Landesweite Ausgangsbeschränkung

So laufen die 14 Tage im Landkreis Cham


Eine Ausgehbeschränkung, angesetzt für zwei Wochen, verkündete Markus Söder.

Eine Ausgehbeschränkung, angesetzt für zwei Wochen, verkündete Markus Söder.

Die 14 Tage Ausgangsbeschränkung, verkündet vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, infolge der Corona-Krise, verfolgen wir hier und beschreiben, wie und ob sich das Leben im Landkreis Cham ändert.

Tag 0

"Ausgehbeschränkung" ist das Wort des Tages, Freitag, 20. März. Ministerpräsident Markus Söder nimmt es in den Mund und schränkt damit die Bewegungsfreiheit eines ganzen Bundeslandes ein. Es geht um die Verlangsamung der Ausbreitung des Corona-Virus. Für die Menschen in Cham der Startschuss sich nochmal schnell in den Geschäften in Cham-Süd einzudecken. Je später der Abend desto mehr fahren die ab Samstag geschlossenen Baumärkte an. Sicherheitskräfte stehen im Eingangsbereich eines der Märkte. Die Situation in den Supermärkten ist nicht anders. Viele Menschen, viele Einkäufer. Die Kassiererinnen stehen hinter den eilig hochgezogenen Plexiglasscheiben und kassieren ab. Vorzugsweise mit der Karte. Es wird ein langer Abend sein für die Frauen und Männer. Aber es ist vorerst ihr letzter Arbeitstag für die kommenden 14 Tage. Ab 24 Uhr gilt die Södersche Allgemeinverfügung. "Wir fahren das öffentliche Leben nahezu vollständig herunter", sagte er.

Tag 1

Die Straßen um den Platz vor Sankt Veit in Bad Kötzting sind am Samstag, 21. März, wie leergefegt. Die Speiselokale um den Marktplatz haben zu. Es ist niemand unterwegs. Nur der hellbeleuchtete Kirchturm hebt sich aus dem Dunkel der Straßen, die daliegen, als hätte die Sperrstunde geschlagen. Dabei ist es doch erst knapp vor 20 Uhr. Nur ein einzelner Fußgänger marschiert Richtung Müllerstraße. Er geht heim. Aus den anderen Heimen scheint das Licht, es ist wie an Weihnachten. Draußen herrscht Stille, nur von drinnen her kommt ein bisschen wärmendes Licht. Dabei ist es Ende März und nicht etwa Ende Dezember. Die Leute in der Pfingstrittstadt halten sich offenbar an die Ausgehbeschränkungen.

Doch wo sollen sie auch hin? Die Speiselokale, in denen an den Samstagen kaum noch Platz für zwei ist, liegen dunkel an den Straßen. Auf denen fährt kaum einer und an den Ampelkreuzungen der Jahn- und Wettzellerstraße wartet keiner. Beinahe leergefegt ist der Parkplatz vom Kurpark. Nur ein Auto steht da. Quer über zwei Parkplätze. Warum auch anders hinstellen, wo doch sonst keiner da ist? Vor den Supermärkten steht ebenfalls kaum noch ein Fahrzeug. Die sind die einzigen, in denen noch Leben zu herrschen scheint, sie überstrahlen mit ihrem Licht die Dunkelheit.

Tagsüber hat dort aber noch reger Betrieb geherrscht. Sowohl in Neukirchen beim Heiligen Blut als auch in Furth im Wald gingen die Leute dem Samstagseinkauf nach. Deutlich weniger als noch in in der vergangenen Woche - zumindest machte das den Anschein kurz vor Mittag. Dass aber schon mehr dagewesen sein müssen, zeigte sich einmal mehr an den Regalen für Nudeln und Toilettenpapier. Die Angestellten, die dieser Tage ihren Dienst verrichten müssen, laufen mit Gummihandschuhen und Gesichtsmasken durch die Gänge, sie kassieren hinter den eilig an den Kassen der Supermärkte hochgezogenen Plexiglasscheiben ab. Corona ist bei fast jedem, der mit Bekannten spricht ein Thema, "g'sund bleim!" der neue Abschiedsgruß.

Tag 2

Alle Glocken läuten im Stadtgebiet von Cham. Fast eine Minute kann man auf der Fahrbahn beim Steinmarkt stehen, ohne dass ein Auto kommt. Es ist eine beklemmende Situation in der sonst so belebten Stadtmitte, ist nicht's zu hören außer das Geläut der Gotteshäuser, das sich in diesem Areal überschneidet. Zehn Minuten dauert es. Eine fast schon unwirkliche Ruhe kehrt im Anschluss an diesen sonnigen Sonntagmorgen, 22. März, in der Stadt ein.

