Luke Skywalker

Freisinger ist der Star der jungen Slackline-Szene


Lukas Irmlers bisheriges Karrierehighlight: Die Highline bei den Victoria-Wasserfällen.

Lukas Irmlers bisheriges Karrierehighlight: Die Highline bei den Victoria-Wasserfällen.

Lukas Irmler ist der Star der jungen Slackline-Szene. Der 28-jährige Freisinger balanciert auf dem nur 25 Millimeter breiten Kunststoffband vor den herrlichsten Kulissen der Welt.

In der verlangsamten Wiederholung des Videos sieht es sogar noch spektakulärer aus. Erst balanciert der junge Mann mit der gelben Mütze auf dem 25 Millimeter breiten Kunststoffband, das zwischen den Felswänden gespannt ist. Dann springt er, gesichert durch ein Seil, kopfüber in den Abgrund. Fliegt unter dem Kunststoffband hindurch. Um, von den Wirkkräften nach oben katapultiert, wieder auf dem Band zu landen.

Rund 42.000 Klicks hat das Video im Internet, und es besteht durchaus der berechtigte Grund zur Annahme, dass mindestens die Hälfte der Aufrufer spontan vorm Bildschirm Beifall geklatscht hat. Skywalker heißt dieses Kunststück in der Szene. Es gelingt nur sehr selten und dann auch nur den Besten. Lukas Irmler, der junge Mann mit der gelben Mütze, ist einer der Besten und der Erste, der den Skywalker schaffte. Sein Spitzname seither passend: "Luke Skywalker".

Irmler ist der deutsche Star im Slacklinen. Jener Trendsportart, für die es eigentlich nicht mehr braucht als ein schmales Gurtband, gespannt zwischen zwei Befestigungspunkten. Gleichgewichtssinn wär' auch nicht schlecht. Und am besten keine Höhenangst, wenn man nicht nur im Park zwischen zwei Bäumen balanciert, sondern wie Irmler in zum Teil schwindelerregenden Höhen. Irmler hat es damit, wenn man so will, zu einer Berühmtheit in der Szene gebracht. Er war der erste Mensch, der die berühmten Victoria-Wasserfälle in Simbabwe in luftiger Höhe überquerte. Oder in den Anden in Peru einen Höhenweltrekord aufstellte - in 5.200 Metern.

Schon zehn Jahre lang betreibt der 28-jährige Freisinger die Sportart. Doch wie wird man zum passionierten Slackliner? "Entdeckt habe ich das Ganze im Garten des Nachbarn. Ich hab das auch ausprobiert, aber nicht so richtig den Zugang gefunden." Als Irmler kurz darauf selbst zum Klettern anfängt, findet er hinter der Freisinger Kletterhalle eine festinstallierte Slackline. "Da sind die anderen Jungs mit den Händen in der Hosentasche rübergelaufen, das fand ich schon cool." Nochmal versucht - und diesmal hängen geblieben. "Ich bin relativ schnell süchtig geworden, weil man immer wieder etwas neues Ausprobieren konnte."

Das erste europäische Slackline-Treffen 2007 in Österreich ist der "Eye-Opener", wie Irmler selbst sagt. "Ein US-Amerikaner hat tolle Tricks vorgeführt. Und das wollte man halt dann auch machen."

Eins führt zum anderen. Kleineren Auftritten bei lokalen Veranstaltungen folgen größere im regionalen, später im internationalen Raum. Bei der Suche nach Sponsoren wird Irmler 2010 ebenfalls fündig, der Sportartikelhersteller Adidas nimmt ihn in sein Team auf. Ein wichtiger Schritt in einen ganz anderen Level. "Man bekommt einfach andere Möglichkeiten, auch ist das mediale Interesse gleich viel größer."

Noch während der Blondschopf auf seinen Bachelor in Chemie den Master in Wirtschaftswissenschaften draufsetzt, professionalisiert er sich. Seit vier Jahren kann Irmler davon leben. Einnahmequellen sind hauptsächlich Show-Auftritte, das Organisieren von Events sowie Vorträge und Workshops. Und die Projekte, finanziert von seinen Sponsoren. Die lotsen ihn an die schönsten Ecken der Welt. Bisher der Höhepunkt: Das "Highlinen" vor der Kulisse der Victoria-Wasserfälle in Simbabwe 2014.

Zwei Jahre Vorbereitung waren nötig - sie waren's wert. 100 Meter Länge, fast 100 Meter Höhe, das Donnern der hinabstürzenden Wassermassen, der dadurch aufgewirbelte Sprühnebel in der Luft - "das Gesamtprojekt war herausragend", sagt Irmler. Selbst jetzt, rund zwei Jahre danach, strahlt er, während er darüber erzählt. Was ihn an dem Projekt reizte, war das, was ihn an jedem anderen Projekt auch reizt: "Das Neue. Ich suche stets die Herausforderung." Das Spannende sei nicht unbedingt das Slacklinen an sich, sondern das Davor und das Danach, erklärt Lukas Irmler. "Wie komm' ich hin, wie bau' ich auf, wie komm' ich gefahrlos wieder weg. Am Anfang weiß man nie, wie das funktionieren soll. Aber irgendwie klappt's doch jedes Mal wieder."

