Fern der Heimat

Indische Mission im Bayerischen Wald

Pfarrer Johnson Kattayil will anderen Menschen seinen Glauben näherzubringen. Seit 2022 macht er das in der Gemeinde Prackenbach im Landkreis Regen. So hat sich sein Leben mit der Aufgabe tausende Kilometer von der Heimat entfernt verändert.


Der indische Priester Johnson Kattayil sieht seine Berufung darin, den katholischen Glauben mit Menschen auf der ganzen Welt zu teilen. Dafür nimmt er auch die große Entfernung von seiner Familie in Kauf.

Der indische Priester Johnson Kattayil sieht seine Berufung darin, den katholischen Glauben mit Menschen auf der ganzen Welt zu teilen. Dafür nimmt er auch die große Entfernung von seiner Familie in Kauf.

Von Julia Rabenbauer

Darum wachet! Denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird, spricht Pater Johnson Kattayil in seiner Predigt. Bedächtig lauschen die Gläubigen den Worten des Pfarrers. Eher spärlich verteilt, sitzen sie auf den wenigen Bänken der kleinen alten Kirche. Die meisten von ihnen sind ältere Menschen, die allein zum Gottesdienst gekommen sind. Nur einige Jüngere sitzen in den Reihen, alleine oder mit Kindern.

Johnson Kattayil ist 46 Jahre alt, katholischer Priester und gebürtiger Inder. Er ist ein Mann mit kleiner, leicht untersetzter Statur, einem breiten Lächeln und dunklen, freundlichen Augen. Johnson trägt eine eckige Brille und einen schwarzen Vollbart, der schon gräuliche Ansätze zeigt. Seine Freizeit nutzt er für Spaziergänge und, um Musik zu hören. "Ich höre aber lieber leise, klassische Musik, nicht diese Bumm-Bumm-Lieder", schmunzelt er. Auf den ersten Blick wirkt er etwas zurückhaltend, sein Handdruck ist eher zaghaft, sein Lächeln etwas schüchtern. Schnell merkt man jedoch, dass er ein sehr offener und redseliger Mensch ist. Vor dem Gottesdienst begrüßt er vor der Kirche die Gläubigen, plaudert gemütlich mit einigen. Es wirkt fast, als wäre er schon immer Teil der Gemeinde Prackenbach (Kreis Regen).

In der Moosbacher Pfarrkirche hält Johnson jedes Wochenende die Heilige Messe.

In der Moosbacher Pfarrkirche hält Johnson jedes Wochenende die Heilige Messe.

"Wir Priester sind für die Welt da"

Johnson kommt aber, wie jeder sechste Priester in Deutschland, aus dem Ausland. Er stammt aus Kochi, einer Großstadt in Bundesstaat Kerala in Südindien. Hier ist er mit seinem Bruder aufgewachsen. "Ich stamme aus einem sehr gläubigen, traditionellen Elternhaus, meine Heimat ist ein ganz christliches Gebiet", erzählt er. Mit 15 Jahren entschließt sich Kattayil, sein Leben dem Glauben zu widmen und diesen anderen Menschen näherzubringen. Dass er das in einer kleinen Gemeinde 7 000 Kilometer von seiner Heimat machen würde, ahnt er damals noch nicht. "Wir Priester sind für die Welt da, nicht nur für unsere eine Familie, und zwar dort, wohin wir gesendet werden", sagt er.

Nach den Messen tauscht Johnson sein Priestergewand durch schlichte Kleidung aus. Er trägt eine schwarze Daunenjacke, eine dunkle Hose und schwarze Schuhe - simpel und unauffällig. Johnson sitzt auf einer Kirchenbank, die Hände im Schoß gefaltet und wirkt etwas nervös, als er anfängt zu erzählen. Es fällt ihm damals nicht leicht, nach der zehnten Klasse seine Koffer zu packen und eine zweitägige Reise nach Nordindien anzutreten.

Weit weg von allem, was er bisher kennt. Er tritt dem Orden der Vinzentiner bei, eine Gemeinschaft, die sich vor allem der Seelsorge verpflichtet und beginnt die zwölfjährige Priesterausbildung. Während der Lehrzeit muss er einer genauen Tagesroutine folgen: um fünf Uhr aufstehen, bis 22 Uhr beten, arbeiten und lernen. Johnson erzählt gerne und sehr ausführlich über seine Ausbildung. Bis heute hat er die Angewohnheit, pünktlich um 22 Uhr ins Bett zu gehen. Ansonsten hat sich als Priester sein Tagesplan stark verändert. Neben festen Terminen, für Gottesdienste oder private Besuche, die er einzuhalten hat, muss er in seiner Tätigkeit sehr flexibel sein. Oft erreichen ihn früh morgens oder spät am Abend Anrufe wegen Sterbefällen, oder Notfällen. "Dann ziehe ich mich an und fahre los. Diese Zeit schenke ich den Gemeindemitgliedern gerne", sagt er. Johnson hat eine leise Stimme, redet ruhig, langsam und bedacht. Manchmal stockt er im Satz, als denke er über das Gesagte nach. Er erzählt über die Mission seines Ordens, eine Gemeinschaft, die soziale Projekte in Indien unterstützt. Wie die meisten Missionen weltweit, finanziert sich auch diese durch private Spenden. So kommt es, dass Johnsons Ober ihn fragt, ob er dazu bereit wäre, nach Deutschland zu gehen, um mit einem Teil seines Lohns die Mission zu unterstützen. Johnson stimmt zu. Seine Familie und Freunde sieht er seitdem nur noch einmal im Jahr, wenn er seinen Urlaub in Indien verbringt. Wenn er in Deutschland ist, telefoniert er regelmäßig mit seiner Familie. Trotz der Entfernung liege ihm der Kontakt mit ihnen am Herzen.