Nachmittags ist der eine oder andere Jogger oder Spaziergänger zu sehen. Vor allem in den Chamer Naherholungsgebieten sind mehr Menschen unterwegs. Die Abstände zwischen Einzelnen und kleinen Gruppen - offenbar Familien mit Kind und Kegel - sind groß. Ein Mann nutzt offenbar die Gunst der Stunde und mäht die Böschung vor einem Betrieb mit dem Freischneider.

Weder auf dem Parkdeck noch am EZO Parkplatz sind Jugendliche zu entdecken. Also alles ruhig am sonnigen Sonntagnachmittag in der Kreisstadt Cham.

Ruhig war es laut Polizei auch im restlichen Landkreis Cham. Freitag, Samstag und Sonntagnacht stellten die Beamten keine Verstöße gegen die Allgemeinverfügung fest.

Tag 3

Viel Verkehr ist am Montagmorgen wieder auf den Straßen Richtung Bad Kötzting gewesen - im Vergleich zum Wochenende. Logisch. Es sind auch nicht alle daheim im Home Office. Geht auch nicht: Die Lieferanten, Pfleger, die Leute auf den Baustellen können nicht virtuell ihrem Tagwerk nachgehen.

Dass nicht mehr Leute unterwegs sind, zeigt sich gegen Mittag auf der B20. Dort fahren um die Zeit hauptsächlich Lieferwagen, Laster und die Fahrzeuge der Handwerker.

Abends sind dann wieder einige Spaziergänger unterwegs. Manche tragen Gesichtsmasken, andere unterhalten sich. Ein paar halten den Abstand ein, dann gibt's auch die, die in Grüppchen beieinander stehen.

Auf den Parkplätzen der Supermärkte stehen nur die Hälfte der Fahrzeuge, die dort um diese Uhrzeit normalerweise stehen würden.

Tag 4

Stille in der Stadt. Es ist am Dienstag so ruhig, dass sich der Autolärm nicht wie sonst üblich vermischt, sondern dass jedes Fahrzeug fein wahrgenommen werden kann. Mit dem Abrollgeräusch der Reifen und brummenden Motor lässt sich jeder einzelne Wagen hören.

Auch die Frühlingsgesänge der Vögel und rauschende Blätter dringen wie selbstverständlich ans Ohr. Die Erkenntnis in einer Stadt zu flanieren, kommt erst durch das Aufheulen eines Martinshorns, und selbst das findet ohne Störung den Weg ans Trommelfell.

Gearbeitet wird. Bauarbeiter und Lieferanten und Verkäufer sind im Einsatz. Menschen mit und ohne Masken marschieren durch die Stadt, nehmen den Weg durch den Park. Das Leben geht weiter in der Stadt. Der Alltag und seine Banalitäten lassen sich dann doch nicht so einfach abschalten.

Doch die Pandemie macht auch hiervor nicht halt: Hinweisschilder, gehalten in vier Sprachen, weisen auf die Einhaltung des Sicherheitsabstandes von mindestens 1,50 Meter hin, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren - und die Leute machen's. Sie halten Abstand im Gespräch.

Fast menschenleer ist zur Mittagszeit der Chamer Marktplatz. Nur ein Mann sitzt auf der Couch und schaut auf sein Handy. Es stehen nur ein Radl und ein Auto vor dem Kaufhaus. Der Wind pfeift eisig durch die gute Stube der Stadt.

Indes tun sich immer mehr Menschen zusammen, um Risikopatienten zu helfen. Sie gehen einkaufen und es wird im Netz darüber spekuliert, wie denn Schutzmasken zu nähen wären.

Nur etwas entschleunigter. Bei manchen werden nach Jahrzehnten der Abstinenz auch wieder Brettspiele hervorgekramt, was so in Gesprächen erzählt wird. Abende mit der Familie schätzt man wieder wert, so scheint es.

Tag 5

Stille und Zeit werden zu treuen Wegbegleitern dieser Tage an vielen Orten. Stille in den Straßen, weil nur noch wenige Autos fahren und Menschen von Termin zu Termin hetzen. Dafür bleibt aber jetzt Zeit. Zeit, um mit den Menschen zu reden.

Man spricht wieder miteinander über tiefsinnigere Themen. Über die Angst vor dem Virus, über die Angst um Kinder und Eltern. Man spricht nicht nur mehr übereinander. Man rückt emotional näher zusammen.

Corona entschleunigt den Westen, der spätestens seit 9/11 völlig seinen Halt, fußend auf christlichen Werten und Erkenntnissen der Aufklärung, zu verlieren schien. Und doch müssen manche westliche Ideale beschnitten werden, um einer Ausbreitung der Erreger Einhalt zu gebieten.

Das wird einem umso mehr bewusst, wenn man durch leere, sonst so belebte Hauptstraßen schlendert. Aber muss! Und hier begegnen einem immer mehr Leute mit Mundschutz.

