Ratgeber

Was tun, wenn das Wunsch-Tattoo zum Albtraum wird?


Von Matthias Jell und Redaktion idowa

Ist dieses Tattoo noch im Rahmen? Im Bild links zu sehen, die ursprüngliche Vorlage. So sollte das Resultat aussehen, wobei der Kunde besonderen Wert auf den Rauch legte. In der Bildmitte und rechts schließlich das noch nicht ganz fertiggestellte Tattoo, mit dem der Kunde derart unglücklich war, dass er sich letztlich entschied, den Termin zu einer zweiten Sitzung erst gar nicht mehr wahrzunehmen. (Foto: Thalau)

Über Kunst lässt sich bekanntlich trefflich streiten. Wenig verwunderlich also, dass auch bei Tattoos die Meinungen weit auseinandergehen. Während die einen dem ganzen Körperkult generell nichts abgewinnen können, kann es anderen gar nicht genug Farbe unter der Haut sein. Und dann wäre da noch die Gretchenfrage: "Welches Tattoo ist gut gestochen und welches schlecht?"

Exakt bei dieser Frage scheiden sich häufig die Geister. Denn geht beim Stechen etwas schief, weicht die Euphorie allzu schnell purem Frust. Ein solcher Fall erreichte uns vor einigen Tagen in der idowa-Redaktion. Ein Hilferuf einer Straubingerin, deren Freund sich den gesamten Unterarm tätowieren ließ. Dabei hatte der junge Mann offenbar klare Vorstellungen. Diese wurden aus seiner Sicht jedoch in keinster Weise erfüllt. "Dieses Tattoo hat absolut nichts mit dem Wunsch meines Freundes zu tun. Nun ist er absolut entstellt und leidet unter starken Depressionen", beschreibt seine Freundin die aktuelle Gefühlslage.

Chancen vor Gericht

Doch welche Möglichkeiten hat man als "Opfer" in einer solchen Situation? Eine knifflige Frage, denn Qualität liegt letztlich immer im Auge des jeweiligen Betrachters. Und doch gibt es Fälle, in denen Betroffene nach einem Tattoo-Pfusch vor Gericht gezogen sind und mit ihrer Klage erfolgreich waren. So zum Beispiel eine Frau aus München, die sich für 80 Euro einen französischen Schriftzug stechen ließ. Doch das Ergebnis war ihrer Meinung nach alles andere als zufriedenstellend: verwaschen, schlecht leserlich und schief. Eine Korrektur zum Aufpreis von weiteren 20 Euro machte es nicht besser. Daher zog die Frau vor das Amtsgericht München. Und siehe da: der dortige Richter verurteilte die Tätowiererin dazu, das Honorar von 100 Euro zurückzuerstatten und zusätzlich ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro zu zahlen. Außerdem musste die Beklagte für Folgeschäden sowie eine Korrektur oder Entfernung aufkommen. Der zuständige Richter begründete das Urteil damit, dass "ein professioneller Tätowierer - worunter die Beklagte nach ihren eigenen Angaben fällt - derartige Fehler nicht macht". Das Tattoo habe somit "nicht der zu erwartenden Qualität entsprochen". Das Urteil ist rechtskräftig. (AZ: 132 C 17280/16).

Ähnlich wie bei missratenen Frisuren ist also eine Chance auf Schadensersatz und Schmerzensgeld grundsätzlich gegeben. Zumindest unter den richtigen Voraussetzungen. Denn nicht immer hat der Tätowierer schuld. Zum Beispiel dann, wenn nachweislich nach Fertigstellung des Tattoos ein Fehlverhalten des Kunden vorliegt, das dazu führt, dass sich die Qualität verschlechtert oder sogar Erkrankungen eintreten. Dies kann bei schlechter Pflege oder allzu sorglosem Umgang mit dem Tattoo der Fall sein. Entsprechende Pflege-Anleitungen müssen die jeweiligen Tätowierer dem Kunden an die Hand geben. Im Klartext bedeutet das also, wer gegen einen Tätowierer klagen möchte, sollte zunächst einmal eine eigene Schuld ausschließen können.

Welche Tipps Tätowierer geben, lesen Sie auf Seite 2.

Dazu raten Tätowierer

Kann man derartigem Tattoo-Frust vorbeugen? Tom Leidl (52) ist seit 25 Jahren Tätowierer und ist Inhaber von "Tattoo by Tom" in Straubing. Er räumt ein, dass es in der Tattoo-Branche "viel mehr Auflagen und Kontrollen bräuchte", denn prinzipiell kann jeder, der Lust darauf hat, ein eigenes Tattoo-Studio eröffnen. Es gibt weder eine vorgeschriebene Ausbildung dafür, noch wirklich aussagekräftige Zertifikate, die dem Kunden eine gewisse Qualität garantieren. Was also tun? "Ich kann nur jedem raten, sich im Vorfeld viel Zeit zu nehmen für die Auswahl des Studios. Dazu gehört es, hinzugehen, sich ausführlich beraten zu lassen und sich die Werke des jeweiligen Tätowierers anzusehen", empfiehlt Tom Leidl. Ein gewisses Vertrauensverhältnis sollte zu dem Tätowierer bestehen. Dafür braucht es ein persönliches Gespräch. Leidl: "Ein guter Tätowierer geht auf die Wünsche seiner Kunden ein, ist zuverlässig und hat ein anständiges Preis-/Leistungsverhältnis."

