Lehrermedientag 2018

Ein reflektierter Umgang mit Nachrichten


Bernd Sibler, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, outete sich als passionierter Zeitungsleser. Seiner Meinung nach wird Medienreflexion in Zeiten von Social Bots und Fake News immer wichtiger.

Bernd Sibler, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, outete sich als passionierter Zeitungsleser. Seiner Meinung nach wird Medienreflexion in Zeiten von Social Bots und Fake News immer wichtiger.

Von Simone Ketterl

Über 80 Pädagogen beteiligten sich am vergangenen Mittwoch am Lehrermedientag unserer Mediengruppe am Gymnasium Dingolfing. Die Veranstaltung, die von der Redaktion "Freistunde" organisiert wurde, begann mit einem Vortrag zur Bedeutung der Tageszeitung für die freiheitliche Demokratie. Im Anschluss erfuhren die Teilnehmer in Workshops, was sie im Unterricht hinsichtlich des Urheberrechts beachten müssen und wie der Alltag in einem Mantelressort aussieht.

"Ich bin ein altmodischer Mensch - und ich stehe dazu", sagte Bernd Sibler (CSU) in seinem Grußwort. Für den Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst sei die allmorgendliche Zeitungslektüre das wichtigste, wichtiger noch als Kaffee und Breze. Damit auch Kinder und Jugendliche das traditionelle Medium weiterhin nutzen könnten, sei es entscheidend, in den Schulen bei den Grundlagen anzusetzen. "Für mich kommt Schreiben, Lesen und Rechnen ganz klar vor einer Einführung in die digitalen Medien", sagte Sibler. Erst wenn die Schüler diese Fähigkeiten erworben hätten, könne man mit ihnen Medienreflexion betreiben - und diese werde in Zeiten von Fake News und Social Bots immer relevanter.

Für einen kritischen Umgang mit dem Internet plädierte auch Verleger Professor Dr. Martin Balle. Das Netz suggeriere zwar Allmacht und Allgegenwart, die spannenderen Chancen lägen aber nach wie vor im Analogen. Deswegen glaube er an die Zukunft der lokalen Tageszeitung: "Wir werden wieder vermehrt gelesen", resümierte Balle.

Die Bedeutung des Mediums hob zudem Professor Dr. Ursula Münch hervor. In ihrem Vortrag stellte die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing einen direkten Zusammenhang zwischen einer vielfältigen Presselandschaft und der freiheitlichen Demokratie her. Am Beispiel Brasilien zeigte die Politologin, dass der Erfolg des "strammen Rechtsextremisten" Jair Bolsonaro bei der letzten Präsidentschaftswahl unter anderem auf das Medien- und Informationsverhalten der Bevölkerung zurückzuführen sei.

"Man fühlt sich in Brasilien fast wie ein Außerirdischer, wenn man eine gedruckte Zeitung liest", sagte Münch. 80 Prozent der Brasilianer bezögen Nachrichten nämlich in erster Linie über WhatsApp und seien dementsprechend anfälliger für Denunziations- und Desinformationskampagnen.

Ein freiheitlicher Staat lebe von einer ausgewogenen und offenen Debatte. Diese sei nur möglich, wenn Bürger Zugang zu verlässlichen Informationen hätten, wie sie etwa eine Tageszeitung biete. Da die Nachrichtenflut immer größer werde, hätten Journalisten auch die Funktion des Gatekeepers, gewissermaßen des Schleusenwärters, der entscheide, was zum Thema gemacht werde und was nicht, der gewichte und einordne.

Dass Medien zunehmend verächtlich gemacht und als "Lügenpresse" verunglimpft würden, sei eine Strategie undemokratischer Kräfte, so Münch. Für Bürger im Allgemeinen und für Schüler im Speziellen sei es daher essenziell, Quellenkritik zu betreiben. Das werde immer schwieriger, da es mittlerweile sogenannten Deepfake, also Videos und Bilder gebe, die nicht einmal mehr Experten eindeutig als Fälschung erkennen würden.

Umso dringender sei es, Schüler dabei zu unterstützen, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln. Eine regelmäßige Zeitungslektüre in der Klasse sei diesem Ziel freilich förderlich. "Der Grundstock, dass die Leute nicht von Demagogen über den Tisch gezogen werden, wird in der Schule gelegt", resümierte Münch.

So war der erste Lehrermedientag 2017.

Im Paragrafendschungel: Das müssen Lehrer in puncto Urheberrecht wissen

Anwalt Dr. Holger Weimann gab den Workshopteilnehmern Tipps für die Mediennutzung im Unterricht. Foto: Sebastian Geiger

Was darf ich zeigen? Was ist verboten? Ein Mädchen bereitet ein Referat vor. Zur Illustration seines Handouts verwendet es ein Foto der spanischen Stadt Córdoba, das es aus einem Online-Reisemagazin kopiert hat. Nach dem Vortrag stellt die Schule das Ganze auf ihrer Homepage zum Download bereit. Das klingt harmlos, ist aber einem EuGH-Urteil zufolge nicht rechtens - warum, erklärte Dr. Holger Weimann.

