NHL-Star im Interview

Tom Kühnhackl: "Glück, dass ich es aus New York rausgeschafft habe"


"Es ist erschütternd und extrem traurig", sagt Tom Kühnhackl, der in der NHL bei den New York Islanders spielt, über die Bilder, die er aufgrund der Corona-Krise aus New York sieht.

"Es ist erschütternd und extrem traurig", sagt Tom Kühnhackl, der in der NHL bei den New York Islanders spielt, über die Bilder, die er aufgrund der Corona-Krise aus New York sieht.

Von Daniel Gahn

Der Landshuter Tom Kühnhackl spielt bei den New York Islanders in der NHL. Im Interview spricht er über die Metropole in Corona-Zeiten, über Leon Draisaitl und kaputte Türen im elterlichen Keller

Herr Kühnhackl, seit 2018 spielen Sie für die New York Islanders, wie erschütternd ist es für Sie, der Sie nach der Unterbrechung der NHL-Saison wieder in Landshut sind, die Bilder aus New York zu sehen? Die Stadt ist das Epizentrum der Corona-Pandemie.
Tom Kühnhackl: Es ist erschütternd und extrem traurig. Die Stadt ist sonst so voller Leben, wenn man überlegt, wie viele Menschen normalerweise am Times Square sind und jetzt ist das alles eine Geisterstadt. Ich kann nur von Glück sagen, dass ich es rechtzeitig rausgeschafft habe, da kann man nur ein großes Dankgebet sprechen. Die Bilder von den Krankenhäusern, die nicht mehr wissen, wo sie die Infizierten versorgen sollen, die vielen Toten - es ist fürchterlich. Man kann nur hoffen, dass bald ein Heilmittel gegen das Virus gefunden wird. Wir waren jetzt alle schon lange genug im Regen, es ist Zeit, dass er vorbeizieht und wieder etwas Sonne in unser aller Leben kommt.

Haben Sie Kontakt zu Ihren Mitspielern? Wie viele sind noch in New York?
Kühnhackl: Viele sind in ihre Heimat geflogen, aber einige konnten die Stadt nicht verlassen, weil sie etwa gerade erst Kinder bekommen haben, sie sitzen fest. Und natürlich hat man da Angst, wenn man sieht, was in der Stadt gerade passiert.

Einige alteingesessene New Yorker vergleichen die Stimmung in der Stadt mit der Zeit nach den Terroranschlägen am 11. September 2001.
Kühnhackl: Das kann ich mir gut vorstellen.

Glauben Sie daran, dass diese NHL-Saison überhaupt zu Ende gespielt werden kann?
Kühnhackl: Immer weniger. Wobei ich ganz offen sagen muss, es ist im Moment definitiv nicht das Wichtigste in der Welt, ob wir die Saison in irgendeiner Art zu Ende bringen. Wenn es so ist, schön. Die Fans, die so lange keinen Sport live oder im Fernsehen gesehen haben, würden sich sicher freuen, aber der Fokus muss wirklich auf etwas anderem liegen: Dass wir alle möglichst schnell und gesund aus dieser düsteren Zeit herausfinden. Was mit Sport, was mit Eishockey passiert, ist da absolut zweitrangig.

Für Leon Draisaitl, der mit den Edmonton Oilers eine grandiose Saison spielt und der Toptorjäger in der NHL ist, wäre ein Abbruch ganz persönlich sicher bitter.
Kühnhackl: Auch ein Wort wie grandios wird dem, was Leon leistet, nicht gerecht. Das ist absolute Weltklasse, das ist eigentlich einzigartig. Aber ich bin sicher, wenn wir ihn fragen würden, was er von der Situation hält, würde er das Gleiche sagen, wie ich. Sport ist im Moment nicht wirklich wichtig.

Draisaitl trauert auch um seinen Teamkollegen Colby Cave, der mit nur 25 Jahren an einer Hirnblutung verstorben ist.
Kühnhackl: Ich war einfach fassungslos, als ich das gehört habe. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn ein Freund, ein Teamkollege plötzlich nicht mehr da ist, so einfach aus dem Leben gerissen wird. An einem Tag sprichst du mit ihm, am nächsten ist er tot. Es zerreißt einem das Herz, wenn man das Bild von Colbys trauernder Frau gesehen, ihre Abschiedsworte gelesen hat. Als ich davon erfahren habe, dass Colby im Koma liegt, habe ich gleich Tobi Rieder angerufen.