Finger weg von Tattoo-Experimenten im Freundeskreis

Ähnlich sieht das auch Dana Iltzsche vom Tattoo-Studio "Stitches" in Metten. Auch die 40-Jährige ist eine klassische Quereinsteigerin und begann vor fünf Jahren mit der Kunst, die buchstäblich unter die Haut geht. Dana Iltzsche hat damals mit kleinen Schritten angefangen. "Ich habe erst eine Zeit lang einem anderen Tätowierer über die Schulter gesehen und habe dann mit kleinen Tattoos langsam angefangen, die man noch leicht korrigieren konnte. Erst im Laufe der Jahre steigert sich das dann allmählich", erinnert sich die Inhaberin des "Stitches". Ihrer Meinung nach sei es heutzutage "viel leichter, sich vorab über Tätowierer zu informieren". Iltzsche: "Es ist ja nicht mehr so wie vor 20 Jahren, als alles nur über Mundpropaganda lief. Heute kann man sich im Internet jede Menge Werke des Künstlers anschauen. Darüber hinaus sollte man natürlich direkt ins Studio gehen und sich informieren." Auch ihrer Erfahrung nach werde das allzu oft vernachlässigt und aus Jux und Tollerei einfach mal drauf los tätowiert. Dazu wird dann im Freundeskreis experimentiert und spontan gestochen - meist mit der zu erwartenden "Qualität" und ohne jegliche Hygienevorschriften einzuhalten.

Cover-Up oder Lasern

"Ausbaden" dürfen die entsprechenden Tattoo-Unfälle dann häufig professionelle Tätowierer wie Dana Iltzsche und Tom Leidl. Entweder fertigen sie sogenannte "Cover-Ups" an, bei denen der alte Tattoo-Pfusch durch ein neues hochwertiges Motiv überdeckt wird, oder es wird eine Laser-Entfernung durchgeführt. Letztere bietet Tom Leidl seit kurzem zusätzlich in seinem Studio an. Dafür hat er eigens einen Laser-Schutzkurs belegt. Leidl: "Ich denke, es ist wichtig, diesen Service in Zukunft zusätzlich anzubieten, denn es werden immer mehr Leute, die mit ihren Tattoo-Sünden der Vergangenheit todunglücklich sind und bei denen Cover-Ups keine Lösung sind." Die Kosten des Laserns sind jedoch höher, als ein Tattoo selbiger Größe wäre. "Mit vier Sitzungen muss man beim Lasern mindestens rechnen, mit einer Pause von je sechs bis acht Wochen zwischen den einzelnen Sitzungen. Im Normalfall bleiben danach keine Rückstände zu sehen", berichtet Tom Leidl.

Welche gesundheitlichen Risiken Tattoos mit sich bringen, lesen Sie auf Seite 3.

Das geschieht mit der Haut beim Tätowieren

Zwar sind Tattoos mittlerweile längst salonfähig geworden, jedoch bedeutet das nicht, dass die Kunstwerke für den menschlichen Körper per se harmlos sind. Wir haben aus diesem Grund bei Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Bäumler vom Universitätsklinikum Regensburg nachgefragt. Er sagt: "Die Farbpigmente in den Tattoofarben sind rein industrielle Pigmente und durchlaufen kein Zulassungsverfahren zur Anwendung am Menschen. Daher können Tattoofarben bedenkliche Bestandteile enthalten, die unter anderem Infektionen sowie allergische Reaktionen auslösen können." Vor allem letztere seien kein seltenes Phänomen. "Tattoofarben können bis zu 100 verschiedene Substanzen enthalten, darunter können immer Stoffe sein, die allergische Reaktionen auslösen können. Allergische Reaktionen in Zusammenhang mit Tätowierungen sind in der medizinischen Fachliteratur häufig dokumentiert", erläutert der Physiker.

"Laserbehandlung bedarf medizinischer Fachkenntnisse"

Der menschliche Körper muss durch ein Tattoo einiges an Arbeit leisten, wie Dr. Bäumler bestätigt: "Während des Tätowierens wird die Haut mit den Tätowiernadeln großflächig verletzt, um die Farbe in die Haut einzubringen. Direkt nach dem Tätowieren werden die Stichkanäle in der Haut im Rahmen der Wundheilung wieder geschlossen." Besonders kritisch sieht der Wissenschaftler die Farbe: "Für die Haut sind Tattoofarben Fremdmaterial und sie versucht, das Material wieder zu entfernen. Ein großer Teil der Farbe, die in die Haut eingestochen wurde, wird in den Tagen und Wochen nach dem Tätowieren über das Lymphsystem in den Körper abtransportiert, zum Beispiel in die nächsten Lymphknoten und auch die Leber. Dort können sie ein Leben lang verbleiben oder auch ausgeschieden werden. Wohin die Farben im Körper noch gelangen oder ob die anderen Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt werden, ist derzeit noch nicht erforscht."

Das Weglasern von Tattoos hält Dr. Bäumler hingegen für weniger riskant: "Bei fachmännischer Durchführung ist das Risiko von Nebenwirkungen sehr gering." Damit deutet der Wissenschaftler bereits eine gewisse Skepsis gegenüber der Laserentfernung in Tattoo-Studios an und ergänzt: "Die Laserbehandlung von Tätowierungen bedarf medizinischer Fachkenntnisse, um nach einer fachmännischen Beratung eine effiziente und sichere Behandlung durchführen zu können." Entsprechende Farbrückstände müsse man seiner Einschätzung nach immer einkalkulieren. "Eine vollständige Entfernung ist oftmals nicht zu erreichen. Das gilt insbesondere für Tattoos, in denen viele verschiedene Farben verwendet wurden", so der Wissenschaftler.