Karlsruhe

NSU-Urteile gegen Zschäpe und zwei Helfer rechtskräftig


Die als Mittäterin bei den Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) angeklagte Beate Zschäpe sitzt im Gerichtssaal im Oberlandesgericht. Gut drei Jahre nach der Urteilsverkündung im NSU-Prozess äußert sich der Bundesgerichtshof (BGH) am 19. August zu den eingelegten Revisionen

Die als Mittäterin bei den Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) angeklagte Beate Zschäpe sitzt im Gerichtssaal im Oberlandesgericht. Gut drei Jahre nach der Urteilsverkündung im NSU-Prozess äußert sich der Bundesgerichtshof (BGH) am 19. August zu den eingelegten Revisionen

Von mit Material der dpa

Vor mehr als drei Jahren ging der NSU-Prozess um zehn überwiegend rassistische Morde zu Ende. Doch Beate Zschäpe und drei Mitangeklagte haben ihre Strafen nicht akzeptiert. Der BGH hat sich ausführlich mit den Revisionen befasst - und nun Entscheidungen getroffen.

Die Terroristin Beate Zschäpe muss wegen der rassistisch motivierten Anschlagsserie des NSU als Mörderin hinter Gittern bleiben. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verwarf ihre Revision nach Angaben vom Donnerstag und strich nur eine Einzelstrafe. "Die lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe und die festgestellte besondere Schuldschwere sind hiervon jedoch unberührt geblieben." Auch die Urteile gegen die NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und Holger G. seien rechtskräftig. Gegen den Mitangeklagten André E. hingegen wird im Dezember verhandelt.

Damit ist das Kapitel um Zschäpe beendet. Die wichtigste Frage war, ob die obersten Strafrichter Deutschlands der Argumentation des Oberlandesgerichts (OLG) München folgen, das Zschäpe als Mittäterin der Neonazi-Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) - und damit als Mörderin - verurteilt hatte. Es gibt keinen Beweis, dass sie selbst an einem der Tatorte war.

Der Bundesgerichtshof prüft seit Januar unter anderem die Revision von Beate Zschäpe.

Der Bundesgerichtshof prüft seit Januar unter anderem die Revision von Beate Zschäpe.

BGH sieht Zschäpe als Mittäterin

Die Antwort lautet eindeutig ja: Die Feststellung, Zschäpe habe an der Planung jeder einzelnen Tat mitgewirkt, und die daraus erfolgten Schlussfolgerungen seien "rational nachvollziehbar", teilte der 3. Strafsenat des BGH mit. Ohne ihre Versprechen, etwa nach dem Tod ihrer beiden Komplizen ein Bekennervideo zu veröffentlichen, hätten die verfolgten Ziele nicht erreicht werden können.

Die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung alleine führe zwar nicht dazu, dass dem einzelnen Mitglied eine Tat zugerechnet werden kann. "Jedoch kann etwa ein weltanschaulich-ideologisches, religiöses oder politisches Ziel der Tatbegehung sowohl den Charakter eines hierauf gerichteten Personenzusammenschlusses bestimmen als auch erhebliche Bedeutung für die Qualifizierung der Tatbeteiligung als Täterschaft anstelle Teilnahme haben", so der BGH.

Leben im Untergrund

Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die Männer acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. 2011 nahmen sie sich das Leben, um der drohenden Festnahme zu entgehen. Zschäpe zündete die gemeinsame Wohnung an, verschickte ein Bekennervideo und stellte sich.

Das Mammutverfahren um die Morde und Anschläge der Neonazi-Terrorzelle NSU war am 11. Juli 2018 nach mehr als fünf Jahren und über 400 Verhandlungstagen zu Ende gegangen. Das OLG stellte bei Zschäpe die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Das schriftliche Urteil liegt seit Ende April 2020 vor, es ist 3025 Seiten lang.

Ralf Wohlleben wurde als Waffenbeschaffer wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Haft verurteilt, Holger G. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren Haft. Weil die Anwälte keine weiteren Erklärungen zu ihren Revisionen abgegeben hätten, erläuterte der BGH die Gründe für seine Entscheidung hier nicht.

Verhandlung zu Mitangeklagten später

Anders ist der Fall des Mitangeklagten André E. gelagert. Nur bei ihm hatte auch die Bundesanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Daher soll nun am 2. Dezember verhandelt werden. "Als Termin zur Verkündung einer Entscheidung ist der 15. Dezember 2021 in Aussicht genommen."

Das OLG hatte E. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er habe dem NSU-Trio mehrere Bahncards verschafft, die auf ihn und seine Ehefrau ausgestellt waren - aber mit Fotos von Böhnhardt und Zschäpe versehen waren. Mit dem Urteil blieb das OLG weit unter der Forderung der Anklage, die auf Beihilfe zum versuchten Mord plädiert hatte. E. soll unter anderem auch ein Wohnmobil angemietet haben, mit dem die Täter für einen Bombenanschlag nach Köln fuhren.

Der fünfte Angeklagte, Carsten S., hatte seine Revision zurückgezogen. Er ist seit Mitte 2020 frei, nachdem der Rest seiner dreijährigen Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte gestanden, dem NSU die "Ceska"-Pistole übergeben zu haben, mit der später neun Morde begangen wurden, und war wegen Beihilfe verurteilt worden. Nur in seinem Fall hatte sich der BGH bisher geäußert und im März mitgeteilt, dass S. zu Recht auferlegt worden war, die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Nebenkläger anteilig mitzutragen.