Der Münchner Medienanwalt legte dar, dass der Gesetzgeber zwischen "öffentlicher und nicht-öffentlicher Nutzung" von urheberrechtlich geschütztem Material unterscheide. Solange man durch persönliche Beziehungen verbunden sei, habe eine Nutzung keine urheberrechtliche Relevanz. Auf den beschriebenen Fall gemünzt heiße das, man hätte das Handout innerhalb des Klassenverbandes ausgeben dürfen, darüber hinaus jedoch nicht. "Es ist immer schwierig, wenn Dritte ins Spiel kommen", stellte Weimann heraus. Problematisch sei dies vor allem deswegen, weil nicht klar definiert sei, was genau "nicht-öffentlich" bedeute, ob dies lediglich den Klassenverband umfasse oder auch die gesamte Kollegstufe meine. "Das Urheberrecht ist nicht logisch", stellte der Experte fest.

Dennoch könnten sich Lehrer im Paragrafendschungel relativ sicher bewegen, wenn sie einige Grundregeln beherzigten. Auf der sicheren Seite seien sie, wenn sie Materialien im Unterricht vorläsen, projizierten, vorsängen oder zeigten. Juristen sprächen in diesen Fällen von einer "unkörperlichen Verwertung". Problematischer sei eine "körperliche" Nutzung, hier müsse man laut Weimann differenzieren: "Es ist zulässig, einzelne Fotos, kurze Texte oder Beiträge aus Fachzeitschriften zu verwenden und bis zu 15 Prozent eines Buches zu kopieren." Nicht erlaubt sei es hingegen, Kopien aus Zeitungen, Unterrichtswerken und Noten zu verteilen oder Theaterstücke zu filmen.

Abschließend riet Weimann den Teilnehmern des Lehrermedientages, sich nicht verrückt zu machen. "Solange Sie mit Kopien aufpassen und darauf achten, dass Materialien nur dem Klassenverband zur Verfügung gestellt werden, kann ihnen eigentlich nicht viel passieren."

Der Weg der Nachricht: So kommen Ereignisse in die Tageszeitung

Sichten, gewichten, aufbereiten. Das gehört für Politik-Chef Dr. Gerald Schneider zu den wichtigsten Aufgaben eines Redakteurs. Foto: Sebastian Geiger

Was machen die eigentlich den ganzen Tag? Für Außenstehende bleiben redaktionelle Abläufe oftmals rätselhaft. Dr. Gerald Schneider, Politik-Chef der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, brachte mit seinem Vortrag beim Lehrermedientag 2018 Licht ins Dunkel. Er beschrieb, was im Politik-Ressort passiert, und ging darauf ein, wie eine Nachricht in die Zeitung kommt. Sein Referat schloss Schneider mit einer Reflexion über Medienkompetenz.

Gleich zu Beginn stellte Schneider die Stärken der Tageszeitung heraus: Diese böte mehr als bloße Information, indem sie Nachrichten nicht nur wiedergebe, sondern sie auch einordne und durch Analysen und Hintergrundberichte ergänze. Da sich journalistisches Arbeiten neben dem Grundgesetz am Pressekodex orientiere, sei es selbstverständlich, dass man kenntlich mache, wo die neutrale Berichterstattung ende und ein subjektiver Kommentar beginne. "Wer komplexe Zusammenhänge oder Debatten darstellen will, muss auch Gegenstimmen berücksichtigen", sagte Schneider.

Danach übernahm "Freistunde"-Redakteur David Voltz. Er zeigte, wie vor allem Grundschullehrer die Tageszeitung konkret in ihren Unterricht integrieren können und gab Arbeitsblatt-Vorlagen aus. Man könne die Zeitung nicht nur im Deutschunterricht einsetzen, sondern beispielsweise auch beim Sport, indem man die Schüler einen Zeitungstanz aufführen lasse. Gut bewährt habe es sich zudem, Kinder Artikel nacherzählen zu lassen. "So bringt man sogar die Schüchternen zum Reden."

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Beim Lehrermedientag 2018 in Dingolfing nahmen wieder zahlreiche Pädagogen teil.

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Beim Lehrermedientag 2018 in Dingolfing nahmen wieder zahlreiche Pädagogen teil.

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Beim Lehrermedientag 2018 in Dingolfing nahmen wieder zahlreiche Pädagogen teil.

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Der Lehrermedientag wurde von der Redaktion "Freistunde" organisiert.

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Beim Lehrermedientag 2018 in Dingolfing nahmen wieder zahlreiche Pädagogen teil.

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Der Lehrermedientag wurde von der Redaktion "Freistunde" organisiert.