"Krisenfeste Gesellschaft"

Debatte um Bundeswehr-Sonderetat und Schuldenbremse


Soldaten der Bundeswehr laufen über den Appellplatz im niedersächsischen Seedorf.

Soldaten der Bundeswehr laufen über den Appellplatz im niedersächsischen Seedorf.

Von mit Material der dpa

Auf einmal standen sie im Raum: 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Die Riesensumme weckt nun auch andere Begehrlichkeiten innerhalb der Ampelkoalition. Dagegen hält die Union.

Um den geplanten milliardenschweren Sonderetat für die Bundeswehr ist angesichts weiterer dringender Investitionsprojekte eine Debatte entbrannt. Politiker der Grünen und auch aus der SPD sprachen sich dafür aus, neben der Verteidigung etwa auch in die Energiesicherheit zu investieren. "Es braucht jetzt ein umfassendes Investitionspaket für Sicherheit in Europa und eine krisenfeste Gesellschaft", sagte Andreas Audretsch (Grüne), Mitglied des Haushaltsausschusses, der Deutschen Presse-Agentur. Neben einer angemessenen Ausstattung für die Bundeswehr bedeute Sicherheit, die enorme Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas aus Russland zu beenden - auch durch massive Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien.

Warnungen vonseiten der Union

Aus der CDU kommen hingegen klare Warnungen in Richtung der Grünen, das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr-Aufrüstung nicht auch für andere Zwecke zu verwenden. Parteichef Friedrich Merz sagte dem Nachrichtenportal t-online, die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei klar gewesen: "Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab sofort für die Bundeswehr plus 100 Milliarden Sondervermögen für die Beschaffung in der Zukunft. Da ist für grüne Vorschläge dieser Art kein Spielraum."

Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es kann nicht sein, dass aus der Grünen-Bundestagsfraktion der Sonderetat jetzt auch für den Ausbau der Energieinfrastruktur ins Spiel gebracht wird." Güler, die auch Mitglied im CDU-Vorstand ist, warnte davor, "diese 100 Milliarden jetzt semantisch für Dinge zu instrumentalisieren, die schon lange auf der Wunschliste der Grünen standen".

100 Milliarden Euro Sondervermögen

Scholz plant, mit Zustimmung der Unionsfraktion 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr als Sondervermögen über das Grundgesetz abzusichern. Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellte dafür einen Finanzierung über neue Schulden in Aussicht, beteuerte aber zugleich, ab 2023 werde die sogenannte Schuldenbremse für den Haushalt eingehalten, die nur eine sehr geringe Aufnahme neuer Kredite zulässt.

Kritikern des Vorstoßes geht dies jedoch nicht weit genug. "Meine Forderung ist ganz klar, dass die Schuldenbremse fällt", sagte die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal in einem Gespräch mit dem "Spiegel". "Wir müssen uns angucken, wo muss jetzt investiert werden." Dazu zählten zum Beispiel erneuerbare Energien, Bildung und die Krankenhausfinanzierung.

Wenn die Schuldenbremse nicht falle, müsse auch über eine Vermögensabgabe nachgedacht werden. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin schloss neben Neuverschuldung auch Steuererhöhungen nicht aus. "Manchmal ist es sogar so, dass man nicht das eine oder das andere, sondern sogar beides machen muss", sagte er dem "Spiegel".

Ramelow: Wehrdienst nur als Option für Pflichtjahr

Derweil hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow seine Vorstellungen für eine mögliche Wehr- oder Dienstpflicht konkretisiert. "Mir geht es zuallererst um ein verpflichtendes soziales oder gesellschaftliches Jahr, in dem jede oder jeder zwischen 18 und 25 Jahren einen solidarischen Dienst an der Gesellschaft tun soll", fügte der Linke-Politiker in einem Blog-Beitrag hinzu, in dem er unter anderem über den Ukraine-Krieg geschrieben hatte.

Ein solcher Dienst könne beim Technischen Hilfswerk (THW), beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), bei der Feuerwehr, in der Pflege "oder eben in der Bundeswehr" absolviert werden, zählte Ramelow als Beispiele auf. Er schlage vor, die Wehrpflicht, die ja nicht abgeschafft sondern nur ausgesetzt sei, in ein "allgemeines gesellschaftliches Pflichtjahr umzuwandeln", sagte Ramelow der dpa.