Klimaprotestbewegung

Dafür steht "Extinction Rebellion"


Das Logo von "Extinction Rebellion" stammt von einem bekannten Streetart-Künstler mit dem Pseudonym "ESP". Es symbolisiert die ablaufende Zeit der Menschheit durch eine stilisierte Sanduhr.

Das Logo von "Extinction Rebellion" stammt von einem bekannten Streetart-Künstler mit dem Pseudonym "ESP". Es symbolisiert die ablaufende Zeit der Menschheit durch eine stilisierte Sanduhr.

Von Redaktion idowa und mit Material der dpa

Die Aktivistengruppe "Extinction Rebellion" (kurz: "XR") hat am Montag, 7. Oktober, in Berlin ihren radikalen Klimaschutz-Protest mit angekündigten Verkehrsblockaden, Protestmärschen und Kunstinstallationen gestartet. Aber was ist das eigentlich für eine Gruppe, woher kommt sie, was sind ihre Ziele? idowa beantwortet hier die wichtigsten Fragen.

1. Was passiert gerade in Berlin?

Am frühen Morgen liefen Hunderte Anhänger von "Extinction Rebellion" vom Regierungsviertel zur Siegessäule im Ortsteil Tiergarten und besetzten dort kurz vor Beginn des Berufsverkehrs den zentralen Kreisverkehr Großer Stern. Wenige Stunden nach dem Start waren laut Polizei schon rund 1.000 Aktivisten auf der Straße, die sich zuvor in den sozialen Medien organisiert hatten. Gegen 11 Uhr begannen die Aktivisten zudem mit dem Bau einer Arche direkt an der Siegessäule, um auf das Artensterben aufmerksam zu machen. Dort hielt zur Mittagszeit die Seenotrettungs-Kapitänin Carola Rackete eine Rede.

Berlins Innensenator Andreas Geisel kündigte ein Vorgehen "mit Augenmaß" gegen die Umweltschützer an. Man werde sich die Versammlungen anschauen und einige auch eine Weile gewähren lassen, sagte der SPD-Politiker dem Inforadio des RBB. "Es ist ja so, dass wir Blockaden, Veranstaltungen durchaus als spontane Demonstrationen werten können, die ja nach Demonstrationsrecht zulässig sind", sagte Geisel weiter. Man sei aber auch bereit, energischer vorzugehen, wenn etwa Gewalt angewendet werde oder kritische Infrastrukturen wie der Flughafen betroffen seien.

Ein Transparent von "Extinction Rebellion" hängt auf der Wiese vor dem Reichstag in Berlin.

Ein Transparent von "Extinction Rebellion" hängt auf der Wiese vor dem Reichstag in Berlin.

2. Woher kommt "Extinction Rebellion" jetzt auf einmal?

"Extinction Rebellion" (auf Deutsch etwa: "Rebellion gegen das Aussterben") kommt ursprünglich aus Großbritannien, wo die Gruppe im Herbst 2018 erstmals öffentlich auftrat. Am 17. November 2018 erregte sie dort durch das Blockieren der wichtigsten Themse-Brücke in London großes Aufsehen. Etwa 6.000 Aktivisten sollen hier beteiligt gewesen sein, 85 von ihnen wurden wegen Verkehrsbehinderung festgenommen. Ungefähr seit dieser Zeit gibt es auch in Deutschland Gruppen, die sich "Extinction Rebellion" zugehörig fühlen.

3. Was will "Extinction Rebellion"?

Auf der Facebook-Seite "Extinction Rebellion Deutschland" heißt es: "Wir organisieren gewaltfreie Aktionen des zivilen Ungehorsams, um Regierungen zum Handeln gegen Klimakrise und Artensterben zu zwingen."

Zudem fordert die Gruppe offiziell, dass die nationalen Regierungen sofort den Klimanotstand ausrufen sollen. Außerdem sollen alle politischen Entscheidungen, die der Bewältigung der Klimakrise entgegenstünden, revidiert werden, und schon bis 2025 müssten die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen auf netto null sinken.

"Extinction Rebellion" demonstriert in New York mit apokalyptisch anmutenden Verkleidungen für mehr Klimaschutz.

"Extinction Rebellion" demonstriert in New York mit apokalyptisch anmutenden Verkleidungen für mehr Klimaschutz.

