Regional-Siegel

Verbraucherschützer beklagen "Wildwuchs"


Laut dem Ernährungsreport 2020 legen 83 Prozent der Deutschen großen Wert auf regionale Lebensmittel. Viele Händler kommen diesem Wunsch mit regionalen Eigenmarken nach. Doch nicht immer stecken in Produkten, die als "regional" gekennzeichnet sind, auch wirklich Zutaten aus der Region. (Symbolbild)

Laut dem Ernährungsreport 2020 legen 83 Prozent der Deutschen großen Wert auf regionale Lebensmittel. Viele Händler kommen diesem Wunsch mit regionalen Eigenmarken nach. Doch nicht immer stecken in Produkten, die als "regional" gekennzeichnet sind, auch wirklich Zutaten aus der Region. (Symbolbild)

"Aus der Region", "Mit regionalen Zutaten" oder "Gefertigt in der Region": Viele Lebensmittel im Supermarkt tragen Auszeichnungen wie diese. Regionalität gilt als Qualitätsmerkmal. Allerdings ist der Begriff gesetzlich nicht geschützt. Was regional ist, kann der Handel weitgehend selbst bestimmen, beklagt die Verbraucherzentrale Bayern. Die Folge: Schwarzwälder Schinken, der aus Italien stammt, und weitere Seltsamkeiten.

"Das Problem ist, dass jeder Regionalität anders definiert", erklärt Daniela Krehl, Sprecherin der Verbraucherzentrale Bayern. Die meisten Unternehmen kennzeichnen ihre Produkte mit eigenen, regionalen Siegeln. Welche Konzepte dahinter stecken, lasse sich für Kunden aber kaum überprüfen. Die Verbraucherzentrale Bayern hat deswegen bei sieben Handelsunternehmen im Freistaat nachgehakt und sie nach ihren Kriterien für bayerische Regionalsiegel befragt. Eine Anfrage erhalten haben dabei Aldi Süd ("Einfach regional"), Edeka ("Mein Bayern"), Globus ("So schmeckt Bayern"), Kaufland ("Regio-Herz"), Lidl ("Ein gutes Stück Bayern"), Real ("Gutes aus der Heimat") und Rewe ("Rewe regional"). Das Ergebnis: Bei den meisten regionalen Eigenmarken der jeweiligen Händler finden alle wichtigen Produktionsschritte (Erzeugung, Verarbeitung, Herstellung und Verpackung) tatsächlich in Bayern statt. Allerdings ist das nicht immer so. "Wir hatten auch Beispiele, wo allein die Produktionsstätte oder der Firmensitz ausgereicht haben, um ein Produkt als regional zu bewerben", berichtet Daniela Krehl. "Für die meisten Verbraucher hat das jedoch nichts mit ihrer Vorstellung von regionalen Lebensmitteln zu tun."

Unterschiedliche Kriterien bei regionalen Marken

Der Knackpunkt: Der Begriff "regional" ist gesetzlich nicht geschützt. Deswegen können Händler mit dem Begriff relativ freizügig umgehen. Für die Verbraucherzentrale Bayern sind die Herkunft der Zutaten, die Transportwege und unabhängige Kontrollen die wichtigsten Kriterien für die Glaubwürdigkeit regionaler Produkte. In diesen Punkten unterscheiden sich die regionalen Eigenmarken allerdings deutlich. Beispiel Zutaten: So gibt es Händler, die tatsächlich überwiegend Zutaten verwenden, die aus der jeweiligen Region stammen. Für andere reicht es aus, wenn mehr als die Hälfte (51 Prozent) aus der Region kommen. Und wieder andere sehen nicht die Herkunft der Zutaten als entscheidend an, sondern nur, dass die Produktion vor Ort stattfindet. Zwar gibt es bereits staatliche Siegel und Labels, die Verbrauchern hier mehr Orientierung bieten sollen. Doch diese seien nicht immer gut umgesetzt, beklagt Daniela Krehl.

Und wie sieht es auf EU-Ebene aus? Hier gibt es entsprechende Auszeichnungen, allerdings besteht auch hier ein Nebeneinander von unterschiedlichen Labels. Zwei Beispiele: Der Allgäuer Emmentaler ist mit dem GU-Siegel der EU geschützt. GU steht dabei für "geschützte Ursprungsbezeichnung". "Diese geschützte Herkunft ist durchaus interessant, weil der Verbraucher damit weiß: Die Milch kommt aus dem Allgäu, der Käse ist im Allgäu hergestellt", betont Daniela Krehl. Allerdings gibt es noch ein weiteres EU-Siegel, das GGA. Diese Abkürzung steht für "geschützte geographische Angabe". "Hier wird nur garantiert, dass einer der Arbeitsschritte in einer bestimmten Region stattfindet." Beispiele dafür seien etwa die Nürnberger Bratwürste oder der Schwarzwälder Schinken. Die Zutaten dafür könnten aber aus ganz anderen Regionen kommen. "Das ist problematisch, weil beide Siegel sehr ähnlich aussehen und den Verbraucher dadurch eher verwirren als informieren. Das ist schlecht umgesetzt."

Dagegen sei etwa das EU-Bio-Siegel ein Positiv-Beispiel. Hier seien die Kriterien fest definiert und würden auch kontrolliert. Auch das "Geprüfte Qualität Bayern"-Siegel hebt Daniela Krehl lobend hervor. Das ist ein staatliches Siegel, das neben der Qualität auch die Regionalität garantiert. Genutzt wird es etwa von Rewe und Edeka. Beide Ketten seien in Sachen Regionalfenster relativ vorbildlich. "Aber daneben gibt es gefühlt 100 weitere Siegel, die reine Marketing-Maßnahmen sind. Die verwirren mehr, als sie nützen."

Um den "Wildwuchs" bei Lebensmittel-Siegeln zu unterbinden, bräuchte es nach Überzeugung der Verbraucherzentrale bundeseinheitliche Standards für alle Formen freiwilliger Regionalangaben und für Werbung mit regionaler Herkunft. "So kann man dem Verbraucher Sicherheit geben, anstatt ihn durch einen Dschungel von Marketing-Labels zu schicken."

Gibt es hier Bestrebungen, auf einheitliche Siegel von staatswegen hinzuwirken? Eine entsprechende Anfrage beim Bundeslandwirtschaftsministerium sowie beim Justiz- und Verbraucherschutzministerium wurde gestellt, blieb aber bis Redaktionsschluss unbeantwortet.