Polizeipräsidium Niederbayern

Herrmanns Masterplan gegen die Polizei-Überstunden?


Bringen die Neuzuteilungen den Überstunden-Berg bei der bayerischen Polizei zum Schmelzen? Die Gewerkschaft der Polizei ist eher skeptisch. (Symbolbild)

Bringen die Neuzuteilungen den Überstunden-Berg bei der bayerischen Polizei zum Schmelzen? Die Gewerkschaft der Polizei ist eher skeptisch. (Symbolbild)

Von Stefan Karl

Gut 2,3 Millionen Überstunden schieben die bayerischen Polizeibeamten vor sich her - das besagt eine eigene Erhebung des Innenministeriums vom November 2019. Laut Minister Joachim Herrmann soll dieser Berg jetzt abgeschmolzen werden - durch ausbezahlte Überstunden, Freizeitausgleich und neue Stellen bei der Polizei. Doch wie realistisch sind diese Pläne?

Die offiziellen Zahlen klingen nach "Land unter": 8,4 Prozent mehr Überstunden bei der bayerischen Polizei im November im Vergleich zum Vorjahr. Im Schnitt hat jeder Polizist 72 Mehrarbeitsstunden - 2018 waren es noch 67 pro Schutzmann. Entlastung sollen jetzt die versprochenen neuen Beamten für die Dienststellen bringen. 3.500 neue Stellen sollen bis 2023 in den Dienststellen, Stationen und Präsidien geschaffen werden, davon 690 schon im ersten Halbjahr 2020. Die geplanten Stellen entsprechen einer Arbeitskapazität von rund sieben Millionen Arbeitsstunden pro Jahr, rechnet das Ministerium vor. Gleichzeitig soll über den "Freizeitausgleich" - also die Umwandlung von Überstunden in freie Tage - und mittels ausbezahlter Überstunden der Schleifstein an den Überstundenberg gelegt werden.

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Soweit die Theorie, aber in der Praxis alles gar nicht so einfach, sagt Martin Lehner, der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Niederbayern, auf Anfrage von idowa. "Viele Beamte würden sich ihre Überstunden gerne auszahlen lassen", erklärt Martin Lehner, "aber die bürokratischen Hürden sind so hoch, der Vorgang so komplex, dass viele der Anträge abgelehnt werden müssen." Die Behörde scheitere hier in gewisser Weise an sich selbst und ihrer eigenen Korrektheit - mehrere Arbeitszeitkonten, ein Wust von Arbeitskategorien wie die "angeordnete Mehrarbeit", nicht zu verwechseln mit gewöhnlichen Überstunden, fixe Zeiträume für die entsprechende Antragsstellung - all das habe sich als wenig praxistauglich erwiesen: "Es wäre wohl das Finanzministerium gefordert, die Vorgaben übersichtlicher zu gestalten."

So sei es Jahr für Jahr das gleiche Ritual, sagt der Polizeigewerkschafter: "Einmal im Jahr thematisiert der Minister die Überstundenlast, dann kommt von den Inspektionsleitern die Ansage: ‚Seht zu, dass ihr eure Überstunden abbaut'. Schließlich werden die Anträge fast alle abgelehnt." Und damit bleibt alles beim Alten bis zum nächsten Jahr.

Zwei weitere Faktoren lassen laut Lehner den Überstundenberg eher wachsen statt schmelzen: "Die Extra-Stunden liegen zu einem großen Anteil bei den Führungskräften, nur selten bei den normalen Polizisten, die auf der Straße Dienst tun. Vor allem die jungen Führungskräfte sind hochmotiviert und daher auch bereit, Mehrarbeit zu leisten." Zugleich hätten die Workaholics in den Reihen der Polizei die technischen Möglichkeiten, immer und überall zu arbeiten. Dieser Idealismus sei nicht zwingend gesund - und er bereitet der Gewerkschaft der Polizei Sorge.

Immerhin - eine gute Nachricht gibt es in Bezug auf die Stellenzuteilungen aus Sicht der Polizeigewerkschaft: "Anders als in früheren Zeiten sind die Zuteilungen wenigstens realistisch. Es kommen wirklich Menschen und nicht nur Stellen", sagt Martin Lehner: