäts- und Unbedenklichkeitsprüfung von Tier- und Humanarzneimitteln zum Einsatz."

Fast die Hälfte der Versuche dient der Grundlagenforschung

Etwa 44 Prozent der Tierversuche dienten zur Erforschung biochemischer Zusammenhänge oder der Funktionsweise bestimmter Organe und Systeme. In dieser sogenannten Grundlagenforschung kamen rund 938.000 Versuchstiere zum Einsatz.

Die meisten dieser Tierversuche sollen demnach neue Erkenntnisse zur Funktionsweise und zu Krankheiten des Immun- und Nervensystems bringen. Mit rund 90.000 Versuchstieren hatte auch die Krebsforschung einen vergleichsweise großen Anteil, etwa 94.000 Tiere kamen bei Versuchen zu Lymphsystem und Blutkreislauf zum Einsatz.

Computer und KI statt Labormaus?

Eine mögliche Alternativen zu Qual und Sterben im Labor ist, biochemische Vorgänge von einem Computer berechnen zu lassen. Je nachdem, wie groß die Datenbasis ist - die allerdings meist durch Tierversuche erst geschaffen wurde - klappt das zuweilen schon sehr gut. Eine zweite Alternative ist der Einsatz von Zellkulturen, also im Labor gezüchteter Zellen, die zwar alle Lebensfunktionen aufweisen, aber nicht zu einem Organismus verbunden sind. Sie leben zwar, haben aber kein Bewusstsein, sie denken und fühlen - zumindest nach bisherigen Erkenntnissen der Wissenschaft - nicht.