Und trotz des wachsenden Zusammennhalts - auch in den sozialen Medien kundgetan - gibt es noch die Spalter. Angesichts der drohenden Ausfälle bei der Spargelernte durch mangelndes Personal,meldet sich einmal mehr die Alternative für Deutschland.

Geht's nach der AfD wären jetzt die "Neubürger" und "Freitagsdemonstranten" am Zuge, um den Landwirten zu helfen. Würden die Rechtspopulisten nicht in ihr altes Muster verfallen und mit dem Finger auf andere zeigen, könnte man das durchaus als gute Idee wahrnehmen.

Verantwortung übernehmen, ist aber nicht auffordern, wer was in einer schwierigen Situation zu tun hat. Verantwortung übernehmen heißt, den Finger heben und sagen: "Ich mach's und wer ist dabei!" Davon gibt es zur Zeit sehr viele und das ist gut so!

Tag 6

Abstand halten, scheint eine weitere Konstante zu sein dieser Tage. Zumindest in den Supermärkten. Die aufgeklebten Linien wirken und wehe wer dagegen verstößt. Eine Frau muss zu ihrem Mann, der steht schon an der Kasse und wartet auf sie. Die Dame hält zwei Mangos in der Hand, drückt sich zwischen zwei Wartende durch.

Der Abstand zwischen den Menschen schrumpft auch zu einer zweiten Dame in der Schlange. Diese verharrt auf ihrem Platz an der Linie, schnaubt verächtlich der Übeltäterin hinterher und schüttelt über die offensichtliche Unvernunft der anderen Frau den Kopf. In der Eingangstür drückt sie sich dann aber an zwei Senioren durch.

Die 1,50 Meter Abstand scheinen im Markt und nur für andere zu gelten.

Derweil meldet die Polizei, dass sie 75 Mal im Wirkkreis der Chamer Dienststelle kontrollierte. Im Fokus standen da unter anderem Läden und Geschäfte. 15 Mal stellten die Beamten Verstöße gegen die Allgemeinverfügung fest, sechsmal schrieben sie eine Anzeige.

Tag 7

Sieben Tage alt ist die Ausgangsbeschränkung jetzt. An leere Straßen und Schulen, Abstand halten und den Spaziergang zu zweit haben di meisten sich schon gewohnt. Und damit auch jeder weiß, dass der Staat beim sich nicht dranhalten keinen Spaß versteht, gibt's auch den passenden Bußgeldkatalog dazu. Wer jetzt also ohne "trifftigen Grund" ssein heim verlässt, zahlt 150 Euro. Wer als Betreiber eines Dienstleistungsgewerbes nicht dafür sorgt, dass die Kundschaft Abstand hält, zahlt sogar 500 Euro. Mit Erläuterung umfasst der am Freitag erlassene Bußgeldkatalog sechs Seiten.

Derweil stellen die Betriebe im Landkreis Cham um auf Maskenproduktion und freuen sich auf die Unterstützung des zum Masken-Rohstoffbeschaffungs-Profi avancierenden Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger. Und auch die vielbeschworene Industrie 4.0 ist am Start. Ganz vorne dabei ist Christian Reil mit CR-3D. Gesichtsschilde für Doktoren und Pfleger. Die Weiterentwicklung erfolgte zusammen mit dem Roten Kreuz.

Das stemmt zur Zeit aber auch noch die Blutspendetermine. Weil der Lebenssaft noch immer nicht künstlich hergestellt werden kann. Der Aufwand hat sich jedoch vervielfacht.

Dieses Mal heißt es Anstehen - und zwar draußen im Freien. Die Wartenden halten sich an den Abstand. Gerdet wird trotzdem. Über die Situation, den Tag - Corona. Eine Einbahnstraßenregelung wurde deshalb eingeführt. Die fertigen Spender dürfen nicht am gleichen Weg nach daußen nehmen.

Eine junge Frau missachtet das, trifft in der Warteschlange eine Freundin und sie reden miteinander - ohne Sicherheitsabstand. Ein Helfer des Blutspendedienstes sieht das und mahnt. Das Gespräch der Damen endet. Man vereinbart, sich zu texten.

Es ist kühl in der Schlange zum Sonnenuntergang. Die letzten in der Schlange überlegen, wieder zu gehen. "Wenn ich das gewusst hätte, ...", sagen sie - und harren tapfer aus, bis sie nacheinander aufgerufen werden.

Drinnen aber erstmal und ungewohntrweise ein erster Check: Fiebermessen, Fragen Aufenthalt in Risikogebieten oder Krankheitszeichen in den vergangenen Tagen. Das Personal trägt Mundschutz.

Es gibt dieses Mal Kugelschreiber für jeden, und den darf man behalten. Der ist rot und ohne Aufdruck und sie liegen zu hunderten im Pappkarton.

Was ausfällt an diesem Blutspendetermin: Das Zusammensitzen bei Wurstsemmel, Kaffee und Ratsch.