In Deutschland predigt er nur acht statt 30 Minuten

Als Johnson im Oktober 2009 nach Deutschland zum Bistum Regensburg kommt, ist er nicht auf sich selbst gestellt. Diakon Ulrich Wabra, Unterstützer der Ausbildung ausländischer Priester im Bistum Regensburg, erklärt, dass die Priester in einem zweijährigen Einführungskurs begleitet werden, um den deutschen Seelsorgerahmen kennenzulernen. Ihm zufolge lernen sie hier zum Beispiel, dass eine Predigt in Deutschland nur acht Minuten dauert und nicht 30, wie es in ihren Heimatländern oft üblich ist. Johnson belegt zudem erneut einen Sprachkurs, um noch besser deutsch zu lernen. Er muss lachen, als er darüber erzählt: "Sprachen zu lernen ist eine Gabe, die ich nicht so ganz besitze". Trotzdem ist sein Deutsch heute nahezu tadellos, nur hin und wieder muss er im Gespräch kurz innehalten, um die richtigen Worte zu finden. Wenn sein Telefon klingelt oder Gläubige eine Frage an ihn haben, kann er alles verstehen und beantworten. Im Moment wohnt Johnson bei Margarete Früchtl, der Mesnerin der Pfarrei Moosbach, die zur Gemeinde Prackenbach gehört. Sie hat ihn wegen eines Umbaus des Pfarrhofs bei sich aufgenommen. "Er ist wie ein Sechser im Lotto, unser Pfarrer Johnson" , sagt sie. Margarete steckt viel Hoffnung in Johnson. Sie denkt, dass er der Richtige ist, um den Menschen den Glauben wieder näherzubringen. "Er ist ein sehr gläubiger, demütiger Mensch. Wenn er das nicht schafft, dann keiner." Auch bei Gemeindemitgliedern ist Johnson von Anfang an beliebt. Vorurteile ihm gegenüber hat es Margarete zufolge, nie gegeben. "Wir hatten zuvor auch einen tollen indischen Priester, konnten also nur positive Erfahrungen sammeln."

Trotz seiner Beliebtheit wirkt Johnson sehr bescheiden. Er spricht lieber über seine Aufgaben und Vorhaben als Priester, als sich in den Fokus zu stellen. Johnson beschreibt seine Tätigkeit als einen Vollzeitjob. "Ich muss immer bereit sein - das gehört zum Priestersein dazu." Seine Zeit schenkt er den Gläubigen der drei Pfarreien in der Gemeinde Prackenbach gerne. Auch wenn die Messen in der Gemeinde immer öfter eher spärlich besucht sind, hält er jede einzelne mit Freude. Der Grund ist ein besonderer Lohn: "Wenn ich eine Messe halte und die Leute singen und beten, gibt mir das eine besondere Kraft, die den ganzen Tag bleibt."

Ein Vorhaben, das Johnson zudem sehr am Herzen liegt, ist es, wieder mehr junge Männer dazu zu bewegen, den Priesterberuf zu erlernen. Er redet mit den jungen Gläubigen der Gemeinde, motiviert sie, will ihnen zeigen, was diese Tätigkeit für ihn bedeutet. Denn der Priestermangel ist nicht mehr zu übersehen. 2022 gab es im Bistum Regensburg nur noch zehn Priesterweihen, in Passau lediglich drei. Dass ausländische Priester in Deutschland immer mehr den Seelsorgemangel ausgleichen müssen, sieht Johnson nicht problematisch. Mit kritischen Äußerungen über die Kirche wirkt er eher zurückhaltend. Auch das Bistum Regensburg hofft auf eine Veränderung. "Wir leben in einer Zeit, in der es schwer ist, sich für den Seelsorgeberuf zu entscheiden", so Diakon Ulrich Wabra. Jedoch mangelt es in Deutschland nicht nur an Priestern, sondern auch an anderen christlichen Berufen wie Diakonen und Pastoralreferenten. Mit einer Dekanatsreform will das Bistum Regensburg, bis 2034 viele Pfarreien neu zuschneiden, um den Seelsorgemangel auszugleichen.

Wenn man Johnson nach seinen glücklichsten Momenten fragt, muss er nicht lange grübeln. Seine größte Freude ist es, eine Messe vor einer vollen Kirche zu halten. Das Singen und Beten mit den Gläubigen, die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und Ministranten, das Spenden der Sakramente. In all diesen Dingen hat Johnson seine Passion gefunden. Wie genau seine Zukunft aussehen wird, sorgt ihn nicht. Er will seine Aufgaben dort erfüllen, wohin er gesendet wird. "Was morgen kommt, das weiß ich nicht. Also lebe ich im Heute."

Zur Autorin

Julia Rabenbauer studiert in Passau Journalistik und strategische Kommunikation. Ihr Beitrag ist in einer Lehrredaktion entstanden, die in dem Studiengang integriert ist. Die Lehrredaktion wird von Redakteuren unserer Mediengruppe betreut.