4. Wie geht die Bewegung vor?

Gewaltfreiheit in Verbindung mit "Zivilem Ungehorsam" kann als die Basis des Aktivismus von "Extinction Rebellion" angesehen werden. Damit ist gemeint, dass die Aktivisten, anders als etwa die Schülerinnen und Schüler von "Fridays for Future", auch bereit sind, gegen geltendes Recht zu verstoßen, um ihren Protest auf die Straße zu tragen. Konkret heißt das unter anderem, dass Demonstrationen und Blockaden meist nicht vorher angemeldet werden, sondern spontan erfolgen. Die Aktivisten erklären sich ferner bereit, sich notfalls auch von der Polizei verhaften zu lassen. Die Gruppe pocht jedoch darauf, dass alle ihre Aktionen gewaltfrei bleiben sollen, es also zum Beispiel keinen handgreiflichen Widerstand gegen Polizeibeamte geben darf.

Zu den aktuellen Aktionen in Berlin erklärt die Sprecherin Eva Escosa-Jung: "Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf, der unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir setzen den Protest so lange fort, bis die Regierungen angemessen reagieren. Wir stören, weil wir keinen anderen Weg sehen, um den umfassenden und tiefgreifenden Wandel herbeizuführen, der das Klima rettet." Die Klimapolitik der Regierung habe versagt. "Wälder brennen, die Meeresspiegel steigen, die Ozeane übersäuern und weltweit sterben Wildtiere massenhaft aus - der Menschheit droht eine lebensbedrohende Katastrophe." Extinction Rebellion wende keine Gewalt, sondern Kreativität an.

Die Verbindung zu "Fridays for Future"

Die 16-jährige Klima-Aktivistin Greta Thunberg gilt als Galionsfigur der "Fridays for Future" Bewegung. Zu "Extinction Rebellion" gibt es zumindest lose Verbindungen

Die 16-jährige Klima-Aktivistin Greta Thunberg gilt als Galionsfigur der "Fridays for Future" Bewegung. Zu "Extinction Rebellion" gibt es zumindest lose Verbindungen

5. Hängt "Extinction Rebellion" mit "Fridays for Future" zusammen?

Das ist schwer zu sagen, weil es sich in beiden Fällen um dezentral organisierte Bewegungen handelt, deren zahlreiche Ortsgruppen meist sehr unabhängig voneinander agieren. Sicher ist, dass Greta Thunberg bei der ersten großen Aktion von "Extinction Rebellion" in London auftrat und eine Rede hielt. Im April 2019 besuchte die junge Schwedin erneut eine "XR"-Veranstaltung. Dort sagte sie: "Wir haben uns heute versammelt, weil wir gewählt haben, welchen Weg wir nehmen wollen. Und jetzt warten wir darauf, dass die anderen unserem Beispiel folgen." Extinction Rebellion und die Teilnehmer der Schülerproteste seien diejenigen, die einen Unterschied machten. "Wir werden niemals aufhören, für diesen Planeten und für uns selbst, unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder und Enkel zu kämpfen." Bei der besagten Veranstaltung, die im Rahmen fünftägiger Proteste stattfand, wurden etwa 600 Aktivisten verhaftet.

Beim aktuellen Protest in Berlin sprach auch Luisa Neubauer von Fridays for Future am Potsdamer Platz vor den Demonstranten. "Wir brauchen Menschen, die in Massen, in nie dagewesenen Massen auf die Straßen gehen und anfangen, Teil der Lösung zu werden", sagte die 23-Jährige dort.

Die Aktivisten von "Extinction Rebellion" sind der Meinung, dass es für effektiven Klima-Protest "zivilen Ungehorsam" braucht. Das bringt der Organisation viel Kritik ein.

Die Aktivisten von "Extinction Rebellion" sind der Meinung, dass es für effektiven Klima-Protest "zivilen Ungehorsam" braucht. Das bringt der Organisation viel Kritik ein.

6. Wie reagiert die Politik auf die Gruppe?

Angesichts der Proteste und Blockaden in Berlin reagierte die dort regierende SPD eher aufgeschlossen. "Ich verstehe die Ungeduld von vielen", sagte die Interims-Parteivorsitzende Malu Dreyer der Deutschen Presse-Agentur. "Natürlich gilt für alle, dass es gewaltfrei bleiben muss."

Die FDP hingegen warnte vor antidemokratischen Zügen der Bewegung. "Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage", sagte Parteichef Christian Lindner der dpa. "Klimaaktivisten und Grüne sollten sich von den antidemokratischen und teils totalitären Äußerungen aus dieser Gruppierung distanzieren." Klimaschutz sei keine Entschuldigung für Gewalt, die bei Blockaden ihren Ausgangspunkt nehme, sagte der Liberale.

Auch der Grünen-Politiker Boris Palmer kritisierte Extinction Rebellion. "Es gibt gute Gründe, endlich entschiedenes Handeln für den Klimaschutz zu fordern. Wer aber Demokratie und Rechtsstaat dafür über Bord wirft, wird ziemlich sicher auch den Kampf gegen den Klimawandel verlieren", sagte der Tübinger Oberbürgermeister der "Bild"-Zeitung am Montag.