Nachholbedarf

Studie: Bayern hinkt beim Impfschutz für Kleinkinder hinterher


Schwächelt der Freistaat beim Impfschutz für Kleinkinder?

Schwächelt der Freistaat beim Impfschutz für Kleinkinder?

Von Redaktion idowa und mit Material der dpa

Der Freistaat Bayern schwächelt offenbar beim Impfschutz für Kleinkinder. Zu diesem Schluss kommt ein Report der Techniker Krankenkasse.

Laut einer Studie der Krankenkasse haben in Bayern nur 39 Prozent der Kleinkinder den vollständigen Impfschutz erhalten. Von "vollständig" spricht man, wenn Kleinkinder innerhalb der ersten zwei Lebensjahre alle 13 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen erhalten. Dazu gehören etwa Impfungen gegen Masern, Windpocken oder Röteln. Im bundesweiten Vergleich stehe der Freistaat damit an drittletzter Stelle. Nur in Sachsen (32 Prozent) und Hessen (28 Prozent) ist der Wert laut dem Report noch niedriger. Und noch eine weitere Zahl sorgt bei den Experten für Bauchschmerzen: So haben fünf Prozent der 2016 geborenen Kinder im Freistaat bis zu ihrem zweiten Geburtstag keine einzige Impfung erhalten.

"Ursachen für niedrige Impfquoten sind meist zu wenige Informationen und ein Mangel an Aufklärung", sagt Christian Bredl. Er ist Leiter der Techniker Krankenkasse in Bayern, die die Untersuchung durchgeführt hat. Demnach würden 19 Prozent der Bayern den Impfstatus ihrer Kinder nur unregelmäßig von einem Arzt überprüfen lassen. Etwa genauso viele wüssten nicht einmal, wo sich ihr Impfpass befindet. Dabei sei eine Impfung nicht nur für das eigene Kind, sondern auch für andere Kleinkinder wichtig, sagt Bredl. "Je höher der Anteil der geimpften Menschen ist, desto weniger kann sich ein Erreger ausbreiten."

Das mangelender Impfschutz zu einem Problem werden kann, zeigt ein Rückblick. Eine lebensbedrohliche Variante der Meningokokken ist in diesem Jahr verstärkt in Bayern aufgetreten. Die Krankheitserreger können zu einer Hirnhautentzündung oder Blutvergiftung führen. Besonders betroffen war im Herbst der Landkreis Ebersberg. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) riet daraufhin, den Impfschutz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu überprüfen und gegebenenfalls nachzuholen.

Die Erreger sind laut Robert Koch Institut (RKI) vor allem für Kleinkinder und Jugendliche gefährlich. Gegen Meningokokken C empfiehlt das RKI eine Impfung für alle Kinder ab zwölf Monaten. Die Impfquote in Bayern war laut LGL zwar gestiegen, liegt dem RKI zufolge aber noch unter dem Bundesdurchschnitt. Knapp jeder siebte Erstklässler im Freistaat war Untersuchungen zufolge nicht gegen Meningokokken C geimpft.

Impfkritische Millieus

Extrem niedrige Quoten bei der Men-C-Impfung zeigten sich laut dem "Gesundheitsreport Bayern" des LGL in den oberbayerischen Landkreisen, etwa in Miesbach und Bad Tölz mit rund 66 beziehungsweise ungefähr 55 Prozent Einschulungs-Impfquote. Der Landkreis Ebersberg, wo die sechs Meningokokken-Fälle auftraten, wies hier etwa 78 Prozent auf - ebenfalls unter Landesdurchschnitt. Auch bei der Immunisierung gegen andere schwere Krankheiten, wie etwa Kinderlähmung, Hepatitis B oder Masern, waren Oberbayern und auch Schwaben insgesamt die Schlusslichter. Der Bericht machte für diese Zahlen unter anderem "impfkritische Milieus" verantwortlich. Dr. Markus Frühwein, Impf-Experte aus München: "Es gibt schon eine Korrelation zwischen Wohlstand, Bildungsstufe und möglicher Impfgegnerschaft." Da habe man es oft mit Menschen zu tun, die "in ganz anderen Feldern studiert" hätten und dann dächten, sie wüssten auch im medizinischen Bereich besser bescheid als der Arzt, so Frühwein.

Ausbrüche der Masern hatten dieses Jahr im Freistaat ebenfalls hohe Wellen geschlagen. Im Frühjahr wurden fast drei Dutzend Masernfälle publik. Die Zahl ging aus einer Anfrage an die Staatsregierung hervor. Demnach lag im bayerischen Durchschnitt die Quote bei der zweiten Impfung bei nur mehr 92 Prozent. Nur eine Quote von 95 Prozent könne laut Experten eine Verbreitung der Erkrankung verhindern. Die Quote bei der ersten Masernimpfung lag laut Staatsregierung bei 96,6 Prozent. Gefährlich sind Masern vor allem für Säuglinge und Kleinkinder. Fachleute empfehlen zwei Impfungen im Kindesalter.

Zahlen aus Ostbayern zur Masernimpfung hatte Kinderarzt Dr. Jörg Horcher beim 13. Straubinger Ethiktag zum Thema im November vorgetragen: Die erste Masern-Impfung erreiche in Straubing eine Quote von bis zu 98 Prozent, die zweite Impfung 95,5 Prozent. Mit seinen Straubinger Kinderarzt-Kollegen habe er in den vergangenen 15 Jahren 100.000 mal geimpft. Nur zehn Impfschäden seien dabei gemeldet worden - alle folgenlos ausgeheilt. Statt einer gesetzlichen Pflicht befürworteten die Mediziner, die Masernimpfung zu empfehlen und alle Anreize dafür auszuschöpfen.