Dennoch: Auch das Balancieren auf der Highline selbst ist für Irmler stets wieder eine kleine Herausforderung. "Höhe und Abgründe lösen im Körper des Menschen seit jeher Angst aus. Das ist auch bei mir so. Ich kann die Angst halt mittlerweile kontrollieren." Wichtig sei dabei der mentale Aspekt: "Du darfst im Kopf nicht verkrampft sein. Das gelingt aber nur, wenn du weißt, dass du hundertprozentig gesichert bist." Deshalb verläuft unter der Slackline stets ein zweites Sicherungsseil, mit dem Irmler durch einen Klettergurt verbunden ist.

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Lukas Irmler (2.v.l.) und sein Physio-Team mit (v.l.) Martin Sleczka, Martin Ploß, Johannes Oberhofer und Rainer Zistl.

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Auch Vertrauen spielt eine große Rolle. Vertrauen auf das Funktionieren des eigenen Körpers. Dafür sorgt unter anderem ein Zentrum für Therapie und Training in Moosburg, das Irmler regelmäßig besucht. Und bei der Sicherung am Berg vertraut der 28-jährige Extremsportler im Kern stets denselben erfahrenen Mitstreitern, die ihn bei seinen Projekten begleiten.

Ohne Sicherung "highlinen", dabei den Absturz riskieren - davon hält der 28-Jährige herzlich wenig: "Ich habe das zwar schon ausprobiert, aber so viel mehr gibt mir das nicht, da habe ich zu viele andere Dinge in meinem Leben, die mir auch noch Spaß machen." Und dann ist da noch die Sache mit der Verantwortung. Irmler weiß um seine Bedeutung in der Slackline-Szene, gerade deswegen steht er solchen "Free Solos" skeptisch gegenüber: "Ich persönlich finde, dass man durch solche Aktionen eine schlechte Vorbildrolle einnimmt."

28 Jahre jung, gutaussehend und gut durchtrainiert, immer mit einem spitzbübischen Grinsen unter dem blonden Haarschopf - Lukas Irmler taugt zum Botschafter für die Trendsportart. In diese Vorbildrolle schlüpft er gerne: "Klar, ich will den Leuten zeigen, dass man diesen Extremsport sicher betreiben kann. Man kann extreme Situationen erleben, ohne dafür sein Leben zu riskieren. Die Grenzen sind nur durch einen selber definiert."

Zumindest was neue Herausforderungen anbelangt, ist Irmlers Eifer fast grenzenlos: "Ich hab' viele mentale Bilder im Kopf." 2016 ist ein Jahr des Auf und Ab. Irmler will in einer tiefen Höhle in Frankreich eine Slackline spannen. Und mit einer Highline in 6.000 Metern Höhe den nächsten Höhenrekord aufstellen. "Das wird aber logistisch nicht ganz einfach", sagt Lukas Irmler.

Da mutet das jüngste Projekt eher bescheiden an. Beim Stadtturmjubiläum in Straubing Ende Juni balanciert Irmler in 60 Metern Höhe von der Basilika St. Jakob zum Stadtturm - die längste urbane Highline Europas mit einer Distanz von 169 Metern. "Ich bin zuversichtlich, dass das klappt", sagt Irmler.

In einem mentalen Bild kommt auch Landshut vor: "Eine Slackline von der Martinskirche zur Burg Trausnitz wäre cool", schwärmt Lukas Irmler und sagt dann mit einem Lachen: "Wir werden demnächst mal beim Oberbürgermeister anfragen, ob sich nicht eine Gelegenheit ergibt." Dieses Video würde bestimmt auch viele Klicks erhalten.

Hintergrund:

Das "Slacklinen" (auf deutsch etwa: schlaffes Seil) kommt aus den USA, hat seine Ursprünge in den 1980ern und war eine Freizeitbeschäftigung für Kletterer am Ruhetag. In Amerika selbst bis zum Jahr 2000 nicht nennenswert weiterentwickelt, brachte der österreichische Sportfotograf und Kletterer Heinz Zak das Slacklinen 2004 nach Europa, wo es sich dann schnell zur Trendsport entwickelte.

Man unterscheidet grob drei verschiedene Disziplinen. Die Trickline ist eher kurz, sehr hart, fast trampolinartig gespannt und dient vor allem - wie es der Name schon sagt - für spektakuläre Tricks. "Das ist gut für Einsteiger, der Zugang ist nämlich relativ leicht", sagt Lukas Irmler. Mittlerweile gibt es Wettbewerbe und sogar einen World Cup. Am anderen Ende der Schwierigkeitsskala steht als Königsdisziplin das "Highlinen". Es setzt perfektes Beherrschen des Slacklinens voraus. Bergsteiger-Erfahrung ist unerlässlich: Highlines werden in (hoch-)alpinem Gelände gespannt.

Zwischen den beiden Polen liegt das "Longlinen" - das Balancieren möglichst langer Strecken. Inzwischen eine aussterbende Disziplin, wie Lukas Irmler betont: "Es wird immer als Segment bleiben, aber die Hochzeit ist vorbei."

Video zum Thema: