Kurzgeschichte

„Der (wahre) Ernst des Lebens“


Hanny und ihre Mutter haben eine wichtige Dikussion. Es geht nämlich um die Zukunft des Mädchens.

Hanny und ihre Mutter haben eine wichtige Dikussion. Es geht nämlich um die Zukunft des Mädchens.

Von Stefanie Schambeck

Hanny muss bald entscheiden, wie sie ihre Zukunft gestalten möchte.

Ich spiele mit meiner Gabel, als Mama mir einen Teller voll Spaghetti hinstellt. "Was ist denn los, Hanny? Du guckst heute schon den ganzen Tag so ernst."- "Nichts."

"Ich kann doch deine grübelnden Gedanken bis hierher hören", sagt sie nachdrücklich und mustert mich mit einem ihrer tiefen Blicke.

Ich zögere, gebe mich dann aber geschlagen. Mit der Gabel drehe ich ein paar Nudeln ein und sage: "Ach, alle reden plötzlich nur noch darüber, was sie nach der Schule machen wollen. Frau Hanser hat das Thema sogar in der Deutschstunde angeschnitten."

"Ist das nicht normal? Ihr seid schließlich schon in der neunten Klasse".

"Ja, schon", entgegne ich genervt, "aber, keine Ahnung ... es zieht echt runter, wenn alle schon wissen, was sie wollen." - "Das bezweifle ich. Was haben sie denn für Vorstellungen?"

"Melli will Medizin studieren, sogar in Amerika, aber sie ist ja auch ne Überfliegerin. Anton spielt schon ewig Klavier, deshalb will er an die Hochschule für Musik in Würzburg. Das ist voll crazy. Er wusste schon vor so vielen Jahren, dass er das professionell machen will."

"Das tun allerdings die Wenigsten. Dazu gehört eine Menge Disziplin, Durchhaltevermögen und sehr viel Ehrgeiz. Diese Eigenschaften fehlen dir leider ein wenig, mein Schatz."

"Schon klar. Gut, ein paar sind auch dabei, die es einfach auf sich zukommen lassen. Sie studieren halt dann BWL, haben sie gesagt. Anja meinte, sie will lieber eine Ausbildung machen. Die Hanser hat darauf ganz komisch reagiert. Nicht abwertend, aber sie hat gleich wieder vom Studieren angefangen. Als wäre alles andere was Schlechtes."

"Davon darfst du dich nicht entmutigen lassen."

"Wie war das überhaupt bei dir früher?" Mir fällt auf, dass ich sie das noch nie gefragt habe.

"Das waren noch ganz andere Zeiten. An die Uni kamen nur die wirklich Schlauen. Für deine Großeltern war es wichtig, dass ich Sicherheit habe. Deshalb hat sich dein Opa dafür eingesetzt, dass ich bei ihm in der Firma untergebracht wurde."

"Aber wolltest du das überhaupt?" Mama überlegt einen Moment. "Sagen wir's mal so: Es hätte schlimmer kommen können. Ich bin zufrieden."

Es entsteht eine Pause, in der ich mir Nachschlag hole.

"Du bist klug und du arbeitest doch gerne am Computer", sagt Mama weiter. "Schau doch mal im Internet, was es da für Berufe gibt. Fachinformatikerin oder Technische Zeichnerin."

Ich denke kurz darüber nach, doch keiner der beiden Berufe catcht mich in dem Moment.

"Computer ist kein schlechtes Stichwort. Da kann man auch in die kreative Richtung gehen. Die Sis von Tabea arbeitet zum Beispiel an ihrer YouTube-Karriere. Sie würde es voll geil finden, wenn sie da richtig Erfolg hätte, da man als Influencer krass viel Geld verdienen kann, man wird auf Events eingeladen oder kriegt kostenlose Samples …"

"Das ist aber nichts für dich", unterbricht mich Mama. "Dieser schnelle Erfolg wird bloß von ein paar Einzelnen vermittelt. Und daran nehmen sich alle Maß." - "Aber ist das nicht mit jeder Kunst so?" Mama stoppt kurz. "Okay, guter Einwand, jedoch brauchst du ein Standbein."

Mama nervt mich, obwohl ich weiß, dass sie recht hat: "Manchmal muss man halt ein Risiko eingehen."

"Ja und nein. Du schaust zuerst, und da bestehe ich drauf, dass du eine vernünftige Ausbildung oder Studium abschließt. Findet nicht eh bald diese Berufsmesse in der Schule statt? Ein paar Praktika wären bestimmt auch sinnvoll."

Ich verdrehe die Augen. "Ich hasse das. Mir darüber Gedanken machen zu müssen."

Mamas Blick wird weicher. "Ich verstehe dich. Diese Entscheidung ist eine der schwersten, die man treffen muss."

Als ich nach dem Essen auf meinem Schreibtischstuhl sitze, kann ich mich gar nicht richtig auf die Physikhausaufgabe konzentrieren. Ich gebe bald auf, etwas anderes beschäftigt mich. Ich öffne den Browser am Laptop und fange an zu recherchieren. Nach Berufen.

Hinweis: Dieser Text stammt aus der Freistunde, der Kinder-, Jugend- und Schulredaktion der Mediengruppe Attenkofer. Für die Freistunde schreiben auch LeserInnen, die Freischreiben-AutorInnen. Mehr zur Freistunde unter freistunde.de.