Kirche unter Druck

Marx stellt jährlichen Rechenschaftsbericht in Aussicht


Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, stellt einen jährlichen Rechenschaftsbericht in Aussicht. (Archivbild)

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, stellt einen jährlichen Rechenschaftsbericht in Aussicht. (Archivbild)

Von dpa

Der Missbrauchsskandal und Forderungen nach Modernisierung setzen die traditionell reformresistente katholische Kirche in Deutschland massiv unter Druck. Kardinal Marx stellt nun etwas in Aussicht, das vor gar nicht langer Zeit beinahe unmöglich gewesen wäre.

Ein Jahr nach der Veröffentlichung eines Gutachtens zu sexueller Gewalt im Erzbistum München und Freising stellt Kardinal Reinhard Marx einen jährlichen Rechenschaftsbericht in Aussicht. Er könne sich vorstellen, "dass ich jedes Jahr vor dem Diözesanrat oder einer Synodalversammlung im Erzbistum einen Rechenschaftsbericht abgebe", sagte der Erzbischof von München und Freising nach Angaben seiner Diözese vom Mittwoch bei einem Podiumsgespräch über Aufarbeitung und Reformbemühungen in der katholischen Kirche. Die Missbrauchskrise habe Defizite sichtbar gemacht, die im Rahmen des Reformprojektes angegangen werden müssten.

Der Skandal um massenhaften Missbrauchs in der katholischen Kirche habe ihm die Erkenntnis eingebracht: "Die Kirche, die du dir wünschst und die du auch sehen möchtest, die gibt es gar nicht - oder nicht so", sagte der Kardinal. "So, wie du dir das vorstellst, ist es nicht. Es gibt diese dunkle Seite."

2010 wurden erste Missbrauchsfälle bekannt

Seit im Jahr 2010 die ersten Missbrauchsfälle in Deutschland bekannt wurden, lässt der Skandal die Kirche auch hierzulande nicht los.

Im Herbst 2018 hatte die katholische Kirche die sogenannte MHG-Studie und damit Zahlen zu sexuellem Missbrauch öffentlich gemacht. Demnach sind bundesweit in den Personalakten von 1946 bis 2014 insgesamt 1670 Kleriker wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt worden. Es gab laut der Studie 3677 Opfer. Im Jahr 2020 machten die Ordensgemeinschaften öffentlich, dass sich bei ihnen weitere 1412 Betroffene gemeldet haben. Aus Sicht einiger Experten und von Kirchenkritikern ist das aber nur die Spitze des Eisbergs.

Das vom Erzbistum bei der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegebene, vor einem Jahr vorgestellte Gutachten geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern allein in der Diözese - und von einem weit größeren Dunkelfeld aus.

Kritiker wie die Reformbewegung "Wir sind Kirche" fordern schon seit Jahren demokratischere Strukturen bei den extrem hierarchisch organisierten Katholiken. Es sei "sehr deutlich, wie notwendig grundsätzliche kirchliche Reformen" seien, sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner in Bezug auf die Themen Machtkontrolle, Priesterbild, Frauenfrage und Sexualmoral. Dass die Bilanz des Erzbistums in der Frage der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen inzwischen gut ausfalle, liege in erster Linie daran, dass nun Betroffene viel stärker einbezogen würden als früher.

Das sagte auch Marx, der Betroffenen von Missbrauch dankte, "dass sie geredet haben und weiter reden". Der Mut und die Bereitschaft der Betroffenen, Erlebtes zu thematisieren, sei unabdingbar für die Aufarbeitung.