Der Nationalspieler, der zur Zeit in der NHL bei Calgary spielt, aber die Saison davor noch für die Oilers auflief.
Kühnhackl: Genau. Er kannte Colby persönlich. Es ist eine Tragödie. Wir sind beide schwer erschüttert.

Versuchen wir etwas leichtere Themen: Wie war der Moment, als Ihr großer Traum vom ersten NHL-Spiel in Erfüllung ging?
Kühnhackl: Es war bei mir ein langer Weg, ich habe Jahre an der East Coast gespielt, in der AHL, es aber nie in die NHL geschafft. Natürlich fängt man auch irgendwann zu zweifeln an, ob es der richtige Weg ist, ob meine Zukunft vielleicht doch eher in Europa liegt. Aber mein Vater...

...Eishockey-Legende Erich Kühnhackl.
Kühnhackl: Ja, er hat mich immer angespornt - und auch die Trainer haben mir immer gut zugeredet, den Traum, den man als Kind hatte, nicht aufzugeben. Zum Glück hatte ich diese Unterstützung. Als ich dann mein erstes Spiel in der NHL gemacht habe, habe ich das breiteste Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht bekommen. Ich war zwar supernervös am Anfang, aber überglücklich.

Und dann gleich der Triumph im Stanley-Cup-Finale!
Kühnhackl: Das ist unglaublich, nach einem halben Jahr in der NHL gewinne ich mit Pittsburgh den Stanley Cup - und das auch noch vor den Augen der Eltern, die im Stadion dabei waren. Die Worte, um diese Gefühle zu beschreiben, müssen erst gefunden werden. Wenn ich nur daran denke, kriege ich Gänsehaut. Ich habe immer gedacht, man braucht ein bisschen Zeit, um das zu realisieren. Um ehrlich zu sein: Ich habe es immer noch nicht realisiert.

Und im Jahr darauf gleich der nächste Finaltriumph.
Kühnhackl: Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich dafür Worte finde, wenn ich schon für den ersten Erfolg keine habe. (lacht)

Sie spielen mit der legendären Nummer 14 Ihres Vaters.
Kühnhackl: Wann immer es geht, nehme ich bei jedem Team diese Nummer, denn ich bin unglaublich stolz, ein Teil dieser Familie zu sein und dass mein Vater so ein großartiger Eishockeyspieler war - und ein toller Mensch ist. Das mit der 14 ging in Landshut los. Als ich die Junioren hinter mir hatte, hat man mich gefragt, welche Nummer ich haben will. In Landshut wird bei den Senioren die 14 zu Ehren meines Vaters nicht vergeben. Ich sagte, "Ich weiß es nicht, die 14 geht ja nicht." Da haben sie gemeint: "Frag doch mal deinen Vater, ob ihn das stört." Ich habe nur gesagt: "Nein, er hat sich diese Ehre verdient." Dann haben sie aber hintenrum meinem Papa gefragt und der hat gemeint: "Natürlich kann er sie haben." Deswegen spiele ich seitdem meist mit der 14.

Wie sehr war der Name Kühnhackl, der im deutschen Eishockey einen Klang hat, wie der Name Beckenbauer im Fußball, für Sie eine Bürde?
Kühnhackl: Natürlich gibt es Leute, die schlecht reden, die erzählen, dass man nur spielt, weil der Vater eine große Nummer ist, weil er Einfluss im Verein hat. Aber man lernt, damit umzugehen und es zu ignorieren. Denn wenn man das an sich ranlässt, haben sie schon gewonnen.

Die eigene Karriere ging ja im elterlichen Keller los.
Kühnhackl: Stimmt, das Eishockeyspielen im Keller hat zur täglichen Routine gehört.

Wie viele Türen haben denn da unten Schaden genommen?
Kühnhackl: Darüber schweigen wir dann doch lieber.