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Die chemische Keule im Grundwasser


Der Wasserzweckverband Mallersdorf hat ein Problem: Im Trinkwasser sind zu viel Nitrat und Atrazin. Beide Stoffe werden oder wurden in der Landwirtschaft eingesetzt. (Symbolbild)

Der Wasserzweckverband Mallersdorf hat ein Problem: Im Trinkwasser sind zu viel Nitrat und Atrazin. Beide Stoffe werden oder wurden in der Landwirtschaft eingesetzt. (Symbolbild)

Der Wasserzweckverband Mallersdorf hat ein Problem: Im Trinkwasser sind zu viel Nitrat und Atrazin. Beide Stoffe werden oder wurden in der Landwirtschaft eingesetzt.

Die "chemische Keule" kommt aber oft genug auch in Gärten zum Einsatz. Alle Rückstände landen im Grundwasser, aus dem das Trinkwasser gewonnen wird. Damit die fast 40.000 Abnehmer weiter mit gesundem Wasser versorgt werden können, wird jetzt unter anderem eine Aufbereitungsanlage gebaut. Insgesamt werden rund 4,2 Millionen Euro investiert. Der Wasserpreis ist deswegen von 79 auf 97 Cent gestiegen.

"Das ist eine gewaltige Erhöhung", beschwert sich ein Kunde, und rechnet vor, dass es sich um eine immerhin 22,8-prozentige Preissteigerung handelt. Ludwig Sigl, Werkleiter beim Wasserzweckverband Mallersdorf, bestätigt die Zahl - wenn ihn die Kritik auch schmerzt. "Wir werden jetzt dafür bestraft, dass wir in den vergangenen Jahren zu billig waren", sagt er.

Sprich: Die Wassergebühr hätte angesichts der laufenden Kosten schon längst erhöht werden müssen. Immerhin hat der Zweckverband acht Brunnen in Betrieb, zwei Quellen, acht Hochbehälter, zwei Wassertürme und über 900 Kilometer Rohrleitungen mit 13.500 Abnahmestellen instand zu halten. Die Länge der Leitungen entspricht etwa der Entfernung zwischen Mallersdorf und Flensburg.

Seit 25 Jahren verboten - immer noch im Wasser

Doch am Leitungsnetz liegt es nicht, dass der Zweckverband jetzt über vier Millionen Euro in die Hand nehmen muss, sondern an gestiegenen Nitrat- und Atrazinwerten im Wasser. Nitrat ist in Düngemitteln enthalten, Atrazin in einem Pflanzenschutzmittel, das auf Maisfeldern ausgebracht worden ist. Die Ausbringung von Atrazin ist seit 1991 verboten, im Grundwasser ist der Stoff - beziehungsweise dessen Abbauprodukt Desethylatrazin - erst vermehrt in den letzten Jahren festgestellt worden.

Und zwar nicht nur im Labertal, sondern in vielen Regionen. Nach Angaben des Landesamts für Umwelt (LFU) sind vor allem in Niederbayern, in Oberfranken und der Oberpfalz die sogenannten Rohwässer vermehrt mit Pflanzenschutzmittelrückständen belastet.

In Mallersdorf war vor rund zehn Jahren das Ansteigen des Atrazin-Werts beobachtet worden, berichtet Werkleiter Sigl. Bald war klar: Die steigenden Konzentrationen sind kein Messfehler und auch keine kurzfristige Welle, die von selbst wieder abebbt. Sie sind auch kein Labertal-Problem, sondern eines, das sich bei vielen Wasserversorgern bemerkbar machte.

Genauso beim Nitrat: Auch hier ist die Belastung des Grundwassers vielerorts so weit gestiegen, dass schon mehrere Wasserversorger eine Aktivkohlefilteranlage gebaut haben. Eine andere Möglichkeit, den Grenzwert einzuhalten, ist es, das Trinkwasser zu mischen. Der Zweckverband Mallersdorf geht diesen Weg und hat deshalb 2015 einen vierten Brunnen gebohrt. Das Wasser dort kommt aus tieferen Schichten und enthält kein Nitrat. Gemischt mit Wasser aus anderen Brunnen kann der Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter deutlich unterschritten werden.

Immer tiefere Brunnen sind keine Perspektive


Immer mehr Wasserversorger in Deutschland behelfen sich beim Nitrat auf diese Weise. 43 Prozent der Grundwässer in Deutschland weisen nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtscahft (BDEW) bereits Nitratgehalte zwischen 25 und 50 Milligramm pro Liter auf. Wasser zur Nitratgrenzwertunterschreitung zu mischen, ist laut BDEW nur eine Notlösung. Auch der Wasserzweckverband Mallersdorf sieht im Bohren weiterer, immer tieferer Brunnen keine Perspektive. "Grundwasserschutz geht alle an", macht daher Bürgermeister Karl Wellenhofer, Vorsitzender des Wasserzweckverbands, immer wieder deutlich. Das sieht auch Werkleiter Sigl so. Ihm ist es ein Anliegen, dass Menschen ihr sauberes Trinkwasser besser schätzen und schützen.

Vom Rasendünger bis zum Schneckenkorn

Mit Vertretern der Landwirtschaft habe es dazu bereits wiederholt Gespräche gegeben, doch müssten nicht nur sie umdenken: "Viele Menschen machen sich nicht klar: Alles, was ich in meinen Garten ausstreue oder ausgieße, landet früher oder später im Grundwasser." Die Palette reiche dabei vom Rasendünger über Unkrautvernichter bis zum Schneckenkorn.

Um Grundwasser weiter als Trinkwasser nutzen zu können, wird jetzt die Aufbereitungsanlage samt Anschlussleitung gebaut. Zusammen mit dem bereits gebohrten neuen Brunnen IV muss der Zweckverband dafür 4,2 Millionen Euro aufbringen.

Die Kosten werden auf die Abnehmer umgelegt - in welcher Höhe, das hat der Zweckverband nicht selbst festgelegt, sondern ein externes Büro damit beauftragt. Das hat die 97 Cent pro Kubikmeter Wasser errechnet. Die Kalkulation ist auf drei Jahre ausgelegt. Wenn alles nach Plan läuft, kann die Wasseraufbereitungsanlage nächstes Jahr gebaut werden, und zwar direkt an den Gebäudekomplex des Zweckverbands in Ettersdorf.